Die polnisch-britische Künstlerin Goshka Macuga platzierte eine Raumkapsel mitten in den Spiegelteich.
Johannes Stoll / Belvedere Wien

Im Park des ersten öffentlichen Museums stand angeblich auch die erste öffentliche Toilette. Auch wenn das Klosett aus dem 18. Jahrhundert mittlerweile mehr Fun als Fact ist, so ist die bloße Erzählung davon auch heute noch zu etwas gut: Denn in den Parks des Belvedere wurden die Bedürfnisse der Öffentlichkeit offenbar schon immer großgeschrieben.

Jetzt, zum 300-jährigen Jubiläum, wo Dixi-Klos keine besonders überschäumende gesellschaftliche Erregung mehr auslösen, musste man sich etwas anderes einfallen lassen. Mit großem Tusch und Rahmenprogramm hat vergangenen Samstag die Skulpturenausstellung Public Matters eröffnet. Bis 1. Oktober werden bei freiem Eintritt vom Unteren Belvedere bis zum Belvedere 21 Arbeiten von 33 internationalen Künstlerinnen und Künstlern gezeigt, einige sollen auch noch nach Ende der Schau an Ort und Stelle bleiben.

Renate Bertlmanns überdimensionaler Schriftzug "Amo Ergo Sum" prangt im Hof vor der Orangerie.
Foto: Johannes Stoll / Belvedere Wien

Betritt man das Gelände über den Eingang am Gürtel, so sticht sogleich das prominentest platzierte und visuell auffälligste Objekt ins Auge: Die polnisch-britische Künstlerin Goshka Macuga platzierte eine Raumkapsel mitten in den Spiegelteich, aus der nun drei seltsame Mischwesen klettern und mit mysteriösen Sprüchen auf Flaggen protestieren. I could have gone on flying through space forever but I have always loved a window, especially an open one lautet der sperrige Titel der Arbeit, die 2023 mit direktem Bezug auf die Menagerie von Prinz Eugen entstanden ist.

Neue Ecken entdecken

So markant positioniert wie jene ist aber sonst kaum eine andere. Man habe sich bewusst dagegen entschieden, besonders "offensichtliche" Orte zu wählen, sagt die Kuratorin Andrea Kopranovic. Vielmehr gehe es darum, neue Ecken zu entdecken, Plätze abseits des Trubels, an denen man sich nach langer Wanderung über Stock und Stein und betonierte Böden eine Rast gönnt und währenddessen Kunst erfahren kann.

Abgesehen davon wäre es gar nicht möglich gewesen, eine Skulptur inmitten der fantastischen Sichtachse zwischen Oberem und Unterem Belvedere aufzustellen, schließlich hätte das Bundesdenkmalamt da etwas dagegen gehabt. Stichwort Unesco-Weltkulturerbe.

Franz Wests Skulpturen tanzen durch die Belvedere-Luft.
Foto: Johannes Stoll / Belvedere Wien

Die Arbeiten sind zumeist thematisch angeordnet: Rund um das Untere Belvedere finden sich hauptsächlich sprachbasierte Beiträge. So prangt Renate Bertlmanns überdimensionaler Schriftzug Amo Ergo Sum im Hof vor der Orangerie. Die Arbeit ist bereits 2019 für den österreichischen Pavillon auf der Venedig-Biennale entstanden und soll auch anschließend für die Ausstellung der Künstlerin im Belvedere 21 stehen bleiben.

Bedeutungsschwangerer Balkon

Ein weiteres Highlight ist die Textarbeit von Lawrence Weiner, die posthum von seinem Team für das Belvedere ausgesucht wurde. HUNG BY A THREAD, TIED AT THE END, BOUNCED ALONG, KICKED OUT, THROWN AWAY (2008/23) mahnt an einer Wand im Ludwigshof.

Beim Oberen Belvedere, direkt unter dem bedeutungsschwangeren Balkon, auf dem Leopold Figl einst den unterzeichneten Staatsvertrag präsentiert hat, beschäftigt man sich mit Themen wie Heimat, Flucht und Krieg. Sieben Poller von Socratis Socratus (2017) wurden aus Material aus Konfliktgebieten gegossen, sie symbolisieren das Anlegen in einem sicheren Hafen. Die Bronzefigur Invasive Species (to be placed in your native garden) (2017) der Amerikanerin Kara Walker raubt einem mit ihrem Verweis auf Migration und Vertreibung beinah den Atem.

Auch eine riesige Spinne von Louise Bourgeois krabbelt durch den weitläufigen Park.
Foto: Johannes Stoll / Belvedere Wien

Treffpunkt Mythologie

Kapwani Kiwanga, Star der Venedig-Biennale 2022, erzählt mit The Worlds We Tell: Nammu, Ki and An (2023) die Schöpfung der Welt aus der Sicht Mesopotamiens und schafft damit einen zauberhaften Gegenpol zu der griechischen Mythologie im Belvedere-Garten.

Mit international angesehenen Werken kreiert man in Public Matters eine gelungene und tatsächlich physisch wie auch intellektuell gut zugängliche Skulpturenausstellung: Der Spaziergang durch die Anlage lohnt sich. (Caroline Schluge, 23.5.2023)