Nicolas Cage auf der Höhe seiner Kunst.

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Fliegen kann Nicolas Cage jetzt auch.

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Nicolas Cage kann auch sehr galant sein.

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Natürlich muss man Menschen, die ohne jeden Anflug von Selbstzweifel durch das Leben gehen, auch beneiden. Übersteigertes Selbstbewusstsein macht diese Personen zwar auf die lange Sicht sehr, sehr einsam. Das merken sie aber aus Mangel an Einfühlungsvermögen oder Talent zur Reflexion ohnehin nicht. Es ist ja nicht ihre Schuld, wenn sie niemand versteht, bloß weil sie so groß- und einzigartig sind. Blöde Fehler machen immer nur die anderen, die Minderwertigen, das Futter- und Arbeitsvieh. Beim Hobeln fallen Späne – es fließt dann auch manchmal Blut.

Graf Dracula zum Beispiel leidet in der herrlich schmierentheatralischen Darstellung von Nicolas Cage in der Horrorkomödie Renfield nicht ein kleines Bisschen an seinem Größenwahn und seiner seit Jahrhunderten jedes Maß und Ziel sprengenden narzisstischen Störung. Er genießt sie. Wenn man die Menschheit als blutsaugender Untoter in wenige "Follower" und sehr viel "Food" unterteilt, ist der Schritt zur Welteroberung wieder einmal zum Beißen nah.

Die Opfer so einer Störung landen, so wie der Titelheld Renfield, im Stuhlkreis. Der Diener Draculas wird von Nicholas Hoult dargestellt. Auf der Suche nach frischem Blut für seinen wieder einmal durch einen versuchten priesterlichen Exorzismus und einem auch die unteren Hautschichten massiv angreifenden Sonnenbrand geschwächten Herrn und Meister, landet Renfield in einer Selbsthilfegruppe für Opfer toxischer Beziehungen.

Den Ted Lasso in sich entdecken

Eigentlich hat Renfield auf der Einkaufsliste des Chefs für das Abendessen eine Busladung Cheerleader stehen. Über die Jahrhunderte immer auf der Flucht und nomadischen Suche nach Beute in der "Neuen Welt" gelandet, gibt es Dracula im heutigen New Orleans etwas billiger. Er kränkelt in einem Abbruchhaus in einem Zimmer voller leergesaugter Blutkonserven vor sich hin. Nicholas Hoult als Renfield stärkt sich für die Nahrungsbeschaffung traditionell mit Superfood. Nachdem er als glatzköpfiger "War Boy" Nux in Mad Max – Fury Road in der Wüste Chromspray tankte, um ungeahnte Kräfte zu entwickeln, sind jetzt im urbanen Dschungel-Camp leckere Insekten an der Reihe.

In der Selbsthilfegruppe, bei der bald auch Dracula vorbeischauen wird, um das Büffet dort abzuräumen, erfährt Renfield allerdings, dass es auch ein Leben ohne toxische Beziehungen gibt: Liebe, Respekt, Wertschätzung. Das Leben könnte auch Ted Lasso sein! Er entwickelt gegenüber seinem Chef entschiedene Vorbehalte und kündigt.

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Noch dazu verliebt er sich im Zuge eines ausschließlich für ältere Kinder im Kino angerichteten Blut-und-Beuschel-Gemetzels, das er in einem Lokal voller Mafiagangster anrichtet, in eine für die Gerechtigkeit in der Welt kämpfende Polizistin, dargestellt von US-Rapperin und Komödiantin Awkwafina. Renfield wächst eine eigene Meinung, er zieht aus dem gemeinsamen Haushalt mit dem Chef aus und will ein guter Mensch werden. Das wiederum sieht Dracula gar nicht gern. Man könnte sogar sagen, dass er einen ziemlichen Gizzi kriegt.

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Leider wurde Nicolas Cage in dieser von The Walking Dead-Erfinder Robert Kirkman entwickelten und von Chris McKay (The Lego Batman Movie) arg erwartbar umgesetzten Geschichte nur eine Nebenrolle zugedacht. Der viel zu breit ausgewalzte Handlungsstrang mit der Drogenmafia bietet zwar reichlich Filmzeit für fliegende Körperteile, spritzendes Blut und quellende Innereien.

Lieber aber würde man Nicolas Cage länger dabei zuschauen, wie er lüstern die Augen verdreht, dank dritter Vampirzähne lustig blutscht oder angewidert die spießige neue Ikea-Bude seines aufsässigen Dieners heimsucht. Zum Frühstück hat es für Nicolas Cage nämlich einen Kasperl gegeben. (Christian Schachinger, 23.5.2023)