Von den heiteren Farbtönen, in denen die Landkarten einen anstrahlen, sollte man sich nicht täuschen lassen. Es geht bei "My Country, My Blood" von Robert Gabris nämlich um Ausgrenzung.

West. Fotostudio

Man sollte sich von den freundlichen Farbtönen, in denen die zart gestrichelten Landkarten von Robert Gabris daherkommen, nicht täuschen lassen. Sie sind auch Territorien der Ausgrenzung. Auf einer horizontal im Raum schwebenden Zeichnung sind die kollektiven Erinnerungen und Emotionen marginalisierter Gruppen mit Fähnchen abgesteckt. Die Landschaft selbst erinnert in ihrer Struktur nicht zufällig an mikroskopische Aufnahmen menschlichen Fleisches.

Queere Körper und Identitäten spielen in den Arbeiten des 2022 mit dem ersten Belvedere Art Award ausgezeichneten Wiener Künstlers genauso eine Rolle wie seine Zugehörigkeit zur Roma-Community. Zu sehen sind Gabris’ emotionale Landschaften aktuell in der Neuen Galerie in Innsbruck, für die die Leiterin der Tiroler Künstlerinnenschaft, Bettina Siegele, die feine Gruppenschau Gestures of Affection ("Gesten der Zuneigung")kuratiert hat.

Dem Titel der Schau entsprechend wird sich gleich eingangs auf Fotografien von Laura Cemin innig umarmt – sagen Sie aber keinesfalls Liebe dazu! Denn die gute alte Anwältin selbstloser Zuneigung ist in Verruf geraten.

Blind für Kommerz

Sie leistet bloß bürgerlichen Wertvorstellungen und patriarchalen Strukturen Vorschub, und blind für die eigene Kommerzialisierung ist sie ja außerdem. So in etwa lässt sich das zusammenfassen, was die Journalistin und Autorin Şeyda Kurt meint, wenn sie in ihrem Buch Radikale Zärtlichkeit. Warum Liebe politisch ist dafür plädiert, den Begriff "Liebe" gleich durch "Zärtlichkeit" zu ersetzen. Und zwar möge man dies mit dem Anspruch tun, daraus mehr "Fairness im Privaten und Gerechtigkeit im Politischen" zu gewinnen.

Mit dieser Idee ist Kurt natürlich nicht als Erste um die Ecke gekommen, feministische Theoretikerinnen wie die US-Amerikanerin bell hooks redeten einer Neuinterpretation der Liebe eigentlich schon vor zwanzig Jahren das Wort.

Theoretisches Unterfutter für die vorgestellten künstlerischen Konzepte radikaler Zärtlichkeit existiert also reichlich, es gibt dabei dann erfreulicherweise auch durchaus Raum für humorvolle Zugänge. 3verpasste Anrufe am Babyphon heißt Anna Lerchbaumers Installation aus skurrilen Care-Robotern und Objekten, die, weil unser Leben ohnehin bis in den letzten Winkel von künstlichen Technologien durchdrungen ist, auch gleich die Mutterschaft dorthin auslagert.

Gesten der Zärtlichkeit

Weitaus spröder wirken auf den ersten Blick die minimalistischen Objekte von caner teker. Sie sind das Destillat aus der Performance Kırkpınar –und zwar im wörtlichen Sinne: Bei der Herstellung der zu Inbusschlüsseln geformten Seifenstücke wurde destillierter Schweiß aus tekers Interpretation eines türkischen Öl-Ringkampfs verwendet. Das für diesen Nahkampf typische hypermaskuline Gebaren verwandelte sich dabei in Gesten der Zärtlichkeit. (Ivona Jelcic, 24.5.2023)