Roland Essl hat bei Reinhard Gerer gelernt. Das hindert ihn keineswegs, mit Selbstverwurstetem der Extraklasse aufzufahren.

Foto: Gerhard Wasserbauer
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Fotos: Gerhard Wasserbauer

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Für großartige Wirtshäuser muss man bereit sein, weite Wege zu gehen - schließlich gibt es immer weniger davon. Aber deswegen gleich nach Salzburg, noch dazu zur Festspielzeit, ist, zugegeben, ein bissl viel verlangt. Dennoch: Auch jene, die aus freien Stücken im Jedermann oder sonst wo theatralisch wegdösen, haben ein Recht auf ordentliche Unterlage. Der Weiserhof, etwas versteckt hinter dem Bahnhof gelegen, ist dafür eine tolle Adresse.

Der Gastgarten mit Kastanienbäumen, karierter Tischwäsche und hölzernem Klappgestühl ist stilvoll geschottert. Roland Essl, Koch und seit vergangenem Jahr Pächter des Weiserhofs, hat als Sous-Chef bei Reinhard Gerer gedient, seine Eltern waren lange Betreiber des legendären Braugasthofs Krimpelstätter, der seit der Neuübernahme vor ein paar Jahren nur noch als matter Abglanz einstiger Größe existiert.

Legendäre Nocken- und Knödelrezepturen

Die legendären Nocken- und Knödelrezepturen, die den Ruhm des Krimpelstätter begründeten, kann man hier in besonders liebevoller Ausführung wiederfinden, von der flaumig-knusprigen Aromabombe "Hoargneistnidei" (gebratene Erdäpfel-Sauerkrautlaibchen auf Schweinsbratensaft) über epochale "Stinkerknödel" (aus "davongelaufenem" Graukas) und Schottnocken aus federleichtem Erdäpfelteig, in Kräutersauce und mit geselchtem Buttermilchkäse ordentlich zünftig hergewürzt, bis zu gebackenen Henakrapfen, Ochsenschoas und anderen vergessenen Deftigkeiten mehr.

Die absolute Sensation sind aber die Fleischspeisen

Die Haussulz etwa ist ein puristisches Manifest, beste Fleischqualität, mürb, ungepökelt, im eigenen Saft geliert, sie wird mit hauchfein geschnittener, roter Zwiebel, ultraklassischer Essigmarinade und hausgebackenem Brot serviert. Panierter Kalbskopf ist selbst ausgelöst und gerollt, knusprig in Butterschmalz gebacken, dazu gibt es schwungvoll marinierten, warmen Erdäpfelsalat, erstklassiges Kernöl rundherum - besser hat man dieses Gericht seit sehr langer Zeit nicht kosten dürfen. Aus eigener Metzgerei sind auch sämtliche Würste, die wunderbar cremige Blutwurst mit knuspriger Hülle und kräftiger Majoran-Würze ebenso wie Schweinsbratwürstel oder die umwerfende Breinwurst aus Leber, Schopfbraten und in Selchsuppe gekochter Hirse, Rollgerste, Hafer und Grünkern, die megaknusprig gebraten und, wie die anderen auch, mit erstklassigem, bissfestem Sauerkraut und buttrigen Heurigen serviert wird. Am Metzgerteller sind alle drei vereint, da entgeht einem keines dieser Wurst gewordenen Kunstwerke. Dazu gibt es das süffige Kaltenhauser Bernstein vom Fass. Danach ist man glücklich, aber auch ein bissl grantig: Was macht ein derartiges Über-Wirtshaus ausgerechnet in Salzburg, einem hochgezwirbelten Städtchen, das mit dem Augustiner-Bräu eh schon das beste Bier (und den schönsten Biergarten) des Landes hat? Die anderen wollen auch was ab! (Severin Corti/Der Standard/rondo/04/08/2006)