Oswald Oberhuber kritisiert die "Dummheit der Bawag", die Gemäldesammlung Wolfgang Flöttls nicht behalten zu haben.

Foto: STANDARD/Hendrich
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Renate Graber sprach mit Oswald Oberhuber über sein Vermögen ("Man kann existieren"), sein Anlegerverhalten ("Kunst sammeln") und seinen Output ("Keine Ahnung").

STANDARD: Sie haben anlässlich des Weltspartags ein Sparbuch der BA-CA gestaltet. Voriges Jahr hat das Maria Lassnig getan; ist das eine Alterserscheinung?

Oberhuber: Na, sehr gut. Ich habe nicht angefragt, sondern wurde vom Generaldirektor aus einer vorgeschlagenen Gruppe von Künstlern auserwählt.

STANDARD: Haben Sie extra für das Sparbuch gemalt?

Oberhuber: Nein, da wurde eine Arbeit verwendet, die die Bank schon besitzt. Ich hätte ja etwas lieber etwas anderes genommen, meine Arbeiten mit Ziffern und Zahlen zum Beispiel, die hätten sich besser geeignet. Auf diesem Sparbuch sind Köpfe und sonst noch einiges drauf, aber ich kann das kaum beschreiben. Mit Geld hat es jedenfalls nichts zu tun.

STANDARD: Apropos, bekommen Sie pro Sparbuch bezahlt?

Oberhuber: Aber nein, die Bank kauft ein Bild von mir. Das ist mir auch lieber, weil sie eine ganz gute Sammlung von mir hat, ich schätze so um die zwanzig Stück.

STANDARD: Was kostet ein Bild von Ihnen?

Oberhuber: Das ist unterschiedlich. Ich mache ja die Preise selbst. Bei meinen Arbeiten kommt es auf die Jahreszahl an, die drauf steht. Sehr frühe Bilder, von denen es nicht so viele gibt, sind teuerer als neue Bilder, ist eh klar.

STANDARD: Ich würde so gern Zahlen hören.

Oberhuber: Die alten kosten um die 15.000, 20.000 Euro. Die jüngeren um die 8000, 10.000 Euro.

STANDARD: Da läppert sich schon etwas zusammen. Haben Sie mit Ihrer Kunst sehr viel Geld verdient?

Oberhuber: Eine schwierige Frage. So viel, dass man existieren kann.

STANDARD: Sie scherzen. Sehr gut existieren, schätze ich.

Oberhuber: Gut. Aber ich bin ja auch schon ein bisserl bekannt.

STANDARD: Und wie legen Sie Ihr Geld an? Haben Sie bemalte Sparbücher? Aktien?

Oberhuber: Nein, ich stecke alles in Kunst. Da habe ich Genuss und Freude auch noch dabei. Beim Couponschneiden kenne ich mich nicht aus.

STANDARD: Das Investieren in Kunst steht hoch im Kurs. Finden Sie das klug?

Oberhuber: An sich zahlt es sich immer aus, gute Kunst zu kaufen. Weil sie ist das einzige, was wirklich Wertbestand hat. Die Wertsteigerung von Kunst ist sicher viel größer als bei Aktien oder Sparbüchern. Kunst bringt auf Dauer gesehen mehr als alles andere.

STANDARD: Was aber ist gute Kunst?

Oberhuber: Das entscheide nicht ich, sondern der Markt.

STANDARD: Und der hat immer Recht?

Oberhuber: Nein, manchmal tritt die Bewertung erst später ein, versteht man Bilder erst später. Nehmen sie Cézanne oder Schiele und viele andere, die zunächst weit unter ihrem Wert gehandelt wurden.

STANDARD: Wenn sich der Preis der Kunst wirklich nur nach der Nachfrage richtet: Warum sagen Sie dann, dass Gustav Klimts "Goldene Adele", die Ronald Lauder der Maria Altmann um rund 135 Millionen Dollar abgekauft hat, überzahlt war?

Oberhuber: Wir wissen ja nicht, ob dieser Preis stimmt. Die Frage ist auch der Wert des Bildes; ich finde das andere Porträt der "Adele", das Klimt gemalt hat, hundert Mal besser.

STANDARD: Trotzdem gilt die "Goldene Adele" jetzt als teuerstes Bild der Welt.

Oberhuber: Das ist doch lächerlich. Es gibt so viele Kunstwerke, deren Wert man gar nicht feststellen oder bezahlen kann. Die "Saliera" von Cellini etwa oder die "Mona Lisa"; das sind Werke, die letztlich den Wert eines Staates ausmachen, seine Reputation.

STANDARD: Was sagen Sie denn zur Bawag, die Wolfgang Flöttls reputierliche Gemäldesammlung hat versilbern lassen?

Oberhuber: Ehrlich gesagt: Die Bawag war dumm. Ich an ihrer Stelle hätte die Gemälde behalten, das waren ja Spitzenbilder, eine gute Sammlung, die mit der Zeit viel wertvoller geworden wäre. Es wäre viel gescheiter gewesen, die Bawag hätte die Bilder verlangt und nicht den Verkaufserlös. Ich sage es ja: Kunst kaufen ist gescheit.

STANDARD: Mit viel Geld kann ich mir leicht eine gute Sammlung zusammen kaufen, wie das Flöttl getan hat. Ist so eine Sammlung genauso viel wert, wie eine, die sich ein weniger Begüterter mit Leidenschaft zusammen gestoppelt hat?

Oberhuber: Es spricht jedenfalls für Flöttl, dass er fähig war, etwas Wert- und Qualitätvolles zu erkennen. Und es hat ihn sicher getroffen, das zu verkaufen. So leicht ist das nicht, wenn man Bilder liebt. Aber prinzipiell ist sicher die leidenschaftliche Variante ist hundert Mal besser. Dort wo die Leidenschaft war, sind auch die Sammlungen großartig: Nehmen Sie nur die Habsburger-Sammlungen, oder die der russischen Zaren, der großen Klöster.

STANDARD: So ganz friedlich sind diese Sammlungen nicht zusammen gekommen.

Oberhuber: Die Frage, wie sie das alles erpresst haben ist wieder etwas anderes. Aber wir erleben es heute: Ohne diese Kunst hätten wir große geistige Verluste erlitten. Irgendwie bringt diese Gemeinheit des Zusammenraffens wieder etwas zurück, hat dann wenigstens auf Dauer einen Sinn.

STANDARD: Sie selbst nennen sich "Stilverweigerer". Ist das nicht auch ein Stil?

Oberhuber: Ich bin ein schwieriger Künstler, weil ich laufend Stilwechsel durchführe, Stil eben verweigere. Das ist ja auch richtig, sonst schläft man ja ein. Ich kann ja nicht dauernd das Gleiche malen.

STANDARD: Wenn man die Picasso-Ausstellung "Malen gegen die Zeit" in der Albertina anschaut, kommt man zu einem anderen Schluss. Picasso hat in seiner letzten Phase allein zig Variationen des "Frühstück im Grünen" gemalt.

Oberhuber: Diese Bilder sind vom Herrn Spies (Werner Spies, Kurator der Ausstellung, Anm.) völlig falsch bewertet. Diese Bilder sind viel schlechter als die, die Picasso vorher gemacht hat. Das ist halt so, und ich kenne Picassos Werk sehr gut. Picasso ist auch kein Vorbild für andere Künstler, aus ihm kann man nichts herausholen. Außer aus seiner Skulpturarbeit, die bewerte ich höher als seine Bilder. Er hat mit Draht, Papier, Gips, allem möglichen gearbeitet, das hat kein anderer Künstler in dem Ausmaß vollzogen. Von seinen Bildern kann man das nicht behaupten. Die Deformation, die ja seine Erfindung ist, die erträgst du nicht ewig.

STANDARD: Wie arbeiten Sie denn gerade? Ich sehe, Sie malen so viel in Schwarz.

Oberhuber: Ich arbeite viel gegenständlich und derzeit in schwarz, weil ich eine Ausstellung vorbereite.

STANDARD: Verkaufen Sie Ihre Werke eigentlich gern?

Oberhuber: Ich gebe gern Bilder her, bin keiner, der verliebt ist in seine Arbeit.

STANDARD: Wer sind Ihre Lieblingskäufer?

Oberhuber: Ich verkaufe am liebsten an Sammler, Leute, die viele Sachen von mir haben. Da weiß ich, dass das in einem Block zusammen gehalten wird und nicht vereinzelt an irgendeiner Wand hängt. Sammler sind mir auch lieber, weil sie leidenschaftlich sind. Ich sammle ja auch, aber anders, vor allem klassische Moderne. Der teuerste Van Gogh, die "Sonnenblumen", haben mich nicht aus den Socken geworfen, aber so einen richtig guten Matisse, den würde ich mir gern aufhängen. Aber der kostet Millionen.

STANDARD: Die Wände hier sind schon recht voll mit Bildern, wie groß ist denn Ihre Sammlung?

Oberhuber: Nicht groß für meine Sucht, die ich habe, aber einbremse, weil ich sie mir nicht so leisten kann.

STANDARD: Banken und Versicherer haben zum Teil recht große Kunstsammlungen. BA-CA, aber auch Bawag oder Generali haben eigene Ausstellungsforen. Fördert die österreichische Wirtschaft die Kunst?

Oberhuber: Ich komme gerade aus Japan, da haben alle Unternehmen Sammlungen, die öffentlich zugänglich sind. Auch österreichische Unternehmen haben angefangen zu sammeln, nur glaube ich, dass sie zum Teil falsch sammeln. Die Erste Bank hat gut gesammelt: Abstraktes, Geometrisches, sehr schwierige Kunst. Aber sie hat wieder damit aufgehört. Die Japaner sammeln viel klassische Moderne, das fehlt bei uns in Österreich. Das übrigens hat Flöttl schon erfasst, und er hat es auch gekauft, in einer Zeit, als es noch billiger war als jetzt.

STANDARD: Derzeit sind die Preise sehr hoch...

Oberhuber: ... hängt davon ab, wie gut man sich auskennt. Also ich könnte Ihnen sofort eine Sammlung aufbauen, die nicht so teuer ist.

STANDARD: ... ich fürchte, ich könnte es mir trotzdem nicht leisten.

Oberhuber: Aber es geht! Sie müssten nur Bilder kaufen, die schwierig zu erfassen sind, oder Künstler, von denen man weiß, sie sind Hoffnungsträger.

STANDARD: Und wie erkenne ich die?

Oberhuber: Ich kann das sofort sehen, und ich habe mich nie getäuscht bei jungen Künstlern. Aber fragen Sie mich jetzt nicht Namen, die möchte ich nämlich nicht nennen.

STANDARD: Wer sind denn international die berühmtesten österreichischen Künstler?

Oberhuber: Kokoschka, Schiele ...

STANDARD: ... auch schon tot ...

Oberhuber: ... Rainer. Aber es dauert ja immer länger, bis jemand aufgenommen wird von der Kunstwelt.

STANDARD: Vermarkten sich denn Künstler eigentlich gut genug?

Oberhuber: Manche schon. Kokoschka etwa, war ein hervorragender Marketingmann. Es war seine Idee, Städte zu malen und die dann der Stadt zu verkaufen.

STANDARD: Wie haben Sie Ihr Marketing angelegt?

Oberhuber: Gar nicht. Ich bin ein unfähiger Marketingmensch.

STANDARD: In anderen Ländern gibt es so etwas wie einen funktionierenden Galerie-Markt, in Österreich ist der unterentwickelt.

Oberhuber: An Galerien hängt sehr viel, den Wiener Franz West hat kein Österreicher, sondern ein Deutscher und ein Amerikaner berühmt gemacht. Oder nehmen Sie meinen Lehrer Fritz Wotruba: Ohne New Yorker Galerie Marlborough wäre er nicht so angekommen. Und seit sich keiner mehr um ihn kümmert, ist es wieder still geworden um ihn. Dahinter liegt ja ein merkwürdiges Phänomen: Dass man die Leute nach kurzer Zeit links liegen lässt.

STANDARD: Sie wurden heuer 75, wie viele Kunstwerke haben Sie schon produziert?

Oberhuber: Keine Ahnung, ich führe auch nicht Buch darüber. Es kommt wohl auch nicht auf die Menge an.

STANDARD: Picasso hat ja zuletzt jeden Tag ein Bild gemalt ...

Oberhuber: ... stimmt nicht ganz, es waren oft drei am Tag. Das geht ja, wenn man eine gewisse Masche entwickelt hat. Da hat man's leicht.

STANDARD: Wenn sie für ein aktuelles Bild so um die 8000 Euro verlangen, wie lange arbeiten Sie daran?

Oberhuber: Zwei, drei Tage, es geht auch in einem. Das hängt ja auch von der Stimmung ab, manchmal mache ich auch einen Tag lang gar nichts, und manchmal bin ich richtig süchtig danach zu arbeiten. Das hat aber nichts mit Expression zu tun, ich bin ja kein Expressionist.

STANDARD: Sie hatten ja auch einen "Brotberuf", etwa als Rektor der Wiener Hochschule für angewandte Kunst. Haben Sie das wegen des regelmäßigen Einkommens gemacht? Haben Sie sich nach Ihrem Abschied, nach dem Sie im Jahr 2000 wegen widmungswidriger Verwendung von Geldern der Fred-Adlmüller-Stiftung rechtskräftig verurteilt wurden, degradiert gefühlt?

Oberhuber: Das Lehren hat mich interessiert. Und zu meiner Verurteilung, die mich sehr betroffen gemacht hat: Ich habe das Geld für die Akademie verwendet, mit der ich seither in einem schlechten Verhältnis stehe. Und von wegen Degradierung: Ich halte dieses Wertungselement am Arbeitsmarkt für völlig falsch: Gestern war ich Direktor, heute bin ich nur noch Oberkellner; na und, dann bin ich halt Oberkellner. Das ist doch kein Problem. Viele machen den Fehler zu glauben, wenn sie einmal eine höhere Position hatten, können sie nichts anderes mehr machen.

STANDARD: Der Ex-Generaldirektor kann ruhig...

Oberhuber: ... Filialleiter werden. Und warum soll ein Kanzler nicht Vizekanzler werden können? Das macht doch nichts.

STANDARD: Es hätte Sie aber auch nicht gefreut, statt Rektor Portier der Angewandten zu werden.

Oberhuber: Ich habe auch als Rektor Nägel eingeschlagen. Die Hausarbeiter haben das sehr geschätzt. Das hat nichts mit Degradierung zu tun.

STANDARD: Ist aber ein Unterschied: Als Hausarbeiter müssen Sie die Nägel einschlagen.

Oberhuber: Das hat mit unserer Denkungsweise zu tun. In Japan habe ich erkannt, dass das Dienen einfach zum Leben dazu gehört; ohne dass man dafür extra die Hand aufhalten muss. Das beeindruckt mich.

STANDARD: Sie haben einmal gesagt, "Jede Lösung ist nach Fertigstellung auf jeden Fall falsch und sofort wieder in anderer Weise zu lösen". Ist das Ihre Umschreibung für Vergänglichkeit?

Oberhuber: Das gilt für alles, auch für die Wirtschaft und die Politik, wie man an den jetzigen Partienverhandlungen bestens sieht: Die alten Regierungspolitiker können sich nicht vorstellen, dass jetzt neue Lösungen kommen. Alles ist vergänglich.

STANDARD: Auch die Kunst? Renate Graber sprach mit ihm über sein Vermögen ("Man kann existieren"), sein Anlegerverhalten ("Kunst sammeln") und seinen Output ("Keine Ahnung") zu befragen

Oberhuber: Mit der Kunst ist es etwas anderes. Da vergehen Vorlieben und der Geschmack, aber die Qualität bleibt.

STANDARD: Lassen Sie mich eine Abschluss-Frage stellen: Worum geht es im Leben?

Oberhuber: (lacht) Um die Freude, die Schönheit, das Wunderbare, das Glückhafte. Eigentlich ist das Leben ja schön, aber das setzt voraus, dass man in harmonischem Bezug steht, mit sich selber und mit anderen. (Renate Graber, 23.10.2006)