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Erst die E-Card, jetzt die gläserne Patientin, fürchtet die Ärztekammer

Foto: apa/Barbara Gindl
Wien - Das "L" in "Elga" macht die Ärzte nervös. Steht die Abkürzung doch für "Elektronische lebenslange Gesundheitsakte" - und die Akte, in der sämtliche gesundheitsrelevanten Daten von der Wiege bis zur Bahre gespeichert sind, lässt die Mediziner um den Datenschutz fürchten.

"Wir vermissen, dass die Gefahren kommuniziert werden", kritisiert am Dienstag Johannes Steinhart, Vizepräsident der Wiener Ärztekammer, bei einer Pressekonferenz. Und malt ab 2008 (wenn der Elag wie vom Gesundheitsministerium geplant schrittweise eingeführt wird) drohende Beispiele aus. "Bei einem Vorstellungsgespräch könnte der Arbeitgeber sagen: ,Sie sind natürlich nicht verpflichtet, aber es wäre nett, wenn unser Betriebsarzt einen Blick in Ihre Akte werfen kann', oder ein Mensch, der als 30-jähriger Psychopharmaka genommen hat, könnte ein Leben lang als labil und nicht stressresistent stigmatisiert sein", fürchtet Steinhart.

Weitere Ängste der Ärzte

Dass die Daten zentral gespeichert werden und so ein "Big Doctor" möglich wird und mehr bürokratischer Aufwand. Auch die Patienten könnten gegängelt werden: "Wenn Sie heute einen Überweisungsschein haben und den zerreißen, ist das Ihre Sache. Mit einer elektronischen Überweisung würde nachvollziehbarer, ob Sie den Aufforderungen der Ärzte nachkommen oder nicht", betont der Standesvertreter.

Die Forderungen an den Gesetzgeber

Jeder Patient müsse selber sagen können, welche Daten überhaupt gespeichert werden, und der Infomationsverbund müsse zu 100 Prozent unter Kontrolle der Ärzteschaft sein - und nicht etwa der Sozialversicherungen. Und die Ärzte müssten rechtzeitig eingebunden werden, um ein Chaos wie bei der E-Card zu vermeiden.

Politische Verblüffung

Im Gesundheitsministerium ist man ob der Befürchtungen etwas verblüfft, wie Clemens Auer, Kabinettschef von Maria Rauch-Kallat (ÖVP) erläutert - denn derzeit arbeite man erst an einer Machbarkeitsstudie, Details stehen noch gar nicht fest. "Der Datenschutz ist entscheidend. Wenn ein Missbrauch nicht ausgeschlossen werden kann, dann ist das ganze System nicht möglich", beteuert er. Es werde aber ein strenges Berechtigungssystem geben, Zahnärzte werden beispielsweise nicht auf gynäkologische Befunde zugreifen können. Die Vision von Elga sei die einer "Supersuchmaschine" für Gesundheitsdaten von Spitälern und Ärzten - zentrale Datenverwaltung werde es keine geben.

Auch für den niederösterreichischen Patientenanwalt Gerald Bachinger, der in der Elga-Steuerungsgruppe sitzt, sind nicht alle Bedenken nachvollziehbar. "Datenschutz ist wichtig, aber mir ist der gläserne Patient lieber als der tote Patient. Bei meiner Arbeit erfahre ich täglich von Fällen, in denen Behandlungsfehler wegen mangelnder Information und Vernetzung bis hin zum Tod geführt haben." (DER STANDARD, Printausgabe, Michael Möseneder, 14.11.2006)