London/Wien - Die Eröffnung der jährlichen Sitzungsperiode des britischen Parlaments durch die Königin ist eine in bester britischer Tradition von imperialem Pomp, republikanischem Selbstbewusstsein und daraus erwachsender Skurrilität geprägte Zeremonie, deren Ursprünge über mehrere Jahrhunderte zurückreichen. So, wie sie heute abläuft, datiert sie zurück auf das Jahr 1852, als das Unterhaus 18 Jahre nach dem verheerenden Brand von 1834 wiedereröffnet wurde. Sie findet im Ratssaal des Oberhauses statt - das Unterhaus hat seit 1642 kein britischer Monarch mehr betreten.

Damals war Charles I. in bewaffneter Begleitung eingedrungen und hatte versucht, fünf Parlamentsmitglieder wegen Hochverrats verhaften zu lassen. Der Vorsitzende weigerte sich, ihren Aufenthaltsort zu verraten. Dieser Eklat führte letztlich zum Ausbruch des englischen Bürgerkrieges, der Ausrufung der Republik unter Oliver Cromwell und am 30. Jänner 1649 zur Enthauptung des Königs.

Durchsuchung des Kellers

Eine weitere rituelle Reminiszenz an die unruhige Geschichte des britischen Parlamentarismus stellt die zeremonielle Durchsuchung des Kellers des "Palace of Westminster" dar, bevor die Königin eintrifft. Damit wird an den "Gunpowder Plot" des Jahres 1605 erinnert, als katholische Verschwörer unter ihrem Anführer Guy Fawkes versuchten, das Parlament in die Luft zu sprengen. Der Anschlag wurde in letzter Minute vereitelt, sein Jahrestag wurde - wie seither an jedem 5. November - erst vor wenigen Tagen wieder als "Guy Fawkes Day" mit Feuerwerken begannen.

Die Königin trifft, von Kavallerie eskortiert, in ihrer Kutsche vor dem Parlament ein und betritt es durch den "Souvereign"s Entrance". Nachdem sie im "Robing Room" die zeremonielle Robe angelegt und die Staatskrone aufgesetzt hat, begibt sie sich zur "Lords Chamber", dem Sitzungssal des Oberhaues, und wartet dort auf ihrem Thron auf die Ankunft der Unterhausabgeordneten.

Dazu wird der "Gentleman Usher of the Black Rod" zum Unterhaus-Sitzungssaal ausgesandt - um sich dort zur rituellen Bestätigung der Unabhängigkeit vom Staatsoberhaupt die Türe vor der Nase zuschlagen zu lassen. Der "Black Rod" klopft schließlich mit seinem schwarzen Ebenholz-Stab, von dem sich sein Name ableitet, drei Mal auf die Türe. Nach der Frage: "Who is there?" ("Wer ist da?"), der Antwort "Black Rod" und der Mitteilung, dass die Königin die Unterhausabgeordneten zu sehen wünsche, folgen ihm diese schließlich, um sich vor der Schranke des Oberhauses, gegenüber des Thrones aufstellen.

Thronrede

Die Rede der Königin, der nun die Abgeordneten beider Häuser lauschen, enthält das Regierungsprogramm für das folgende Jahr und stammt zur Gänze aus der Feder des Regierungschefs bzw. seines Büros. Im Anschluss an die Thronrede folgt eine mehrtägige Parlamentsdebatte über das vorgetragene Regierungsprogramm - naturgemäß ohne die Monarchin, die sich wieder in den Buckingham-Palast zurückbegeben hat. Dort musste sich nach einer weiteren Tradition während ihres Aufenthalts im Parlament ein Mitglied des Unterhauses als "Geisel" befinden - um die gesunde Rückkehr der Königin zu garantieren. (APA)