Die Diskussion um Straches Jugendfotos offenbart das derzeitige fundamentale Dilemma sozialdemokratischer Machtpolitik.

Ein Wahlsieg, der, streng genommen, nur ein geringerer Wahlverlust gegenüber der ÖVP war, hat gezeigt, dass sich das grundsätzliche Meinungsklima in Österreich keineswegs verändert hat.

Im Gegenteil: Schüssel und sein Team haben in den Verhandlungen alle symbolträchtig aufgeladenen Wahlversprechen der Sozialisten aufgeweicht oder wegverhandelt, sodass sich eigentlich nur noch die Frage stellt, weshalb diesem Regierungsprogramm überhaupt ein sozialistischer Kanzler vorstehen soll.

Die Hoffnung vieler auf eine tief gehende Änderung der Regierungspolitik wurde enttäuscht, was blieb, war die - berechtigte - Genugtuung, dass der rechte Rand unseres Parteienspektrums um seine Kuschelecke in der Regierung gebracht wurde.

Das frustüberbrückende Motto lautete aus SPÖ-Sicht folgerichtig: Koalitionsverhandlungen verloren, aber für Österreichs Ansehen in der Welt ein Stück Anständigkeit zurückgewonnen. Ein Preis, mit dem viele sozialdemokratische Sympathisanten zu Recht einverstanden waren.

Vor diesem Hintergrund ist es ein politischer Kardinalfehler des Bundeskanzlers, Straches Jugendfotos und seine kabaretthaften Erklärungen dazu mit einem "Ich will ihm keinen Strick daraus drehen" zu kommentieren.

Chance verpasst Nicht nur, weil in Zeiten wie diesen Wortbilder mit Strick an Vorkommnisse im Irak erinnern und die Person des Bundeskanzlers grundsätzlich für gnadenhafte persönliche Beurteilungen politischer Umstände ungeeignet ist, sondern weil hier leichtfertig die Möglichkeit vertan wurde, den Repräsentanten einer von den dunklen Seite unserer Geschichte immer wieder eingeholten Partei zu zwingen, endlich einmal mit eindeutigen Worten darzulegen, wie die FPÖ und ihre Vertreter heute zu den Ewiggestrigen stehen.

Diese Forderung hat nichts mit irgendeinem messianischen Bekehrungsbedürfnis zu tun - ein solcher Schritt ist vielmehr Voraussetzung, um das politische Österreich endlich einmal frei zu machen von einer inakzeptablen Sicht unserer Vergangenheit, die historische Schuld wegleugnet, wegsteckt und wegharmonisiert, was dazu führt, dass die Zukunft unseres Landes immer wieder von den Schatten der Vergangenheit verdunkelt wird.

Die erste Reaktion des Bundeskanzlers, unterstützt von einer eigenartigen Gleichsetzung der juvenilen Strache- Aktivitäten mit jenen des früheren deutschen Außenministers Joschka Fischer durch Klubobmann Josef Cap, wurde daher von der FPÖ richtigerweise falsch verstanden. Die groß angekündigte "Grundsatzerklärung" Straches mit dem "Stürmer"-Medienvergleich war nur die logische Folge.

Der Versuch der SPÖ, machtpolitisch mehr Spielraum zu gewinnen - in Richtung einer Mehrheitsalternative zur großen Koalition unter Einbeziehung der FPÖ -, zeitigt just den gegenteiligen Effekt. Ergebnis: Politische Selbst-Desavouierung des Kanzlers durch scheinbare Kumpanei mit H.-C. Strache und neuerlicher Frust bei sozialdemokratischen Sympathisanten, denen man die letzte Begründung für die Unterstützung dieses Koalitionsergebnisses genommen hat.

Aber vielleicht hat das auch sein Gutes. Koalitionsüberlegungen mit dieser FPÖ sind wieder ein Stück mehr obsolet geworden. Ja selbst die punktuelle Zusammenarbeit zur Bildung parlamentarischer Mehrheiten jenseits der ÖVP bedürfen in Zukunft genauer Begründung.

Immerhin: Straches lächerliche Erklärungsversuche der Fotos - anstelle eines offenen Bekenntnisses "Jawohl, ich war einmal auf der falschen Seite" - zeigen, dass es zumindest einen Ansatz von Schamreflex aufseiten der FPÖ- Führung geben dürfte.

Aber das ist halt der österreichische Weg. Während in Deutschland eine Vergangenheitsdiskussion stattgefunden hat, die intellektuell schneidend und damit schmerzend war, dient in Österreich die Lächerlichkeit als Hilfsmittel zur politischen Standortbestimmung. (DER STANDARD, Printausgabe, 05.02.2007)