Der Tiktok-Filter Bold Glamour sorgte zuletzt für Aufregung
APA/AFP/STAFF

Für

Mickey Manakas

Taucht man in die Tiefen großer Social-Media-Plattformen wie Instagram oder Tiktok ab, kann man ihnen längst nicht mehr entkommen: sogenannten Beauty-Filtern, die das Gesicht von Userinnen und Usern häufig stark verändern – und es im schlimmsten Fall unmöglich machen, die dahinterstehende Person im echten Leben wiederzuerkennen.

Das Erschütternde daran ist: Das Phänomen ist trotz seiner unübersehbaren Gefahren nicht neu. In Wirklichkeit sind es erst die grenzenlosen Möglichkeiten der Selbstinszenierung, die die mittlerweile größten Plattformen beliebt gemacht haben. Selfies, Selfies, Selfies heißt dort die Devise, nur so schafft man es, mit Likes überhäuft zu werden. Für sich gesehen ist das natürlich in Ordnung. Alle sollten die Möglichkeit haben, sich zu präsentieren, wie sie wollen. Zumindest so lange, bis man sich die Tatsache in Erinnerung ruft, dass es sich bei einem großen Teil der insgesamt mehr als zwei Milliarden Instagram- und Tiktok-User um Jugendliche handelt. Diese scharen sich häufig rund um reichweitenstarke Influencerinnen und Influencer, die ein Geschäftsmodell daraus gemacht haben, ihr angeblich perfektes Leben auf den Plattformen zu präsentieren – ohne die Verantwortung für etwaige Folgen zu übernehmen.

Die Realität ist: So kann es nicht weitergehen. Es braucht klare Regeln. Immerhin ist es längst kein Geheimnis mehr, dass sich die massive Verbreitung von Beauty-Filtern auf die psychische Gesundheit von vor allem jungen Menschen auswirken kann. Das lange Warten auf einen Sinneswandel der verantwortlichen Influencerinnen und Influencer ist also vergebens. Stattdessen nehmen diese geflissentlich in Kauf, dass die Filter eine verzerrte Realität schaffen und den Nutzerinnen und Nutzern suggerieren, nicht genug zu sein.

Es ist eine Frechheit, dass sich bisher kaum eine Regierung um all das schert. Es braucht klare Regeln für den Einsatz, und zwar gestern. Vor allem für Influencerinnen und Influencer, die von der Realitätsverzerrung profitieren. Sie sollten dazu verpflichtet werden, die Nutzung von Beauty-Filtern klar zu kennzeichnen. Außerdem sollten möglichst viele Staaten dem Beispiel Großbritanniens folgen und den Einsatz irreführender Filter für Werbekampagnen verbieten. Vielleicht würde dann endlich auch die Fake-Fassade sozialer Medien fallen. Diese droht im aktuellen KI-Hype weiter zu verhärten.

Wider

Alexander Amon

Die Social-Media-Welt ist eine Fake-Welt. Das dort gezeigte Essen sieht immer wunderbar drapiert aus, Wohnungen präsentieren sich wie aus dem Werbekatalog, und Menschen zeigen sich fast ausschließlich geschminkt und mit ihrem schönsten Lächeln. Schon seit Jahren sieht man nicht selten Kinder und Jugendliche minutenlang vor ihrem Handy Schnuten ziehen und das Smartphone immer in einem anderen Winkel zum Gesicht heben. Man will schön sein, für hoffentlich viele Likes und huldigende Kommentare mit ganz vielen Herzchen. Das wird von den Pseudo-Erwachsenen in dieser Welt vorgelebt. Likes als Währung für den nächsten Marketing-Deal, und obendrauf noch ein von Hype-Zucker bestreutes Interview in Zeitung oder TV.

Gegensteuern scheint zu diesem Zeitpunkt fast sinnlos. Als würde man seinen angerotteten Kahn noch vom drohend näher kommenden Eisberg weglenken wollen. Die Probleme sind entgegen anderslautenden Meinungen mannigfaltig. Man müsste nämlich nicht nur den Plattformen wie Tiktok erklären, welche psychischen Schäden diese Filter anrichten, man wäre gezwungen, auch Smartphone-Herstellern wie Samsung ihre voreingestellten Weichzeichner zu verbieten. Und was ist mit Schwarz-Weiß-Filtern? Erfahrungsgemäß sieht man damit meist auch seriöser aus und von weniger Hautunreinheiten geplagt. Ist das schon Fake?

Nach all den Strapazen des Verboteaufstellens würde man irgendwann draufkommen, dass diese Schönheitsideale nicht nur auf Social Media vorgelebt werden, sondern seit Jahrzehnten Treibstoff für die Marketing-Maschinerie sind. Auf Plakaten, in Hollywood und in Werbespots zählt immer noch die Währung Schönheit. Schönheit, die angehimmelt und geklickt wird. Neue Trends machen davor nicht halt. Als letzter Schrei wurde das Netz vor wenigen Wochen mit KI-Bildern geflutet. Männer in heroischen Posen, Frauen mit knappen Outfits und vollen Lippen.

KI gibt auch nur wieder, was wir ihr zuvor als Informationen vor die Nase gehalten haben. Das Ergebnis: ernüchternd. Die einzige Abhilfe scheint umfangreiche Aufklärung zu sein und eine sich wiederholende Bloßstellung dieser Fake-Welt. Zum Schutze unser aller psychischer Gesundheit. (16.5.2023)