Im Gastblog betrachten der Geologe und Bibliothekar Thomas Hofmann und der Archivar Martin Krenn die Karriere des Geologen Franz X. Schaffer am Museum und in der NS-Zeit.

"Ich wurde am 12. April 1876 in Mähr. Schönberg geboren, absolvierte das Gymnasium in Villach und Wien und hörte durch acht Semester an der Universität Wien hauptsächlich geologische Vorlesungen und wurde im Jahre 1899 zum Doktor der Philosophie promoviert", beginnt Franz X. Schaffer seinen Lebenslauf. 60 Jahre später ging er als Weitgereister am Naturhistorischen Museum in Pension. 1941 trat der umtriebige Forscher der NSDAP bei. 1943, zehn Jahre vor seinem Tod am 12. April 1953, gab er mit Co-Autoren eine "Geologie der Ostmark" heraus.

Zurück zu seinen Anfängen. Seit 1900 war er am Naturhistorischen Museum, damals noch k. k. naturhistorisches Hofmuseum, beschäftigt. Beindruckend war schon damals die Liste seiner Reiseziele. Noch als Studiosus hatte er für "wissenschaftliche Zwecke" Piemont, Ligurien, Sizilien, Lyon, Paris, Schweiz, Norddeutschland und Russland besucht. Dazu kamen Kleinasien und Nordsyrien, die europäische Türkei, Algier und Tunis. Schaffer wollte Länderübergreifend die Ablagerungen der Tertiärzeit, sprich die letzten 66 Millionen Jahre der Erdgeschichte, korrelieren. Sein Dissertationsthema beim Doyen der österreichischen Erdwissenschaften, Eduard Suess (1831 bis 1914), lautete: "Beiträge zur Parallelisierung der Miocänbildungen des piemontesischen Tertiärs mit denen des Wiener Beckens".

Ölbild von Franz Xaver Schaffer
Das Ölbild, das Franz Xaver Schaffer als kosmopolitischen Forscher zeigt, malte Alfred Offner (1879 bis 1947).
Foto: NHMW/Schumacher

Reisender, Netzwerker und Vortragender

Fernab der Heimat fand Schaffer im türkischen Taurusgebirge zwei bisher unbekannte Bergspitzen. Er wusste gleich, wie sie zu nennen waren. Zum einen verewigte er seinen Lehrer Suess, zum anderen Nikolaus Dumba (1830 bis 1900), den Präsidenten der Gesellschaft zur Förderung der Naturhistorischen Erforschung des Orients in Wien, in deren Auftrag er unterwegs war. Bereits als Student hatte Schaffer 1898 eine neue Muschelart, Pholadomya fuchsi, nach Theodor Fuchs (1842 bis 1925), dem Altmeister der Paläontologie am Museum, benannt und sich so am Haus am Ring erste Sympathien gesichert.

Naturhistorisches Museum Wien, alte Zeichnung
Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs wurde das k. k. naturhistorische Hofmuseum zum Staatsmuseum.
Foto: Sammlung Hofmann

Schaffer war jedoch nicht nur ein weit- und vielgereister Forscher, sondern auch ein exzellenter Netzwerker, dem es zudem gelang, seine Forschungen einem breiten Publikum näher zu bringen und sich auch in der NS-Zeit den Rahmenbedingungen anzupassen, indem er in der Monographie "Geologie der Ostmark" die Vorkommen von Rohstoffen aussparte.

Eine neue Geologie von Wien

Wien und dessen weitere Umgebung, namentlich das Wiener Becken, bildeten sein wichtigstes Forschungsgebiet. Ein früher Fokus waren die eiszeitlichen Terrassen der Stadt. Die höchste benannte er Laaerbergterrasse. Die niedrigste wäre die Praterterrasse. Beim neunten Internationalen Geologenkongress, der 1903 in Wien tagte, führten er und Theodor Fuchs Gruppen internationaler Fachkollegen in Wiener Ziegelgruben, sowie nach Atzgersdorf, Baden und Vöslau. Es folgte eine dreibändige Geologie von Wien (1904 bis 1906) samt geologischer Karte im Maßstab 1:25.000. Damit hatte er seinen Lehrer Eduard Suess, der 1862 ein schmales Büchlein über die Geologie Wiens vorgelegt hatte, eindrucksvoll übertroffen. Es folgte Publikation um Publikation. Im Herbst 1906 verfasste Schaffer das Vorwort zu einem Exkursionsführer für Wien und Umgebung, der dann 1907 erschien. Neu war das handliche Format (10 x 15 cm) des Berliner Bornträger Verlages, bestens geeignet für die Westentasche. Es folgten 1908 und 1913 weitere Bändchen für die weitere Umgebung von Wien, beziehungsweise dem Wiener Becken. Dem Laien gab er ein Vademecum, den Geologischen Anschauungsunterricht (1912) mit. Er wusste geologische Phänomene in verständlicher Sprache zu erklären: "Die Schichten sind hier also umgebogen, gefaltet, wir heißen eine solche Umbiegung eine Falte. Die beiden gegeneinander geneigten Schichtpakete werden die Schenkel, die Umbiegungsstelle der Scheitel genannt."

Mehrere Führer durch Wien von Schaffer liegen aufgeblättert auf einem Tisch
Mit seinen populären Führern durch das Wiener Becken im Taschenbuchformat sprach Schaffer eine breite Leserschaft an.
Foto: GeoSphere Austria

 Karriere trotz Kritik vom Vorgesetzten

Doch Ernst Kittl (1854 bis 1913), der seit Ende 1904 sein Vorgesetzter am Museum war, schien das alles zu wenig. Oder war er eifersüchtig, dass der "Assistent Dr. F. Schaffer" mit der dreibändigen Geologie von Wien ihn als Chef quasi rechts überholt hatte? Jedenfalls beschwerte sich Kittl am 16. Jänner 1907 beim damals 73-jährigen Generalintendanten Franz Steindachner, dass "er [Schaffer] sich geweigert [hat], mir [Kittl] eine Kontrolle seiner wissenschaftlichen Arbeiten zuzugestehen". Kittl fuhr fort: "Er hat es auch so einzurichten gewusst, dass ich keinerlei Kenntnis über seine übrigens nicht intensive Tätigkeit dieser Art erlangte." Ob es Konsequenzen gab, ist nicht überliefert. Fakt ist, dass Schaffer nach Kittls Tod am 1. Mai 1913 mit der Leitung der "Geologischen Abtheilung" betraut wurde und seine Karriere steil bergan ging. 1909 konnte das Habilitationsverfahren an der Universität Wien erfolgreich abgeschlossen werden. 1910 erschien sein wissenschaftliches Opus Magnum, eine zweiteilige Monografie über "Das Miozän von Eggenburg", die heute noch Gültigkeit hat. Ein Band hat fossile Meeresmuscheln (Bivalven) zum Inhalt, der andere Schnecken (Gastropoden).

Abbildung von Muscheln.
Vielfalt fossiler Napfschnecken aus der "Eggenburg"-Monografie, dem wissenschaftlichen Hauptwerk Schaffers von 1910.
Foto: GeoSphere Austria

Von 1914 bis zum Sommersemester 1933 hielt er an der Universtität Wien Vorlesungen über "Geologie der Sedimente" und "Historische Geologie". 1916 verlieh ihm Kaiser Franz Joseph den Titel eines a.o. Universitäts-Professors. 1923 und 1924 war er "Vorsitzender oder erster Direktor" des Museums und hatte dessen Gesamtleitung zu verantworten. 1936 ging er formal in Pension, arbeitete aber weiter.

Schaffers (Welt)reisen

Die Jahre zwischen den Weltkriegen gehörten zu Schaffers produktivsten. Er verstand es wie kaum ein anderer, die Aufmerksamkeit der Bevölkerung auf das Museum zu richten, das nach dem Zerfall der Monarchie als "Staatsmuseum" mit allerlei Nöten zu kämpfen hatte.

Anregungen für das Museum holte sich Schaffer bei seinen zahlreichen ausgedehnten Reisen, die oft mehrere Monate dauerten und ihn rund um die Welt, im wahrsten Sinn des Wortes, führten. Die erste Weltreise dauerte von März bis Dezember 1925, die zweite von Juni bis Dezember 1927, bei beiden hielt er sich längere Zeit in den USA auf. Auch 1929 und 1937 weilte er in den Vereinigten Staaten und hielt in Berkeley, Los Angeles und Claremont Vorlesungen. Über seine Reise von 1929 lieferte er am 9. November 1929 einen zehnseitigen Bericht an das Unterrichtsministerium ab, der heute im Staatsarchiv verwahrt wird. Schaffer besuchte etwa das Peabody Museum in New Haven (Connecticut): "In dem Treppenhaus ist wie auch in anderen naturwissenschaftlichen Museen der Foucault'sche Pendelversuch in Tätigkeit. An einem langen Fadenpendel wird die Drehung der Erde um ihre Achse sehr augenfällig vorgeführt."

In New York führte ihn sein Weg in das Museum of Natural History. Er war fasziniert vom hohen Stellenwert der "Volksbelehrung": "Ein eigener Stab von wissenschaftlichen und Hilfskräften ist dafür bestimmt die volksbildnerischen Kurse und Ausstellungen bis herab zum Kindergartenanschauungsunterrichte durchzuführen." Museumspädagogik würde man heute sagen. Seine Begeisterung für Dioramen ist nicht zu übersehen: "Daneben sind zahlreiche Dioramen in einer Weise aufgestellt, die weit über das hinausgeht, was man in Europa für gewöhnlich zu sehen bekommt. Und diese haben die grösste Anziehungskraft für das Publikum, da sie einen Tiergarten weitgehend ersetzen." Abschließend resümierte er: "Museen von der Weltstellung wie unseres können nicht genug internationale Beziehungen haben, wobei die persönliche Bekanntschaft mit den auswärtigen Fachgenossen von ausschlaggebender Bedeutung ist." Theodor Fuchs, selbst ein reisender Netzwerker, streute er Rosen. Sein einstiger Chef kam weniger gut davon: "Unter seinem [Theodor Fuchs] Amtsnachfolger, Ernst Kittl, giengen [sic] alle diese Verbindungen verloren, ja die Abteilung wurde durch dessen Engherzigkeit gegen alle Fachleute verrufen und isoliert." 

Wirken in Wien

Das, was Schaffer in den USA gesehen hatte, ließ im alten Europa nicht lange auf sich warten. Bereits im März 1930 konnte das "Neue Wiener Journal" (16. März 1930) titeln: "Sensation der Wissenschaft. Die sichtbare Erddrehung. – Der große Pendelversuch in Wien".

Zeitungsausschnitt, Bild von einem Foucault'schen Pedel im Naturhistorischen Museum
Das Foucault'sche Pedel in der Kuppelhalle des Naturhistorischen Museums sorgte im März 1930 für Schlagzeilen.
Foto: ANNO

Zu Beginn des Jahres 1932 sorgt Schaffers Dolomitenrelief (heute Saal acht des Museums) erneut für Schlagzeilen. "Die Dolomiten im Schaukasten. Wichtige Neuaufstellung im Naturhistorischen Museum. – Das größte alpine Relief der Welt. – Das Antlitz der Erdrinde." ("Reichspost", 19. Januar 1932). Ein Satz genügt, um seine damalige Position und Stellung in der Öffentlichkeit zu beleuchten: "Dem Leiter der geologischen Abteilung, Univ.-Prof. Dr. Franz Xaver Schaffer, der als Geologe Weltruf genießt und in den Vereinigten Staaten und den Südseedominions Englands geradezu als Repräsentant der österreichischen Erdforschung gilt, ist es gelungen, mit finanzieller Unterstützung des Vereines der Freunde des Naturhistorischen Museums eine neuartige Reliefdarstellung eines Alpengebietes zu erwerben, die als bahnbrechend angesehen werden muss und allmählich auch in allen anderen geologischen Lehranstalten und Museen der Welt ihren Einzug halten dürfte."

Bunte Darstellung des Dolomitenreliefs in einer Vitrine
Die bunten Farben des Dolomitenreliefs in Saal VIII des Museums korrelieren mit den geologischen Gesteinsformationen der Trias (Erdmittelalter).
Foto: NHMW/Schumacher

Wissenschaftskommunikator versus Verirrungen

Schaffers Reiseerlebnisse boten Stoff für zahlreiche Artikel, Radiosendungen und gut besuchte Lichtbildervorträge. Wo auch immer er war, dem Geologen war kein Thema fremd, an der Authentizität gab es keine Zweifel: "Reizvoll sind die Tänze der Mädchen von Rorotonga, unter denen es viel ausgesprochene Schönheiten im europäischen Sinne gibt. […] Da ist der Poipoi, ein Gruppentanz, bei dem die Mädchen in drei bis vier Reihen hintereinander stehen, und der Kanutanz. Sie kennen aber auch die modernen europäischen Tänze und ich habe mit ihnen vorzüglich Shimmy getanzt." ("Neues Wiener Journal", 22. Dezember 1927).

Zeitungsausschnitt von einem Bericht Schaffers über seine Reise nach Neuseeland
Schaffer wusste geschickt die Medien, wie etwa das Radio, für die Wissenschaftsvermittlung einzusetzen.
Foto: ANNO

Der umtriebige Tausendsassa hatte auch Schwachstellen, in Sachen Erdölvorkommen hatte er sich verstiegen. Seine Ansicht, dass man im Wiener Becken kein Erdöl finden werde, focht er in den späten 1920ern publikumswirksam in den Medien aus; doch es kam anders. 1932 gab es mit der Bohrung Gösting 1 im Wiener Becken den ersten nutzbaren Ölfund Österreichs. 1949 wurde das Feld Matzen als größtes geschlossenes Ölfeld Mitteleuropas erschlossen.

Schaffer und die NS-Zeit

Schaffers aktive Ära ging am Museum mit seiner Pensionierung 1936 zu Ende. Fünf Jahre später trat er der NSDAP bei. Interessant ist, dass in seiner 1943 von ihm herausgegebenen "Geologie der Ostmark", die von einem Autorenkollektiv verfasst wurde, dessen Beiträge großteils bereits Mitte 1938 vorlagen, Rohstoffe kein Thema sind. Bei der Beschreibung des Wiener Beckens, dessen reichen Erdölvorkommen für die Kriegsführung wichtig waren, wird Erdöl ausgeklammert. Man liest nur über das Alter von Gesteinsschichten, die einzelne Bohrungen antrafen und über geologische Strukturen. Kriegswichtige Rohstoffe und Erdölvorkommen werden auf den 599 Seiten verschwiegen beziehungsweise finden nur durch Hinweise auf ältere Literatur ansatzweise Erwähnung.

Seit den 1990er-Jahren widmet sich das Naturhistorische Museum (NHMW) in Zusammenarbeit mit der österreichischen Kommission für Provenienzforschung der Erforschung problematischer Erwerbungen während der NS-Zeit. In diesem Zusammenhang wurden Restituierungen an die rechtmäßigen Eigentümer beziehungsweise deren Nachfahren durchgeführt. (Thomas Hofmann, Martin Krenn, 25.5.2023)