In diesem Jahr feiern drei bekannte Vertreter des Genres ein Comeback. Jeder hat eine ganz eigene Zielgruppe
Warner Bros, Capcom, Bandai Namco

Als ich das erste Mal "Street Fighter 2" auf dem Super Nintendo bei einem Schulfreund spielen konnte, war es um mich geschehen. Ich musste auch diese Konsole haben und wenn es sein muss, nur mit diesem einen Spiel. Aus acht Kämpfern konnte man damals wählen, eine davon war sogar eine Frau, die unglaublich schnell Tritte verteilen konnte. 

Stunden-, nein Monatelang spielten wir mit unseren Lieblingsfiguren unzählige Duelle und wollten einfach nie aufhören, obwohl die spielerischen Möglichkeiten damals weit geringer als in gegenwärtigen Vertretern des Genres waren. Dieser sportliche Wettkampf war faszinierend, vor allem weil ich in meinem damaligen Karatetraining nicht auf Feuerbälle und stählerne Muskeln zurückgreifen konnte, wie meine kleinen Pixel-Freunde. 

Nach der Ankündigung von "Mortal Kombat 1" am Freitag und dem bereits zweiten Beta-Wochenende, bei dem ich in "Street Fighter 6" reinschauen durfte, bin ich wieder ein wenig der Jugendliche, der ich 1993 war. Ich freue mich, dass das Genre der Prügelspiele - oder im Fachjargon genannt "Fighting Games" - 2023 ihr großes Comeback feiern. All diese Ankündigungen nehme ich gerne zum Anlass, um ein wenig über das beste Videospiel-Genre der Welt zu erzählen.

Yie Ar Kung-Fu war der erste Vertreter des Genres.
Wikipedia/Konami

Zwei gehen rein, einer geht raus

Das Ziel dieser Prügelspiele ist schnell erklärt. In der Regel stehen sich zwei Kämpfer unterschiedlicher Prägung gegenüber und dreschen dann mit Feuerbällen, Tritten und anderen Manövern so lange aufeinander ein, bis einer am Boden liegen bleibt. Durch dieses simple Spielkonzept und der bekannten Situation - etwa aus dem Boxen oder dem mir eher befremdlichen MMA - kann diese Fighting Games eigentlich jeder spielen, der ein Joypad oder noch besser, einen Fighting Stick halten kann. 

Bevor wir uns aber über die eigentliche Faszination reden, soll kurz über die Ursprünge geplaudert werden. Keine Angst, hier kommt kein geschichtlicher Abriss, nur die Erwähnung einiger Meilensteine, um ein bisserl ins Thema zu rutschen. Angefangen hat alles mit "Karate Champ" im Jahr 1984. Zunächst nur gegen den Computer spielbar, wurde noch im selben Jahr ein Zweispieler-Modus eingefügt und ein Genre war geboren. Mit verschiedenen Tritten und Schlägen ging es darum, den Gegner in die Schranken zu weisen. Wie beim Schach hatte jeder dieselben Voraussetzungen - es ging darum, wer die vorhandenen Möglichkeiten besser nutzte.

Vor allem in der Spielhalle konnte sich diese Art von Spielen schnell etablieren, aber auch auf den immer populärer werdenden Konsolen. "Yie Ar Kung-Fu", "International Karate" oder eben "Street Fighter". Nach unzähligen 2D-Vertretern boomten Anfang und Mitte der 1990er Jahre auch die 3D-Interpretationen, die durch seitliche Ausweichmanöver und zum Teil butterweiche Animationen eine ganz neue Ära einläuteten. Spiele wie "Virtua Fighter", "Tekken" oder "Dead or Alive" sprachen durch die neue Technik zudem ganz neue Zielgruppen an. Der Markt war mittlerweile von Prügelspielen überschwemmt, aber tatsächlich konnten sich nur wenige davon eine Fanbasis aufbauen, die Jahrzehnte überdauern sollte.

Eine davon war "Mortal Kombat", die auch in Film- und Fernsehen transportiert wurde. Für Aufsehen sorgte die Marke vor allem durch ihre überzogene Brutalität, die natürlich vor allem Jugendliche anzog, die erstmals digitales Blut über den Bildschirm spritzen sahen. Aber auch spielerisch und technisch war die Serie immer spannend und entwickelte sich mit immer mehr Modi zu einem umfangreichen Paket.

Sogar Nintendo feierte mit ihrem ganz individuellen Vertreter "Super Smash Bros Ultimate" dafür im kinderfreundlichen Lager Erfolge und führte die Serie bis 2018 fort. Eine lange Historie haben auch "King of Fighters", "Street Fighter" oder "Virtua Fighter". Das Spannende daran war und ist, dass jede Serie ihren ganz eigenen Stil hatte und man als Könner in einem Spiel, nicht automatisch der König im anderen war.

Mittlerweile finden sich in allen großen Genre-Vertretern Trainings-Modi, wie hier in "Mortal Kombat".
Warner Bros.

Immer mitten in die Fresse rein

Einsteigern sei deshalb verraten, dass man in Fighting-Games viele Stunden des Trainings absolvieren muss. Es ist wie das Erlernen einer Kampfsportart - nur, dass man sich nicht von der Couch erheben muss. Mittlerweile verfügen die Spiele über mindestens ein Dutzend Kämpferinnen, die über ein völlig unterschiedliches Kampfrepertoire verfügen. Da muss man zwei Sekunden in eine Richtung halten, um dann begleitet von einem Tastendruck in die Gegenrichtung zu lenken. Da müssen Viertel- oder Halbkreise vollführt oder einfach ellenlange Tastenkombinationen erlernt werden, um mit den sogenannten "Kombos" den Gegner in Schach zu halten.

Das klingt wahnsinnig kompliziert und das ist es auch. Aber keine Angst, wer einfach ein wenig auf die Tasten hauen will, der kann immer noch zu "Tekken" greifen, während die Hartgesottenen in die eher steife Welt von "Mortal Kombat" abtauchen. Letzteres hat jedoch den Vorteil, dass Solisten meist mit einer gleichzeitig bombastischen wie hanebüchenen Story versorgt werden, die abseits von direkten Duellen unterhalten kann. Einen starken Magen sollte man ebenfalls bei "MK" mitnehmen, da überzogene Gewalt integraler Bestandteil der Marke ist. 

Irgendwo dazwischen liegt der gar nicht so heimliche König: "Street Fighter". Von einem bildschirmfüllenden, russischen Wrestler, über einen mit dehnbaren Gliedmaßen ausgestatteten Inder bis hin zum brasilianischen Elektro-Affen ist alles vorhanden. Jaja, ich weiß, Blanka ist kein Affe, aber lasst mir doch den Spaß.

Auch das weibliche Geschlecht hat sich langsam aber sicher sehr dominant in das Genre hineingekämpft. Figuren wie Chun Li, Kitana, Nina Williams oder Mai Shiranui sind zu beliebten Alternativen ihrer männlichen Gegenparts geworden. Mittlerweile nehmen sie fast 50 Prozent des Kämpferfeldes bei vielen Fighting Games ein und auch nicht den klassischen Geschlechtern entsprechende Figuren haben eine kleine aber feine Tradition im Genre.  

Allen voran natürlich Poison, die Trans-Figur in "Street Fighter", die davor in "Final Fight" als Gegenspieler eingesetzt wurde. Auch schwule und lesbische Figuren wurden immer wieder präsentiert, selbst wenn die persönlichen Hintergründe der Charaktere selten im Mittelpunkt des Genres standen.

Chun Li war die erste Frau in einem Fighting Game. Beliebt ist sie bis heute. #StreetFighter
Capcom

Auftragen, polieren

Im Gegensatz zu den 1990er Jahren, wo man Move-Listen von ausgedruckten Zetteln ablesen musste, verfügen all diese Games mittlerweile über ausgeklügelte Trainings-Optionen. Hier kann man sich als Anfänger versuchen, Moves ausprobieren und gegen eine besonders schwache KI erste Erfolge einsammeln. In "Street Fighter 6" darf man sogar einen eigenen Charakter erstellen und erstmals eine Art Story-Modus durchwandern, bei dem man eben diese Figure zu einem immer stärker werdenden Meisterkämpfer ausbildet. 

In jedem Fall ist es ratsam, die einzelnen Figuren auszuprobieren, um den für den eigenen Spielstil passenden zu finden. Es gibt schnelle Kämpferinnen, die dafür weniger stark austeilen und eher träge Figuren, die langsam, dafür aber verheerend im Austeilen sind. Wer sich wirklich hineintigert, der wird unendlich viele Möglichkeiten finden, sich zu verbessern. Im Idealfall hat man dann noch Freunde mit ähnlichen Zeitkontingenten, denn gegen das Internet ist in diesem Spielen kein Blumentopf zu gewinnen.

Zwei gute Duellanten können sich einen wahren Tanz in einem Prügelspiel liefern.
Capcom

Für jeden was dabei

Wer sich auf das Abenteuer Fighting Games einlässt, wird viel Spaß damit haben. Ich selbst bin mit "Street Fighter", "Samurai Shodown" und "Mortal Kombat" groß geworden und habe diese diversen Mario- oder Zelda-Spielen vorgezogen. Moves immer intuitiver zu nutzen, knappe Duelle für sich zu entscheiden - das hatte schon immer einen gewissen Kick, speziell mit Freunden oder in italienischen Spielhallen.

Heute fehlt mir für ellenlange Trainings-Sessions leider die Zeit, wie ich in einer kürzlich verfassten Kolumne bereits kundgetan habe, aber bei dem unglaublich inszenierten "Street Fighter 6" juckt es wieder in meinen kampferprobten Fingern und auch der Trailer zu "Mortal Kombat 1" hat diverse Vorfreudegefühle bei mir ausgelöst. 

Im Gegensatz zu den beliebten Open-World- oder auch umfangreichen Rollenspielen, kann man bei Fighting Games auch einfach nur ein paar Runden absolvieren und dann wieder abdrehen. Eine gewisse Regelmäßigkeit vorausgesetzt, merkt man dann schnell Fortschritte im eigenen Können, was auch längerfristig motiviert. Hinzu kommen kreativ inszenierte Charaktere, die in ihrer ganzen Buntheit strahlen können.

Auch wenn Couch-Koop dank Internet zum Aussterben verdammt ist, bei Fighting-Games kann man sich dieses Gefühl sogar online wieder kurz zurückholen. Wem ich also das Genre ein wenig schmackhaft machen konnte, der kann sich ja ein paar Videos zu den genannten Spielen anschauen und künftig vielleicht gemeinsam mit der ambitionierten Community das beste Genre der Welt mitfeiern. Wir freuen uns. (Alexander Amon, 20.5.2023)