Von einem erquickenden Geldbad und davon, sich die Taler auf den Kopf prasseln lassen zu können, träumen nicht nur Enten und politische Aktivistinnen, auch in der Justiz ist man von dieser Vorstellung offenbar angetan.
imago images / argum

Wien – Alexandra Skrdla, die Vorsitzende des Schöffengerichts, gewährt im Verfahren gegen Herrn B. intime Einblicke in ihre Fantasien.  "Ich hätte auch gerne einen Geldspeicher wie Dagobert Duck, aber deshalb kann ich auch nicht einfach Leute ausrauben", erklärt sie dem mittlerweile 16-jährigen Angeklagten. Staatsanwältin Sonja Herbst wirft dem unbescholtenen Schüler vor, zwischen 13. und 17. Februar im Westen Wiens einen Kellereinbruch und drei bewaffnete Raubüberfälle auf Trafiken begangen zu haben. Bisher hat der seit März in Untersuchungshaft sitzende Teenager von seinem Recht auf Aussageverweigerung Gebrauch gemacht, nun kündigt seine Verteidigerin Anita Schattner ein Geständnis an.

Der seit sechs Jahren mit seiner Mutter und seinen Geschwistern in Wien lebende Bulgare gibt also zu, die angeklagten Delikte begangen zu haben. Die in seiner Wohnung gefundene Beute des Kellereinbruchs mutet skurril an: unter anderem Schwimmflossen, ein Federballset und eine Spritzpistole. "Warum haben Sie die Dinge genommen?", will Vorsitzende Skrdla vom Angeklagten wissen. "Weil ich es gefunden habe." – "Nur weil Sie etwas finden, gehört es ja nicht Ihnen. Vor allem nicht, wenn es in einem fremden Kellerabteil ist", gibt die Vorsitzende zu bedenken. "Ja. Ich war auf Rausch, hab was genommen", begründet der Angeklagte, der zu den Tatzeitpunkten noch 15 gewesen ist.

"Ich hab halt mehr gebraucht"

Was vielleicht noch als pubertäre Dummheit durchgehen könnte, änderte sich bereits am nächsten Tag. Mit einem Messer bewaffnet stürmte er in eine Tabakverschleißstelle, schrie: "Geld her! Geld her!", und flüchtete mit dem von den verängstigten Mitarbeiterinnen übergebenen Bargeld. Den simplen Tatplan wiederholte er am 15. und 17. Februar. "Warum?", fragt Skrdla neuerlich nach einem Motiv. "Weil ich das Geld gebraucht habe." – "Sie bekommen doch eh 100 bis 150 Euro Taschengeld, haben Sie vorher gesagt", wirft die Vorsitzende ein. "Ich hab halt mehr gebraucht", antwortet B. lapidar.

So leicht lässt Skrdla ihn aber nicht vom Haken. "Sie haben an diesen beiden Tagen über 2.500 Euro erbeutet. Die können Sie ja gar nicht so schnell ausgegeben haben. Warum machen Sie also am 17. den nächsten Überfall?" – "Ich wollte viel Geld bekommen", verrät der 16-Jährige und bringt die Vorsitzende damit dazu, ihre eingangs erwähnten finanziellen Ziele zu verraten. "Wie soll es jetzt mit Ihnen weitergehen?", will Skrdla noch wissen. "Ich hatte hier jetzt Zeit, mir Gedanken über meine Pläne zu machen. Ich will jetzt die Schule abschließen, das ist nur mehr ein Monat, und dann eine Lehre machen." 

"Ich hab getrunken, genommen, gezogen"

Anklägerin Herbst möchte auch noch etwas wissen: "Woher hatten Sie das Messer?", fragt sie den Teenager. "Es war ein Buttermesser", weicht der aus. "Wo Sie es herhatten." – "Ich weiß es nicht." – "Das wird ja nicht vom Himmel gefallen sein!" – "Ich weiß es nicht. Ich war damals oft unter Drogen." – "Welche?" – "Ich habe getrunken, genommen, gezogen", zählt der 16-Jährige auf. Vorsitzende Skrdla hat noch einen Einwand und zeigt B. ein Bild der Tatwaffe – die eindeutig ein Steak- und kein Buttermesser ist.

Einen Hinweis, warum der Bursch, der bei seiner Festnahme auch über 40 Gramm Cannabis bei sich hatte, massiv Rauschmittel konsumierte, könnten die Jugenderhebungen bieten. Sowohl sein Vater als auch sein Stiefvater waren gewalttätig, eine Zeitlang war der Bub fremduntergebracht, seit 2019 unterstützt das Jugendamt die Familie. Der mittlerweile alleinerziehenden Mutter fiel selbst auf, dass mit ihrem Sohn "irgendetwas nicht stimmt", eine neunmonatige Psychotherapie brach der Jugendliche dann aber ab, da er keinen Sinn darin erkennen konnte. Der Schulbesuch habe zuletzt nur noch "mäßig gut funktioniert", wurde im Bericht auch noch festgehalten.

Anklägerin erkennt "wenig Schuldeinsicht"

In den Schlussplädoyers prangert die Staatsanwältin an, dass sie "wenig Schuldeinsicht" bei B. erkennen könne, er lasse das Prozedere einfach über sich ergehen. Verteidigerin Schattner kontert dagegen, dass ihr Mandant offensichtlich massive Probleme habe, die sich durch einfaches Wegsperren auch nicht auflösen würden. Sie bittet daher um ein mildes Urteil.

Das sie vom Senat nicht unbedingt bekommt. Bei einer Strafdrohung von bis zu siebeneinhalb Jahren Haft wird der Angeklagte zu 21 Monaten Haft verurteilt, sieben Monate davon sind unbedingt, nur zwei sind bereits durch die Untersuchungshaft verbüßt. "Aber bei drei schweren Rauben in vier Tagen geht man auch als Unbescholtener nicht nach zwei Monaten Untersuchungshaft nach Hause. Dafür ist der Unrechtsgehalt und die Schuld zu groß", begründet die Vorsitzende die Entscheidung. B. und die Staatsanwältin akzeptieren sie, das Urteil ist daher rechtskräftig. "Ich hoffe, das war's, und wir sehen Sie hier nicht wieder", verabschiedet Skrdla am Ende den 16-Jährigen. (Michael Möseneder, 23.5.2023)