Eine Ex-Ministerin vor Gericht: Das sorgt selbst in Österreich noch für viel Aufmerksamkeit. Demzufolge stieß der Prozess gegen Sophie Karmasin, von 2013 bis 2017 Familienministerin für die ÖVP, auf großes Interesse. Am Dienstag dürfte das Verfahren nach nur vier Verhandlungstagen aber wieder enden: Für den Nachmittag wird ein Urteil erwartet.

Für Karmasin ist es damit jedoch nicht vorbei, im Gegenteil. Denn die jetzige Anklage ist nur ein vergleichsweise geringer Teil der juristischen Probleme, die Karmasin seit Herbst 2021 hat. Damals kam es ja zu spektakulären Hausdurchsuchungen unter anderem im Bundeskanzleramt, bei der Mediengruppe Österreich und bei Karmasin selbst.

Deal mit "Österreich"

Der Vorwurf lautet, dass das Finanzministerium ab 2016 einen Deal mit der Mediengruppe Österreich abgeschlossen habe. Für Inserate soll im Gegenzug ein redaktionelles Mitspracherecht ermöglicht worden sein; tonangebend sei auf Regierungsseite der damalige Generalsekretär im Finanzministerium, Thomas Schmid, gewesen.

Sabine Beinschab hat Sophie Karmasin vor Gericht schwer belastet.
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Der habe eng mit der Meinungsforscherin Sabine Beinschab zusammengearbeitet, die wiederum auch für "Österreich" tätig war. Beinschab erstellte für das Finanzministerium Studien, die aber auch der ÖVP parteipolitisch nützlich gewesen seien. Das habe sie dann per Scheinrechnungen abgerechnet, die Umfragen seien teils in "Österreich" erschienen und dort von Beinschab kommentiert worden. All das habe dazu gedient, Sebastian Kurz (ÖVP) medial zu pushen.

Beinschab wurde kurzzeitig festgenommen und avancierte daraufhin zur Kronzeugin. In ihren Geständnissen belastete sie Karmasin etwa rund um Scheinangebote schwer und brachte der Staatsanwaltschaft auch neue Verdachtsmomente näher. Gleichzeitig recherchierte ORF-Journalist Martin Thür rund um Karmasins Gehaltfortzahlung als Ministerin, deuteten Ermittlungsakten doch an, dass sie verbotenerweise Geld vom Kanzleramt erhielt und schon wieder beruflich tätig war.

Diese zwei Sachverhalte wurden nun zur Anklage gebracht: einerseits "Betrug" rund um die Gehaltsfortzahlung, andererseits die von Beinschab thematisierten Absprachen rund um Vergaben aus dem Sportministerium. Es handelt sich also um zwei Verfahrensstränge, die sich erst im Lauf der Ermittlungen ergeben haben – Karmasin plädierte auf nicht schuldig.

WKStA ermittelt weiter

Was bleibt, sind die ursprünglichen Verdachtsmomente: So soll Karmasin beim Deal zwischen Finanzministerium und "Österreich" eine zentrale Rolle gespielt haben; nämlich als Vermittlerin. Sie soll Beinschab auch Thomas Schmid vorgestellt und bei den Aufträgen aus dem Finanzministerium zwanzig Prozent Provision verlangt haben. All das konstituiert den Verdacht auf Bestechung, Beihilfe zur Untreue und Geldwäscherei.

Bis es hier zu einer Entscheidung über Anklage oder Einstellung kommt, dürfte noch einige Zeit vergehen – immerhin will die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ermitteln, inwiefern Sebastian Kurz in die Vorgänge involviert war. Da gibt es noch einige Chats auszuwerten und viele Zeuginnen und Zeugen zu befragen. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung. (Fabian Schmid, 23.5.2023)