Initiativen für Betroffene leisten wertvolle Arbeit für chronisch Kranke. Doch woher sie die nötigen Finanzmittel bekommen, ist nicht immer klar.
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Wir alle werden einmal krank, es gehört zum Leben dazu. Viele Menschen leben sogar permanent mit chronischen, oft auch potenziell lebensgefährliche Erkrankungen. Wie viele genau das sind, weiß man nicht, laut Befragung für eine Untersuchung der Statistik Austria berichten vier von zehn Personen, dass sie chronisch krank sind. Die Bandbreite reicht dabei von Kreuzschmerzen und Rückenproblemen über Allergien und Diabetes bis hin zu Krebs, Herzproblemen und Nierenversagen.

Für viele dieser Krankheiten gibt es Selbsthilfegruppen und Organisationen von Betroffenen. Beispiele dafür sind die PH Austria – Initiative Lungenhochdruck, die Österreichische Hämophilie-Gesellschaft (ÖHG), Diabetes-, Aids- oder Hepatitis-Hilfe. Diese Anlaufstellen für Betroffene sind enorm wichtig, immerhin begegnen sie den erkrankten Menschen insofern auf Augenhöhe, als auch ihre Initiatorinnen und Initiatoren im Normalfall von der Krankheit betroffen sind.

Betroffene und auch ihre Angehörigen bekommen nicht nur Informationen, Beratung und Unterstützung von diesen Organisationen. Sie vertreten vielfach auch die Interessen der Patientinnen und Patienten gegenüber Krankenkassen oder arbeiten bei der Erstellung von Leitlinien für die Behandlung der Erkrankung mit. Sie erfüllen also auf mehreren Ebenen enorm wichtige Aufgaben. Durch die zunehmende Professionalisierung dieser Organisationen steigt aber auch ihr Bedarf an finanziellen Mitteln – und der wird oft durch Sponsoring von Pharmaunternehmen gedeckt.

Geldflüsse nicht immer transparent

Doch nicht immer sind diese Geldflüsse klar nachvollziehbar. Um sie transparenter zu gestalten, hat die Pharmaindustrie mit einer Selbstverpflichtung zur Offenlegung reagiert. Seit dem Jahr 2014 beobachtet das Austrian Institute for Health Technology Assessment (AIHTA) diese Geldflüsse und kann so etwaige Interessenkonflikte sichtbar machen. Nun ist der fünfte Bericht des Monitorings erschienen, der die finanziellen Zuwendungen der Pharmabranche an entsprechende Organisationen untersucht hat.

Konkret machten im Jahr 2021 dem AIHTA-Bericht zufolge 90 der 115 Pharmig-Mitgliedsunternehmen Angaben über finanzielle Zuwendungen an 117 Initiativen von und für Patientinnen und Patienten. Darin sind auch 45 sogenannte Nulldeklarationen enthalten, in denen angegeben wurde, dass es zu keinen geldwerten Leistungen an diverse Organisationen und Selbsthilfegruppen gekommen ist. Im Vergleich zu 2019 stieg damit die Offenlegungsquote von 34 auf 78 Prozent.

Auch die Höhe der deklarierten Geldsumme hat sich deutlich erhöht, von knapp 2,3 auf rund 2,7 Millionen Euro, das ist ein Plus von 19 Prozent. Für die AIHTA-Analyse wurden die Websites aller 115 Pharmig-Mitgliedsunternehmen auf Informationen zu finanziellem Sponsoring an Betroffeneninitiativen untersucht. 2021 erhielt European Pulmonary Hypertension Association (PHA Europe) mit knapp 252.000 Euro die höchsten Zuwendungen, zweitplatziert war die Österreichische Hämophilie-Gesellschaft (ÖHG) mit rund 195.000 Euro. An die sieben Krankheitsbereiche Lungenerkrankungen, Hämato-Onkologie, seltene Erkrankungen, Neurologie, Hämophilie, Darmerkrankungen und Aids/HIV gingen jeweils über 100.000 Euro. Sie erhielten zusammen fast 90 Prozent der individuell offengelegten Zuwendungen.

Mangelndes Problembewusstsein

Das sei prinzipiell eine sehr gute Entwicklung und ein Beleg für mehr Transparenz in der Pharmaindustrie, betonen die Autorinnen und Autoren der Studie. Allerdings entsteht dadurch natürlich ein gewisser Bias, eine Verzerrung oder Voreingenommenheit. "Uns ist aufgefallen, dass besonders jene Initiativen hohe Sponsoringbeträge erhalten, in denen es sehr teure Therapien gibt. Die relativ großzügigen Zuwendungen auf dem Gebiet der Hämophilie dürften etwa nicht zuletzt mit der Entwicklung neuer, kostenintensiver Gentherapien in Zusammenhang stehen. Der Preis pro Behandlung beläuft sich auf bis zu zwei Millionen Euro", sagt Claudia Wild, Geschäftsführerin des AIHTA.

Als weiteres Beispiel nennt sie die Initiative Lungenhochdruck, deren Finanzierung seit Jahren diskutiert wird. Wie groß eine potenzielle Beeinflussung dabei genau ist, kann man nicht sagen. Wild vergleicht die Lage mit Ärztekongressen: "Man beißt die Hand nicht, die einen füttert. Das reicht schon als Einflussnahme."

Während die Transparenz der Pharmabranche in diesem Bereich eindeutig gestiegen ist, legten die einzelnen Betroffeneninitiativen ihre erhaltenen Sponsoringbeträge nur selten offen. "Wir gehen nicht davon aus, dass die Organisationen und Selbsthilfegruppen bewusst intransparent sind. Es dürfte hauptsächlich an einem fehlenden Problembewusstsein liegen", sagt Wild. Die Aufklärung sei für Patientinnen und Patienten und ihre Angehörigen aber wichtig, um über mögliche Interessenkonflikte der Initiativen Bescheid zu wissen.

Kein Einfluss bei Entscheidungen

Wild plädiert dafür, dass die Initiativen auch Gelder der öffentlichen Hand erhalten. Das sei derzeit aber in Österreich realistischerweise nicht umsetzbar: "Ich denke schon, dass das Bewusstsein für die Situation bei den Entscheidungsträgern vorhanden ist. Aber die Patienten- und Patientinnenorganisationen sind in Österreich gesetzlich nicht in wichtige Entscheidungsfindungen involviert. Sie können also nichts beeinflussen, deshalb gibt es auch keine fixe Förderung."

Das ist auf europäischer Ebene vielfach anders, die meisten Staaten nehmen die Beteiligung von Erkrankten wesentlich ernster. Entsprechend gibt es auch Regelungen zur Finanzierung: Auf EU-Ebene sind solche Initiativen, die sich überwiegend durch Pharmafirmen finanzieren, von Entscheidungsprozessen wie etwa dem Design von Zulassungsstudien für Medikamente ausgeschlossen. Da die Initiativen in Österreich aber nicht wirklich involviert sind, ist das kein Druckmittel, die Finanzen offenzulegen. Wild empfiehlt deshalb, anhand von konkreten Beispielen den Unterschied zwischen Informationen, die über den Sponsor kommen, und jenen von unabhängigen Stellen aufzuzeigen. (Pia Kruckenhauser, 24.5.2023)