Nach dem Wahlerfolg der KPÖ plus in Salzburg sehen Umfragen auch den Einzug der Bundes-KPÖ ins Parlament als möglich an. Bundessprecher Tobias Schweiger ist Teil einer verjüngten Parteispitze, die vor zwei Jahren vom langjährigen Parteichef Mirko Messner übernahm. Er erzählt, wie man sich nun auf die Nationalratswahl 2024 vorbereitet.

KPÖ-Bundessprecher Tobias Schweiger
Tobias Schweiger in der Parteizentrale in Wien: Hier werden auch Menschen beraten, denen aufgrund gestiegener Mieten die Delogierung droht. In letzter Zeit werden das immer mehr.
Christian Fischer

STANDARD: Ein geplanter Bombenanschlag auf das von der KPÖ veranstaltete Volksstimmefest im Prater 2021 sorgt für Aufregung. Wann haben Sie erstmals davon gehört?

Schweiger: Am selben Tag, als es die Öffentlichkeit erfuhr, weil der Verfassungsschutzbericht präsentiert wurde. Der erste Gedanke war natürlich die Sicherheit der Menschen, die auf unser Fest kommen und uns vertrauen. Wir haben auch mit befreundeten Organisationen wie dem KZ-Verband gesprochen. Dann haben wir schnell Kontakt mit den Behörden aufgenommen, um zu klären, warum wir nicht informiert worden sind. Wichtig ist, dass die Menschen informiert werden, die auf den sogenannten Feindeslisten stehen. Da warten wir im Moment auf eine Antwort. Wir wollen, dass das Volksstimmefest weiterhin das schönste Fest – auch für Familien – bleibt. Uns ist wichtig zu klären, dass es kein weiteres Bedrohungspotenzial mehr gibt.

STANDARD: Wie hat die Polizei nun reagiert?

Schweiger: Darauf kann ich im Detail nichts sagen. Es besteht Kontakt zu Innenminister und Behörden, aber Gesprächstermine werden gerade vereinbart.

STANDARD: Kommen wir nun zu den für Sie guten Nachrichten. Was hat die Salzburg-Wahl für die Bundes-KPÖ verändert?

Schweiger: Einerseits nichts, andererseits ganz viel. Ganz viele Menschen melden sich jetzt und wollen aktiv bei uns sein. Bei den anderen Mitgliedern merkt man: Es geht wieder ein Ruck durch die Partei und Projekte werden mit neuer Motivation verfolgt. Andererseits verfolgen wir wie bisher soziale Projekte, die uns wichtig sind – also im Bereich Wohnen, Teuerung, Gesundheitskrise. Ich merke bei mir selber, dass das total viel Kraft gibt, wenn man Vertrauen bekommt von so vielen Menschen. Viele sagen: Das ist die Art von Politik, die wir uns seit Jahren gewünscht haben.

STANDARD: Viele rechnen der KPÖ nun Chancen aus, ins Parlament einzuziehen. Werden Sie Spitzenkandidat für die Nationalratswahl 2024 sein?

Schweiger: Personalentscheidungen diskutiert die Partei und wird das zu gegebener Zeit veröffentlichen.

STANDARD: Aber Sie können das nicht ausschließen?

Schweiger: Nein. Klar ist, wir treten nach den Wahlerfolgen in Graz und Salzburg unter dem Namen KPÖ an, arbeiten aber an einer Zusammenarbeit mit unseren lokalen Bündnispartnern auch auf nationaler Ebene.

STANDARD: Wie bereiten Sie sich sonst auf 2024 vor?

Schweiger: Der beste Wahlkampf ist das, was wir jeden Tag machen. Wir haben gerade eine Kampagne für leistbares Wohnen gestartet. Wir fordern einen Mietenstopp bis 2029, als Atempause, damit die nächste Regierung eine Neufassung des Mietrechts auf die Beine stellen kann mit einem weitreichenden Mietendeckel. Also, bis 2029 soll es keine Erhöhungen mehr geben.

Tobias Schweiger im Garten der KPÖ-Zentrale.
Schweiger im Garten der Parteizentrale.
Christian Fischer

STANDARD: Sie waren im Wahlkampf in Salzburg aktiv. Das Erfolgsrezept?

Schweiger: Wir sind mit dem Ziel des landesweiten Antritts hineingegangen. Aber dann bekamen wir schnell hunderte Unterstützungserklärungen auch in den schwierigsten Gebieten. Da kam die Frage auf: Gelingt uns tatsächlich der Einzug in den Landtag? Sehr viele von Graz bis Innsbruck, von Wien bis Villach haben zusammengeholfen. Insgesamt waren wir ungefähr 300, die Hälfte nicht aus Salzburg.

STANDARD: Die KPÖ Steiermark, die seit Jahren ein eigenes Parteiprogramm hat, fordert den Austritt aus der EU, auch wenn dort betont wird, dass dieser in Ermangelung einer Alternative nicht auf der Tagesordnung stehe. Wie sieht das die Bundes-KPÖ?

Schweiger: Die Position der Bundespartei ist eine massive Umgestaltung und Demokratisierung der EU. Denn sie sorgt etwa für massive Hürden, im kommunalen Wohnbau weiterzugehen. Aber im Vordergrund steht: Wie kriegen wir mehr geförderten Wohnbau hin? Ich glaube, dass weder der Austritt eine Perspektive ist, noch die Umgestaltung der EU zu einer Sozialunion wirklich durchsetzbar ist. Wenn es in der Frage des leistbaren Wohnens mit den EU-Verträgen in konkreten Fällen zu Konflikten kommt, dann wollen wir diese Konflikte führen.

STANDARD: Sollte das nicht in der gesamten EU ein Thema werden?

Schweiger: Man braucht nur nach Portugal oder Spanien zu schauen, wo diesbezüglich viel in Bewegung kommt. Das sieht man an den Mieten, die dort aktiv gebremst werden.

STANDARD: Was möchten Sie an der EU nicht missen?

Schweiger: Auch wenn die EU ein neoliberales Projekt ist, ist die Idee, dass Menschen über Ländergrenzen hinweg zusammenarbeiten, auch für eine kommunistische Partei etwas ganz Wichtiges. Wir möchten ja, dass Menschen sich international vernetzen und ihre Probleme international gelöst werden. Unser Problem besteht darin, dass die EU vor sich herträgt, ein Friedensprojekt zu sein, aber dieses Versprechen an den Außengrenzen und gegenüber Drittstaaten laufend bricht. Ähnliches gilt für Demokratie und soziale Gerechtigkeit.

STANDARD: Was passiert in der Kampagne, die in der Vorwoche startete?

Schweiger: In einer Petition appellieren wir an alle Parlamentsparteien zu erkennen, wie bedrohlich die Situation für viele Menschen geworden ist. Erst kürzlich kam eine ältere Frau zu uns in die Parteizentrale, die es nicht mehr die Stufen hinaufgeschafft hat, und erzählte, wie ihr und ihrem Freund die letzten Erhöhungen den Rest gegeben haben. Sie sind nun von der Delogierung bedroht. Wir haben uns mit ihr im Stiegenhaus hingesetzt, weil sie ja nicht mehr Stiegen steigen kann, und sind mit ihr alle Anlaufstellen durchgegangen und haben Termine ausgemacht. Wir hoffen natürlich, dass es für sie gut ausgeht, aber wir wissen angesichts der aktuellen Situation, dass es ganz oft nicht gut ausgeht. Deswegen sammeln wir in ganz Österreich Unterstützungsunterschriften, damit das Parlament die Notbremse zieht bei den Mieterhöhungen.

STANDARD: Wie oft werden Sie gefragt, warum Sie das K für Kommunismus im Namen tragen?

Schweiger: Das hängt davon ab, mit wem ich rede. Medien fragen sehr oft, auf der Straße so gut wie niemand.

STANDARD: Sie sind ein junger Kommunist. Hätten sich Ihre Vorgänger in der KPÖ nicht deutlicher von der Sowjetunion abgrenzen müssen?

Schweiger: Natürlich hätte man sich klarer davon abgrenzen müssen. Wie die Aufarbeitung der Parteigeschichte gezeigt hat, sind aber auch tausende KPÖ-Mitglieder durch den Stalinismus umgekommen, weil sie sich dieser Diktatur nicht unterwerfen wollten. Viele wurden auch den Nazis ausgeliefert. Ich glaube, als Kommunist ist es wesentlich, sich für Freiheit und mehr Gerechtigkeit einzusetzen. Was wir unter dem Stalinismus erlebt haben, geht damit nicht zusammen. Diese Klärung fand in der Partei aber bereits vor Jahrzehnten statt.

Die KPÖ-Parteizentrale Wien im 14. Wiener Gemeindebezirk.
Die KPÖ-Parteizentrale Wien im 14. Wiener Gemeindebezirk.
Christian Fischer

STANDARD: Sie sind wie Kay-Michael Dankl ursprünglich Grazer und auch von der grünen Jugend zur KPÖ gekommen. Wie halten Sie es mit den Aktionen der Letzten Generation und deren Forderung nach Tempo 100?

Schweiger: Mir wäre ein Anliegen, weniger über bestimmte Protestformen gegen die Klimakrise zu diskutieren und mehr ihre Verursacher in den Blick zu nehmen. Wer profitiert denn davon, dass unsere Infrastruktur immer noch sehr auf fossile Energie ausgelegt ist? Da gehören alle Regierungen der letzten Jahrzehnte und die Profiteure der Konzerne in die Kritik. Klimaaktivistinnen und Berufstätige gegeneinander auszuspielen hilft da nicht weiter.

STANDARD: Sind Sie für Tempo 100?

Schweiger: Natürlich kann man Tempo 100 umsetzen, aber wichtiger erscheint mir, dass es bei neuen Standorten von Industriebetrieben verpflichtend Schienenanschlüsse gibt. Man sollte mit Leuten keinen Kulturkampf um ihr Auto führen, sondern dafür sorgen, dass öffentlicher Verkehr für alle Menschen attraktiv wird. (Colette M. Schmidt, 23.5.2023)