Wien - Mit dem ersten Schuss geht eine Autoscheibe zu Bruch, ein zweiter trifft den Bruder eines georgischen Mafiachefs in die Schulter, ein dritter geht für ihn tödlich aus. Ob sie da nun einen "Krieg" am Hals haben, fragen sich die Ermittler Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und Bibi Fellner (Adele Neuhauser) zu Beginn des neuen Austro-"Tatorts". Um den Fall zu klären, müssen sie auf eine in den Datviani-Clan eingeschleuste Person vertrauen, zu sehen ist dieser Fall am kommenden Montag um 20.15 Uhr in ORF 2 und in der ARD.

"Azra" lautet der Name der V-Person und ist zugleich Titel des neuen "Tatort". Die junge und selbstbewusste Frau infiltriert seit zwei Jahren den Clan, und nun scheint ihre große Stunde zu schlagen. Denn mit herkömmlichen Ermittlungsmethoden beißt sich das Ermittlerduo rasch die Zähne aus. Die Clanmitglieder halten dicht, niemand will etwas wissen oder gesehen haben. Um jedoch an wichtige Informationen zu gelangen, muss Azra näher an den Clanboss rankommen. Ein Posten als dessen Leibwächterin wäre ideal. Und so kommt es, dass sie sich in einem Kampf gegen den pöbelnden Sohn des Chefs sogleich für diesen Job empfiehlt - streckt sie den unsympathischen Heißsporn, den noch nicht einmal dessen Vater sonderlich zu mögen scheint, doch kurzerhand zu Boden.

Harald Krassnitzer (Moritz Eisner) und Adele Neuhauser (Bibi Fellner) im neuen "Tatort" aus Wien
Foto: ORF/e&a film/Ioan Gavriel

Mordermittlung wird zur Nebensache

Azras Aufstieg im Clan bringt Eisner in einen Zwiespalt. Er will den Fall lösen und dabei idealerweise auch die Machenschaften des Clans zu einem Ende führen. Doch dafür muss sich die junge Frau immer weiter exponieren. Als sie in einem "ungesicherten Bereich" gemeinsam von einer unbekannten Person gesichtet werden, soll sich Azra offiziell zurückziehen. Doch sie denkt nicht daran, bittet noch um eine Nacht, um alle überführen zu können.

Eisner ringt mit sich selbst, stimmt aber letztlich ohne Erlaubnis von ganz oben Azras Plan zu. Nur: "Was, wenn es schief geht?", fragt der routinierte Ermittler. "Dann vertraue ich auf dich", antwortet Azra. Und wie es schief geht: Die V-Person verschwindet in besagter Nacht spurlos. Die Mordermittlung wird damit zur Nebensache, setzt die Polizei doch alle Hebel in Bewegung, um die Informantin zu finden.

Was rasant klingen mag, plätschert über weite Strecken erstaunlich ruhig vor sich hin. "Azra" kommt nur ruckelnd in Gang, legt aber gegen Ende erfreulicherweise merklich zu. Punkten kann der "Tatort" dabei weniger mit der recht konventionellen Mafiageschichte als mit den schwierigen Entscheidungen, die Eisner und Fellner zu treffen haben. Die beiden müssen dieses Mal aber leider ohne die junge Ermittlerin Meret Schande (Christina Scherrer) auskommen, die erst im vergangenen Austro-"Tatort" "Was ist das für eine Welt" viel Raum bekam und für frischen Wind sorgte. Die Lücke füllen kann Mariam Hage, die Azra verkörpert und ihr Können in einem alles in allem recht durchschnittlichen "Tatort" unter Beweis stellt. (APA, 23.5.2023)