Der ComedianNigel Ng erfand 2019 die Kunstfigur Uncle Roger und traf damit einen Nerv auf Social Media.
https://www.youtube.com/watch?v=c0nvcyhhwkc

"Haiyaa", entkommt es dem Onlinekoch Uncle Roger. Gerade hat jemand eines seiner markantesten Gerichte – Egg Fried Rice – mit Kaviar versucht zu verfeinern. Das missfällt dem seit 2019 auf Social Media aktiven Nigel Ng, der hauptberuflich als Comedian sein Geld verdient. Mit seiner Onlinefigur Uncle Roger hat der aus Malaysia stammende 32-Jährige einen asiatischen Koch erfunden, der im Netz andere mit einer sehr schrillen Stimme kommentiert – reacted.

Mit über zehn Millionen Followern auf Tiktok und der Adelung durch TV-Koch Gordon Ramsay, der ihn zuletzt in seine Sendung einlud und als "Internet-Sensation" bezeichnete, schwimmt der Comedian auf der Erfolgswelle. Nach einem chinakritischen Aufritt wurde er allerdings vor wenigen Tagen auf den wichtigsten chinesischen Social-Media-Kanälen gesperrt.

Politische Gedanken

"China, gutes Land, gutes Land. Muss man jetzt sagen, oder?" In seinem aktuellen Programm schießt sich Ng auf die chinesische Überwachung und Klischees ein, etwa die Nutzung eines Huawei-Phones, damit die Regierung des Landes mithören kann. In einem Satz bittet er die Kommunistische Partei, ihn nicht "verschwinden zu lassen". In China fand man die Witze überschaubar komisch, und so wurde Ng auf der wichtigen Plattform Weibo gesperrt. Der Comedian habe gegen "Gesetze und Regeln verstoßen", heißt es auf der populären Plattform, die am ehesten mit Twitter verglichen werden kann. Auch auf Bilibili, dem chinesischen Youtube, ist Ng nicht mehr zu finden.

Man merkt dem heute in England lebenden Malaysier an, dass er mehr Selbstvertrauen als noch vor zwei Jahren hat. Damals veröffentlichte er ein Video, in dem der chinakritische Comedian Mike Chen vorkam, und nahm es kurz danach wieder von seinen chinesischen Social-Media-Kanälen. Er entschuldigte sich für die möglichen "negativen Effekte" des Videos. Die "politischen Gedanken und falschen Kommentare über China in der Vergangenheit" seien ihm entgangen, weshalb er das Video gelöscht habe.

Heute hat Nigel Ng eine Reichweite abseits von China, die ihm offenbar mehr Freiheiten gibt, um politische Statements zuzulassen. Erste Gehversuche fanden vor etwa vier Jahren auf Instagram und Tiktok statt, wo er in 40 Sekunden beispielsweise verglich, wie normale Menschen Anrufe entgegennehmen und wie das asiatische Eltern tun. Danach folgten schon erste Videos, in denen er selbst Reis kochte. Über Nacht sammelte er über eine Million Views auf seinem Profil. In der Folge versuchte er sich an längeren Clips und stellte diese auf Youtube. Dort zeigte er seine typischen Gefühlsausbrüche, nachdem ein Beitrag auf BBC gezeigt hatte, wie man angeblich Reis kochen soll. Nachdem auch dieses Video funktioniert hatte – es hat heute 45 Millionen Views –, produzierte er mehr dieser "Reaction"-Videos.

Uncle Roger bei Gordon Ramsay

Kunstfigur

Seine Follower nennt er Nichten und Neffen, er kommentiert populäre TV-Köche wie Gordon Ramsay oder Jamie Oliver. Sein Tonfall fand schnell Fans und schien wie für die Zielgruppe gemacht zu sein. Immer mehr Leute erzählten davon, dass sein Tonfall in Schulklassen und an anderen Orten zitiert werde.

Vor einem Jahr erzählte Ng in einem Interview, wie es zu der Kunstfigur gekommen ist, die immer wieder als rassistisch kommentiert wird. Seine Kindheit in Malaysia war laut eigenen Aussagen sehr unaufgeregt und mit jener von britischen Kindern vergleichbar – Ng lebt aktuell in England. Studiert hat er davor in den USA und dort seine Liebe für Stand-up-Comedy entdeckt. Zu dieser Zeit arbeitet er noch Vollzeit in der IT, während er vier bis fünf Abende pro Woche als Comedian auftrat. Aufgrund seines größeren Engagements in der Szene reduzierte er die Stunden in seinem Brotjob, bis er 2019 ganz seiner Leidenschaft frönen konnte. Seine Eltern waren von der Entscheidung nicht begeistert. Stand-up sei ihnen fremd, und sie wollten ihren Sohn lieber in einem "sicheren Job" sehen. "Du bist doch gar nicht so lustig", sagten sie demnach, doch Ng ließ sich nicht davon abbringen.

Uncle Roger erfand er mit der Absicht, eine Person zu zeigen, die bestehende Klischees eines asiatischen Mannes bedient. Er ließ sich von seinen Freunden Fotos schicken, wie deren Väter bei der Arbeit aussehen. Die Kunstfigur ist eine Anspielung auf asiatische Männer mittleren Alters, der Zusatz "Onkel" entstammt der Tatsache, dass man in Malaysia gern einmal Onkel zu Menschen sagt, die behaupten, viel zu wissen, aber grundsätzlich nette Leute sind.

Erfolg über Nacht

Negative Reaktionen auf die Figur versteht er nicht. Die Figur liege ihm sehr am Herzen, sagt er, und würde nie Asiaten schlechtmachen. Er sei positiv gestimmt und stolz auf seine Herkunft. "Würde ich sagen, ich bin ein asiatischer Mann, und ich esse gerne Hund, dann wäre das ein Problem." Den asiatischen Akzent erklärt er damit, dass diesen wegzunehmen bedeuten würde, Uncle Roger würde "weiß" klingen. "Das sehe ich problematisch." Der Erfolg scheint ihm recht zu geben. Anfang 2022 hatte er auf seinem Youtube-Kanal noch drei Millionen Follower, heute sind es rund 7,8 Millionen.

Was den schnellen Erfolg betrifft, zeigt sich Ng dankbar. Ihm sei klar, dass manche Content-Creators Jahre investieren, bis sie eine Million Follower haben. Bei ihm ging es schneller, auch weil er nach dem ersten Youtube-Video von unzähligen Tageszeitungen und Radiostationen in Asien interviewt wurde. Zu diesem Zeitpunkt baute er sich ein Team von Leuten auf, um die Anfragen und das Mehr an Content bewältigen zu können.

UNCLE ROGER CANCELED
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mrnigelng

Seine nächsten Ziele sind größere Projekte – eine Sitcom vielleicht oder eine Reisesendung. Ob er sich weiter politisch äußern wird, muss abgewartet werden. In seinem aktuellsten Video "Uncle Roger Canceled" erklärt er, dass alle Medien darüber berichtet hätten, dass seine chinesischen Social-Media-Kanäle gesperrt wurden. "Uncle Roger hat zu viel Scheiße erzählt", sagt er und zeigt in dem Clip kurz seine Aussagen, die zu den Sperren geführt haben. Wenn man also freie Meinungsäußerung unterstützen wolle, dann solle man bitte sein neues Comedy-Programm kaufen. (Alexander Amon, 24.5.2023)