Aus einer netzpolitischen Perspektive ist es derzeit wohl eines der umstrittensten Themen – nicht nur – in der EU: die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung von vielgenutzten Messengern wie Whatsapp oder Signal. Diese würde Strafverfolgungsbehörden das Leben erheblich erschweren, so die Argumentation jener, die sich für eine Art "Chatkontrolle" starkmachen. Darunter stellen sie sich eine Hintertür für die Behörden vor, mit der diese – üblicherweise direkt am Smartphone der User – im Fall des Falles Einblick in die Diskussionen einer Zielperson bekommen oder diese zumindest automatisiert mit irgendwelchen Datenbanken abgleichen können.

Bei Datenschützern lassen solche Ideen hingegen die Alarmglocken schrillen. Dies würde in ihren Augen unweigerlich in ein umfassendes Überwachungssystem münden, auch wenn die Proponenten einer solchen Lösung gerne versichern, dass damit ausschließlich gegen die Verbreitung von Darstellungen sexualisierter Gewalt gegen Kinder vorgegangen werden soll.

Ein Leak

Wie unterschiedlich bei diesem Thema die Standpunkte der einzelnen EU-Staaten sind, offenbart nun ein Leak: "Wired" ist an ein internes Dokument aus der Arbeitsgruppe für Strafverfolgung der EU gelangt, in dem die Stellungnahmen der einzelnen Staaten zu dem Thema versammelt werden. Dabei präsentieren sich vor allem Spanien und Polen als Hardliner.

Strafverfolgungsbehörden würden im Fall des Falles auch gerne in Ende-zu-Ende-verschlüsselte Nachrichten Einblick nehmen.
KIRILL KUDRYAVTSEV / AFP

Die schärfste Positionierung gibt es aus Madrid: Die spanische Regierung will nämlich gleich ein komplettes Verbot von Ende-zu-Ende-Verschlüsselung. Konkret wäre es demnach "wünschenswert, wenn es EU-Diensteanbietern gesetzlich untersagt würde, Ende-zu-Ende-Verschlüsselung anzubieten".

Polen ebenfalls mit Überwachungswünschen

Da gibt man sich in Polen zum Vergleich schon fast liberal. Dort bringt man zumindest den Wunsch zum Ausdruck, dass eine Schwächung von Ende-zu-Ende-Verschlüsselung vermieden werden sollte. Gleichzeitig hegt man aber den Wunsch, dass im Fall des Falles sehr wohl jemand Einblicke nehmen können soll. Dabei geht es Polen aber noch um ein anderes Szenario: So sollte es Eltern immer möglich sein, die verschlüsselte Kommunikation ihrer Kinder mitzulesen.

Polen hätte zudem generell gerne, dass jede Form von Verschlüsselung nach einer gerichtlichen Anordnung aufgehoben werden kann. Dies würde natürlich dann erst recht wieder einer generellen Hintertür für Verschlüsselung gleichkommen, zu der man auch sämtliche Servicebetreiber verpflichten müsste.

Widerspruch

Doch es gibt auch viele Länder, die sich mehr oder weniger deutlich gegen Ideen für eine Chatkontrolle aussprechen. Besonders deutlich machen das die Niederlande, die in ihrer Stellungnahme klarmachen, dass eine Möglichkeit zur Entschlüsselung "weder wünschenswert noch notwendig" sei.

Auch mehrere andere Länder wie Deutschland oder Finnland melden Bedenken an. So streicht etwa Deutschland hervor, dass aktuelle Entwürfe zu dem Thema nicht mit der deutschen Rechtslage kompatibel wären.

Österreich fehlt

Eine Stellungnahme aus Österreich ist in dem Dokument übrigens nicht enthalten. Zuletzt hat sich die Regierung aber zumindest öffentlich gegen entsprechende Pläne positioniert. Erst vor wenigen Tagen hat Justizministerin Alma Zadić gemeinsam mit ihren Kollegen aus Deutschland, Liechtenstein, Luxemburg und der Schweiz die aktuellen EU-Pläne öffentlich kritisiert. (apo, 23.5.2023)