Das ungarische Mathias-Corvinus-Collegium soll das rechtsnationale Weltbild von Premier Viktor Orbán in aller Welt verbreiten. Jetzt hat sich der Thinktank eine Wiener Privatuni gekauft.
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Mithilfe des Mathias-Corvinus-Collegiums (MCC) soll eine neue "patriotische Generation" entstehen, die Ungarns Interessen und Werte in die ganze Welt trägt. So steht es auf der Homepage der Denkfabrik mit Sitz in Budapest. Das MCC gilt als akademisches Propagandaorgan und Kaderschmiede des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán und als Instrument zur Vernetzung rechter Kräfte in Europa.

Mitte Mai hat sich das MCC nun einen Standort in Österreich gesichert, gelegen prestigeträchtig am Wiener Kahlenberg: die Modul University Vienna.

Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Privatuniversität sprechen von einem "Pakt mit dem Teufel", bei dem es nichts schönzureden gebe. Modul-Uni-Rektor Karl Wöber hingegen hat nach mehreren Gesprächen mit Vertretern des Collegiums "einen sehr kompetenten und verlässlichen Eindruck", wie er zum STANDARD sagt.

Bis zu 52.000 Euro Gebühren

Die Modul University Vienna wurde 2007 auf Initiative der Wirtschaftskammer, des saudisch-österreichischen Unternehmers Mohamed Bin Issa Al Jaber und der Stadt Wien als Privatuni akkreditiert. In den letzten zehn Jahren graduierten dort 1.100 Studierende aus mehr als hundert Ländern in Fächern wie "International Management" oder "Sustainable Development, Management and Policy". Die Kosten pro Studium reichen von 7.000 Euro (Bachelor) bis 52.000 Euro (PhD). Die WKO hielt 2007 zunächst 90 Prozent an der Privatuni, zwischenzeitlich 100 Prozent und verkaufte 2020 90 Prozent ihrer Anteile an den britischen Unternehmer Suresh Sivagnanam.

In einer knappen Mail an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gab Sivagnanam am 11. Mai den Verkauf seiner Anteile an das MCC bekannt. Damit solle der "nationale und internationale Fußabdruck" der Uni vergrößert werden, wie es in der Mail heißt, die dem STANDARD vorliegt. Der britische Unternehmer ist zuversichtlich, dass der Verkauf für die Universität einen "positiven Schritt nach vorne" bedeute. Auch das MCC scheint mit dem Erwerb überaus zufrieden, online rühmt sich der Thinktank, "Österreichs führende Privatuniversität" erworben zu haben. Die WKO hält weiterhin zehn Prozent an der Modul-Uni.

"Befreien aus dem Gender-Kult"

Das MCC wurde 1996 gegründet und erregte lange Jahre außerhalb Ungarns kaum öffentliche Aufmerksamkeit. Das änderte sich spätestens 2020, als die ungarische Regierung der Stiftung hinter dem Thinktank (je nach Quelle) zwischen 1,4 und 1,7 Milliarden Euro spendierte, mehr als allen anderen 27 Hochschuleinrichtungen im Land zusammen. Das MCC ist keine Universität, sondern versteht sich als akademische Einrichtung, Bildungsanbieter und Denkfabrik, die Zusatzqualifikationen anbietet, politische Diskussionsrunden und Kongresse veranstaltet und Bücher (überwiegend rechter Autoren und Autorinnen) verlegt. Unter diesen Büchern finden sich Titel wie "Befreien wir unsere Kinder aus dem Gender-Kult" der US-Republikanerin Maria Keffler oder Übersetzungen des umstrittenen Autors David Engels, der der extremen Rechten zugerechnet wird.

Die private Modul-Uni am Wiener Kahlenberg ist in die Hände der Ungarn geraten.
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Vorsitzender der Trägerstiftung hinter dem MCC ist Balázs Orbán, der mit dem Ministerpräsidenten Orbán zwar nicht verwandt ist, aber als dessen Politischer Direktor fungiert. "Hier am Mathias-Corvinus-Collegium wird der Orbánismus gepflegt, weiterentwickelt, und von hier aus wird er erfolgreich exportiert", fasst die deutsche Wochenzeitschrift "Zeit" die intellektuelle Mission der Denkfabrik zusammen. Einerseits soll der Budapester Thinktank Ungarns zukünftige (Orbán-treue) Eliten hervorbringen, andererseits ein internationales rechtes Netzwerk in Europa etablieren.

"Alle schockiert"

"Wir sind alle schockiert", beschreibt ein Mitarbeiter der Modul-Uni die Stimmung unter Kolleginnen und Kollegen. Aus Sorge um seine berufliche Zukunft möchte er anonym bleiben. Er schätze die Privatuni am Kahlenberg als akademische Institution, an der Raum für progressive und hochqualitative unabhängige Forschung bestehe. Auch wenn der Mitarbeiter keine unmittelbaren Eingriffe des neuen Eigentümers in Lehrpläne und Personal befürchtet, stünden große Fragen im Raum: Werden Mitglieder der LGBTIQA+-Community noch an so einer Einrichtung studieren wollen? Welche Dozentinnen und Dozenten werden die Uni verlassen – und wie wird nachbesetzt? Was bedeutet das für Studierende und die zukünftige akademische Laufbahn, wenn man plötzlich den "Orbán-Stempel" trägt? Letztlich trage man als Modul University zur Legitimierung der Ideologie des MCC bei – "und da wollen wir nicht mitspielen", ärgert sich der Mitarbeiter.

Rektor Wöber sieht die Situation weniger dramatisch. Er versichert: Die Übernahme "wird keine Auswirkungen auf die Inhalte und den Lehrplan der Modul University Vienna" haben. Er selbst kenne das MCC "erst seit kurzer Zeit", sei aber guter Dinge, "dass die Universität ihre Tätigkeit in der bisherigen Form, basierend auf den bisherigen Errungenschaften, weiterführen" kann.

Stadt Wien ist "beunruhigt"

Abwartend reagiert das Büro des für Finanzen, Wirtschaft und Internationales zuständigen Wiener Stadtrats Peter Hanke (SPÖ) auf den Verkauf der Modul University an das MCC. Das Ökosystem der verschiedenen Hochschulstandorte hat für die Tourismusstrategie der Stadt eine wichtige Bedeutung. Im Jahr 2019 unterzeichnete die Stadt Wien extra ein Kooperationsabkommen mit 23 Wiener Universitäten. Man sei über die Entwicklungen an der Modul University "zwar beunruhigt", wolle "aber keine voreiligen Schlüsse ziehen", heißt es in einer Stellungnahme. "Wir haben derzeit vollstes Vertrauen in das Rektorat und den aktuellen Lehrkörper, die schon bisher Wissenschaftlichkeit und Professionalität bewiesen haben."

Das Büro von Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr (Neos) erklärte sich auf Anfrage für nicht zuständig und wollte zur Causa keinen Kommentar abgeben. Die Wiener Wirtschaftskammer antwortete auf Anfragen über ihre Rolle in der Causa ausweichend und verwies darauf, den Großteil ihrer Anteile bereits 2020 verkauft zu haben. "Unser zehnprozentiger Minderheitsanteil dient dem Schutz unserer Bildungsmarke 'Modul'", betont ein Sprecher. Wie sich diese "Bildungsmarke" mit dem Weltbild Viktor Orbáns verträgt, wird sich wohl erst in den kommenden Jahren zeigen. (Christian Bunke, Johannes Greß, 24.5.2023)