Der 78-jährige P. sitzt derzeit eine mehrjährige Haftstrafe ab, zu der er 2022 wegen Verhetzung und NS-Wiederbetätigung verurteilt wurde. Er ist jener Mann, der einen Bombenanschlag auf das Volksstimmefest 2021 geplant haben soll. Bekannt wurde dies vor knapp zwei Wochen durch die Präsentation des aktuellen Verfassungsschutzberichts. Die KPÖ wurde als Organisatorin des Festes, das alljährlich im September im Prater stattfindet, über den geplanten Terrorakt nicht informiert.

Das Volksstimmefest in Wien wird jedes Jahr von Tausenden besucht.
Foto KPÖ

Nationale Volkspartei

P. spendete den rechtsextremen Identitären Geld, lebte laut eigener Aussage in seinem Prozess jahrelang in einer Art Kommune mit weiteren deutschsprachigen Personen in Ungarn – zu einer Zeit, als dort auch noch der 2018 verstorbene Neonazi Gerd Honsik zu Hause war. Er war bei der rechtsextremen "Nationalen Volkspartei" aktiv, die auch eine Solidaritätskampagne für Honsik organisiert hatte, er hatte Kontakt mit NVP-Leuten im Burgenland und Oberösterreich sowie mit ehemaligen Südtirol-Terroristen. Auch in einem Tauchklub war er aktiv. Und schon im Jahr 2007 kandidierte er für die FPÖ in einer burgenländischen Gemeinde. Auf sozialen Medien wie Facebook und Twitter likte und teilte der Mann bis zuletzt auch Inhalte der FPÖ. Für das Auge des Laien stellt P. nicht gerade den typischen Einzelgänger dar.

Wenn man sich den Prozessbericht der Rechercheplattform "Österreich Rechtsaußen" und die Materialsammlung von "Stoppt die Rechten" oder die Reste der Social-Media-Profile von P. ansieht, zeigt sich vielmehr ein gut vernetzter Rechtsradikaler, der bei Probesprengungen in Ungarn auch schon am Üben für den Ernstfall gewesen sein soll.

Doch der Verfassungsschutz kategorisierte P. im Juli 2021 als "radikalisierten Einzeltäter", der keine Gefahr mehr darstelle, wie es in einem Statement der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) heißt. Deshalb habe man auch niemanden informiert, jedoch auf dem Fest im September auch zivile Beamte im Einsatz gehabt.

"Problematisch" findet das der Verfassungs- und Verwaltungsjurist Peter Bußjäger im Gespräch mit dem STANDARD. "Letztlich ist es immer Einschätzungssache der Behörde, räumt Bußjäger ein, "und es ist sicherlich eine schwierige Abwägung, aber im konkreten Fall waren die Verdachtsmomente so massiv und die mögliche Gefährdung so hoch, dass schon eine Informationspflicht bestanden hätte." Zumal die Polizei "nicht hundertprozentig weiß, wem der Täter Wissen anvertraut hat", ergänzt Bußjäger.

Gefahrenforschungspflicht

Es ergebe sich auch "aus der sicherheitspolizeilichen Gefahrenerforschungspflicht, dass die Polizei in einem solchen Fall den Veranstalter informiert", sagt Bußjäger, "zumindest dahingehend, dass sie jemanden mit diesem Plan festgenommen hat". Nach dieser Information liege die Entscheidung, ob das Fest trotzdem stattfinde, beim Veranstalter.

Gegen eine Information spreche, dass man "Unruhe vermeiden will", sagt Bußjäger, der dieses Argument aber gleich abschwächt, denn: "Einer solchen Unruhe hätte man durch Transparenz begegnen können. Nämlich indem man mitteilt, dass man eine Person festgenommen hat, die man für einen Einzeltäter hält. Es gibt jedenfalls Alternativen zum Nichtstun", so Bußjäger.

Doch auch weitere Details des Falles bedürfen einer Aufklärung: Die Anwältin von P., Astrid Wagner, beteuert im STANDARD-Gespräch am Freitag, dass zwar "Bombenbasteln", nicht aber das Volksstimmefest im Prozess gegen ihren Mandanten "ein Thema war, so etwas hätte ich mir doch gemerkt". Auch Prozessbeobachter bestätigen das.

Die Neos-Abgeordnete Stephanie Krisper brachte eine parlamentarische Anfrage an Justizministerium und Innenministerium ein. Sie will wissen, ob Personen, die auf einer Feindesliste des Mannes auftauchten, ebenfalls nicht informiert wurden und ob auch Politiker auf dieser Liste standen. Zudem fragt Krisper, ob Feindesliste und Volksstimmefest Gegenstand des Verfahrens waren. Wenn nicht, seien die Betroffenen nämlich "ihres Opferstatus beraubt worden", sagt sie dem STANDARD, "sie hätten sich als Privatbeteiligte dem Verfahren anschließen und Akteneinsicht bekommen können". (Colette M. Schmidt, 23.5.2023)