Seitanschnitzerl statt Kalbswiener, Sojalaberl statt Schweinsbraten. Wer sich selbst und anderen den Genuss von Fleisch versagt, hat in der Gastronomie nichts verloren. Zumindest als Lehrling. Eine fleischlose Ausbildung zum Koch will die Grüne Wirtschaft in Österreich etablieren, um dem wachsenden Appetit auf vegane Ernährung gerecht zu werden und mehr Jugendliche als Fachkräfte zu gewinnen.

Österreich zählt hunderte vegetarische und vegane Restaurants. In der Ausbildung kommen Köche bisher an Fleisch nicht vorbei.
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Die Wirtschaftskammer hat ihrem Ansinnen Dienstagvormittag eine Abfuhr erteilt – aus formalen Gründen. Ein entsprechender Antrag wurde abgelehnt. Die Wiener Fachgruppe für Gastronomie soll nun auf Basis eines Abänderungsantrags ein neues Lehrbild erarbeiten. Doch der Weg dorthin sei ein sehr langer und beschwerlicher, wenn nicht gar aussichtsloser, lassen Kammerfunktionäre im Gespräch mit dem STANDARD unmissverständlich durchklingen.

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DER STANDARD

"Was bitte sollte ein veganer Koch drei Jahre lang lernen?", gibt Mario Pulker, Österreichs oberster Gastronomievertreter, zu bedenken. Früher oder später gehe einem der Lernstoff aus. Abgesehen davon, dass kein Bäcker auf die Idee komme, eine eigene Lehre für Pizza- oder Fladenbrotbäcker zu kreieren. Die österreichische Kochausbildung sei die beste in Europa, ist Pulker überzeugt. "Unsere Leute sind international heißbegehrt." Ihre Fertigkeiten auf die fleischlose Küche zu reduzieren hieße, ihre Ausbildung zu verwässern und das hohe Niveau zu senken. "Das wäre völliger Unsinn."

Bauernkrapfen und Kaiserschmarrn

Es gebe gute Gründe dafür, warum sich auch der internationale Kochverband gegen einseitige Lehren ausspreche – ohnehin sei die österreichische Küche traditionell zu weiten Teilen vegetarisch, sagt Gerold Royda und führt Bauernkrapfen und Kaiserschmarrn ins Treffen. Der Bundesausbildungsleiter für Gastronomie und Hotellerie nennt die Verarbeitung von Kokosmilch nett, mit tiefem Fachwissen habe das jedoch wenig zu tun. "Jeder ausgebildete Koch kann auch vegan kochen. Ein veganer Koch kann aber nicht österreichisch kochen." Mit einer reduzierten Ausbildung nehme man jungen Menschen die Chance, sich weiterzuentwickeln und international zu reüssieren.

Jedem, der sein veganes Wissen erweitern wolle, stünden Zusatzausbildungen offen, betont Royda. "Wer Elektriker werden will, lässt sich aber erst einmal zum Elektriker ausbilden, nicht nur zum Steckdosen- oder Schaltschrankspezialisten."

Formal fordern die Gastronomievertreter nun einen Schwall an zusätzlichen Unterlagen bis hin zu Lehrbüchern, um die Idee der veganen Kochlehre ernsthaft andenken zu können. Er selbst habe jahrzehntelange Erfahrung in der Ausbildung, sagt Royda. Dieses Berufsbild auf den Boden zu bringen sei alles andere als einfach.

"Ein Armutszeugnis"

Der vegane Haubenkoch Siegfried Kröpfl nennt die Reaktion der Kammer "ein peinliches Armutszeugnis". Er selbst habe schon vor acht Jahren für eine entsprechende Lehre gekämpft, sei damit aber abgeblitzt. Mittlerweile sei die Zeit mehr als reif dafür, das zeige allein schon die Entwicklung der Lebensmittelindustrie, die stark in fleischlose Lebensmittel investiert. "Die Gastronomie muss endlich raus aus der Komfortzone und nach vorn sehen. Ich verstehe ihre Angst davor nicht. Wollen wir warten, bis es uns Deutschland vormacht?"

Kröpfl appelliert daran, dem neuen Beruf eine Chance zu geben. "Was soll schon dabei passieren?" Der Einwurf der Kammer, dass es für rein vegane Ausbildung keine dreijährige Lehre brauche, lässt ihn, wie er sagt, die Haare zu Berge stehen. "Ihr Wissen über pflanzliche Alternativen hört nach wie vor bei Salat und Kartoffeln auf."

Die Grünen lassen jedenfalls nicht locker. "Die Welt hat sich weitergedreht", sagt Sabine Jungwirth, Bundessprecherin der Grünen Wirtschaft. Den Gefallen, den veganen Koch einmal mehr im Keim zu ersticken, werde man der Wirtschaftskammer nicht tun. Nach einem Beschluss im Fachverband brauche es noch das Wirtschaftsministerium, das die Ausbildung per Verordnung festlegt.

Höherer Aufwand

Federführend vorantreiben wird den Prozess der Gastronom Joachim Ivany, der die Grünen in der WKÖ vertritt. "Keiner in der Wirtschaftskammer rechnet damit, dass ich es schaffe. Aber ich werde alle nötigen Unterlagen liefern." Wenn ihm das gelinge, werde seinem Antrag zugestimmt. Das habe er sich schriftlich zusichern lassen. Die nächste Möglichkeit zur Abstimmung gebe es im November.

Wer davon rede, dass es für vegane Küche keine jahrelange Lehrzeit brauche, habe davon keine Ahnung, ärgert sich Ivany. Denn mit pflanzlichen Alternativen geschmacklich gut zu kochen sei weit aufwendiger als mit Fleisch. "Keiner im Fachverband wusste, wie man vegane Mayonnaise zubereitet." Nicht gelten lässt er Parallelen zu Bäckern und Elektrikern. "Warum hat Österreich Zuckerbäcker und Chocolatiers? Wenn es in zehn Jahren keinen Mechaniker gibt, der sich auf E-Autos spezialisiert, haben wir ein Problem."

Ivany sieht im neuen Lehrberuf einen Weg, um den starken Fachkräftemangel der Branche zu mildern. Gut ein Viertel der 15- bis 29-Jährigen ernährte sich fleischlos. Derzeit seien diese für die Gastronomie verloren, da jeder Lehrbetrieb Fleisch im Angebot haben müsse, um Köche ausbilden zu dürfen.

Österreich zählt nach Angaben der Veganen Gesellschaft rund 100 vegane und 200 vegetarische Restaurants. Für die Einführung eines neuen Lehrberufs sind landesweit 25 Lehrlinge im Jahr notwendig. Die Resonanz aus der veganen Community sei enorm, zieht Jungwirth Bilanz. Es gebe mehr als genug interessierte Jugendliche – und Betriebe, die diese rein fleischlos ausbilden. (Verena Kainrath, 23.5.2023)