Er war wohl der wichtigste Unterstützer der Parteivorsitzenden. Er ritt für Pamela Rendi-Wagner in die Schlacht, wenn sie es nicht konnte. Er kritisierte Hans Peter Doskozil für seine Querschüsse, stichelte in Richtung Burgenland. Doch nun hat seine Kandidatin bei der Mitgliederbefragung eine Niederlage eingefahren – und Wiens Bürgermeister Michael Ludwig steht vor einem Problem.

Die in der Mitgliederbefragung unterlegene Pamela Rendi-Wagner mit ihrem Unterstützer Michael Ludwig.
Heribert Corn

Mit dem Sieger aus dem Burgenland hat sich Ludwig auseinandergelebt. Dass die beiden nicht mehr miteinander können, ist kein Geheimnis. Doskozil ätzte in einem Interview mit dem STANDARD recht herablassend: Die Wiener Landespartei habe sich 2016 gegen Christian Kern als Parteichef ausgesprochen. "Und wer ist es geworden? So viel zu den starken Männern in Wien", sagte Doskozil.

Und selbst nach Rendi-Wagners Ausscheiden aus dem Rennen um den Chefsessel will sich Wien offenbar nicht hinter Doskozil stellen. Denn viele in der Wiener Partei, vor allem Junge und jene aus der Basis, haben bei der Mitgliederbefragung den Traiskirchner Bürgermeister Andreas Babler unterstützt. Und so soll es auch in den Parteigremien am Dienstag gewesen sein. Da haben die Wiener auf eine Stichwahl durch die Mitglieder gepocht, wie Ludwig nach den Gremien bestätigte. Doch sie konnten sich nicht durchsetzen: Die Abstimmung ging mit 25 zu 22 Stimmen knapp gegen eine neuerliche Mitgliederbefragung aus.

Hahnenkämpfe in der Partei

Aber nicht nur Doskozil ist nicht besonders gut auf den Wiener zu sprechen. Ludwig gilt nicht nur als enger Vertrauter Rendi-Wagners, mache hielten ihn auch für einen Einflüsterer der Parteichefin. Die anderen Landesorganisationen sahen das nicht gerne. Und so wuchs der Missmut über die Rolle und die Stellung der Wiener in der SPÖ außerhalb der Hauptstadt immer weiter an.

Hans Peter Doskozil hat die Mitgliederbefragung gewonnen.
Heribert Corn

Doskozil kann jedenfalls aus der Mitgliederbefragung für sich mitnehmen, dass er die Wiener Macht erschüttert hat. Aber es dreht sich nicht alles um die reine Machtfrage in der SPÖ. Da geht es vor allem auch um differente gesellschaftspolitische, ideologische, um atmosphärische Strömungen; und um Hahnenkämpfe, in denen Frauen auf der Zuschauerbank sitzen. Auch gibt es in den Lagern völlig unterschiedliche strategische Zugänge, wie die SPÖ wieder auf die Höhe einer Kanzlerpartei gebracht werden kann.

Doskozil, obgleich er inhaltlich in den wesentlichen Themen nicht weit entfernt von Herausforderer Andreas Babler steht, zielt in seiner politischen Agitation in ein anderes Wählersegment als Babler. Doskozil und sein engster Mitstreiter Max Lercher arbeiten schon seit langem daran, ehemalige Rote von den Blauen zurückzuholen. Dass sie auf diesem Feldzug den linken Rand der Partei verlieren könnten, nehmen sie in Kauf. Ihrer Kalkulation: Es ist rechts mehr zu holen, als links verlorengeht.

Andreas Babler will es wissen: Er kandidiert am Parteitag. Aber kann sich das ausgehen?
Heribert Corn

Nimmt man jetzt das Ergebnis der Befragung als Messgröße, heißt das aber, dass Doskozils und Lerchers "Risikogruppe" mehr als 60 Prozent der SPÖ-Mitglieder ausmacht. Denn sowohl Andreas Babler als auch die abtretende Parteichefin Rendi-Wagner kommen aus dem Mitte-links-liberalen Lager, das hier die Zukunft der Partei sieht. Wobei Babler ein gehöriges Maß an Bodenständigkeit und Pragmatismus mitbringt. Er kann mit der Basis – das wurde bei seinen Auftritten deutlich –, er spricht deren Sprache, ohne sich groß anzubiedern. In der amikalen politischen Kommunikation erinnert er ein wenig an die erfolgreiche KPÖ-Bürgermeisterin von Graz, Elke Kahr, oder den Salzburger KPÖ-plus-Spitzenmann Kay-Michael Dankl, die genau über die gleiche Schiene und mit der Basis zu ihren Erfolgen kamen. Und mit ihren Inhalten durchaus auch FPÖ-Wähler ansprachen.

Natürlich geht es aber auch um die Persönlichkeitsprofile im Kampf um die SPÖ-Spitze. Doskozil ist anders. Der gelernte Polizist mag es streng. Er lebt Autorität und Härte und legt auch, wenn es für ihn sein muss – wie es Rendi-Wagner spüren musste –, Skrupel ab, um an die Spitze zu kommen. Babler, aber auch Rendi-Wagner fehlt dieser machiavellistische Wesenszug. Dieser Zug zur Macht, der autoritäre Habitus Doskozils, findet bei einem Drittel der SPÖ-Basis Anklang. Und da kreuzt eine alte Bruchlinie in der Partei hinein: der Hass der Länder auf die Parteizentrale in Wien. Da ist Doskozil nicht allein.

Die SPÖ Bundesländer-Allianz: Georg Dornauer, Michael Lindner undSven Hergovich. Nicht am Bild: David Egger.
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In den Ländern hält man der "Wiener Partie" vor, alles im Hinterzimmer auszuschnapsen und die Länder blöd sterben zu lassen. Immer wieder ist von "elitären, abgehobenen" Zirkeln in der Bundeshauptstadt die Rede, die die Partei zum eigenen Vorteil dirigierten. Mitten hinein in die Mitgliederbefragung hatte sich da eine "Bundesländerallianz für ein neues Miteinander" geschmiedet. Die Männer dahinter: Oberösterreichs Michael Lindner, Tirols Georg Dornauer, Niederösterreichs Sven Hergovich und Salzburgs David Egger. Die Landesparteichefs wollen, so ihre Botschaft, in der Bundespartei gehört werden. Deshalb steht auch der Großteil der Bundesländerchefs, wie jetzt im Nachgang der Befragung zu hören war, hinter dem "starken" Doskozil. Denn ihm trauen sie eines zu: es "denen in Wien" reinzusagen. Dass Doskozil das kann und tut, hat er bereits in den vergangenen Jahren gezeigt.

Clash of Cultures

Aber es spielt noch eine gesellschaftspolitische, ideologisch-kulturelle Facette in den parteiinternen Konflikt mit hinein. Wien ist Weltstadt, die Wiener SPÖ muss sich mit den Verwerfungen der Zeit, mit neuen gesellschaftlichen Strömungen, neuen Wertvorstellungen, Lebensentwürfen und Konflikten ganz anders auseinandersetzen als eine SPÖ in Tirol oder der Steiermark.

Hier in den Ländern herrscht weitgehend ein ganz anderes Polit-Biotop, ein Partei-Establishment. Hier haben die Bürgermeister und Landesparteichefs das Sagen, die ihre Verwurzelung in der jeweiligen Landeskultur finden, denen das Großstädtische, das Urbane, abgrundtief suspekt ist. Eine österreichische Ausprägung eines Clash of Cultures.

Pamela Rendi-Wagner wird nicht mehr als Parteichefin kandidieren.
Heribert Corn

Und es ist noch eine Bruchlinie in der SPÖ zu orten, die sich quer durch die Lager von Rendi-Wagner, Babler und Doskozil zieht: die Männerdominanz. Frauen haben in der SPÖ kaum Chancen, bei den Machtspielen mitzumischen. In den Ländern führen, bis auf Vorarlberg, ausschließlich Männer die Parteien.

Mit dem angekündigten Rückzug von Rendi-Wagner wird das auch in der Bundespartei künftig so sein. (Oona Kroisleitner, Walter Müller, 24.5.2023)