Vor sechs Jahren war die Welt für Sophie Karmasin noch in Ordnung: Über "österreichweite Herbstferien zum Wohl der Kinder" diskutierte die von der ÖVP nominierte Familienministerin damals auf einem Symposium. Noch früher, vor mehr als zehn Jahren, war Karmasin schon eine der bekanntesten Meinungsforscherinnen des Landes, belieferte etwa das Nachrichtenmagazin Profil mit aktuellen Umfragen.

Seit Herbst 2021, als Ermittler in Karmasins Wohnhaus auftauchten und es nach inkriminierenden Unterlagen durchsuchten, ist alles anders – und seit Dienstag noch einmal ein Stück trister. Denn jetzt ist Karmasin strafrechtlich verurteilt worden, wenn auch nicht rechtskräftig.

Ex-Familienministerin Sophie Karmasin wurde am Dienstag erstinstanzlich wegen wettbewerbsbeschränkender Absprachen verurteilt, ein mitangeklagter Beamter freigesprochen.
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Karmasins Aussagen seien nicht glaubwürdig gewesen, sagte Richter Patrick Aulebauer in seiner Urteilsbegründung. 15 Monate Freiheitsstrafe auf drei Jahre bedingt erhielt die Ex-Ministerin. Es ist ein Schuldspruch, den Prozessbeobachter erwartet haben. Oder besser gesagt: Schon vor den Gerichtsverhandlungen war aufgrund der Aktenlage klar, dass es für Karmasin schwer bis unmöglich werden würde, sich gegen die Vorwürfe der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) zu verteidigen.

Die Kronzeugin

Einen großen Anteil daran trägt jemand, der jahrelang für und mit Karmasin tätig war: die Meinungsforscherin Sabine Beinschab. Sie war im Herbst 2021 kurzzeitig festgenommen worden und hatte sich dann um den Status als Kronzeugin bemüht.

Im Rahmen ihres Geständnisses hatte Beinschab den Ermittlern zahlreiche Dokumente vorgelegt und Karmasin schwer belastet. So eröffnete Beinschab den Ermittlern, dass sie und eine weitere befreundete Demoskopin für Karmasin Scheinangebote an das Sportministerium gelegt hätten. Die hätten nur dazu gedient, Karmasin als Bestbieterin erscheinen zu lassen. Vor Gericht wiederholte Beinschab die Vorwürfe; sie sei eine "Idiotin" gewesen, weil sie Karmasin "einen Gefallen" habe erweisen wollen, erklärte die Kronzeugin. Auch die dritte Meinungsforscherin gab sich reumütig.

Karmasin und ein mitangeklagter Beamter aus dem Sportministerium versuchten die Vorwürfe mit vergaberechtlichen Argumenten zu entkräften. Es sei gar nicht nötig gewesen, dass das Sportministerium andere Angebote einhole, argumentierte Karmasins Anwalt Norbert Wess. Sie habe die anderen Angebote "als Gefallen" für das Ministerium organisiert, meinte Karmasin.

Das verfing beim Richter nicht: Für die wettbewerbsbeschränkenden Abgaben setzte es einen Schuldspruch für Karmasin, während der mitangeklagte Beamte aus dem Sportministerium freigesprochen wurde.

Eine Überraschung gab es beim zweiten Anklagepunkt: Dass Karmasin nach ihrer Ministerinnentätigkeit eine Gehaltsfortzahlung bezog, obwohl sie bereits wieder beruflich tätig gewesen sei, führte zu keiner Verurteilung.

Wie Rechnungen legen?

Karmasin hatte sich zuvor damit verteidigt, dass sie in diesem Zeitraum noch kein Unternehmen gehabt habe und daher nicht gewusst habe, wie sie Rechnungen legen könne. Außerdem habe sie die erhaltenen Bezüge nach Beginn der Ermittlungen gegen ihre Person ohnehin geprüft und sich zu einer Rückzahlung entschlossen. Das konstituiere tätige Reue und damit Straffreiheit, argumentierte ihr Anwalt Wess.

Dem hielt die WKStA entgegen, dass sich Karmasin erst zu einer Rückzahlung entschieden habe, als bereits Journalisten in der Sache recherchiert haben. Hier folgte der Richter allerdings der Argumentation von Wess: es handle sich um tätige Reue und Karmasin sei daher freizusprechen. Allerdings sei der "Betrug so eindeutig, wie wir ihn hier selten haben". 

Von einer Berufung des Urteils ist jedenfalls auszugehen, die Causa wandert also zum Oberlandesgericht (OLG) Wien, und für Karmasin gilt weiterhin die Unschuldsvermutung.

Verurteilt bzw. freigesprochen wurde Karmasin am Dienstag nur für einen Teil der Vorwürfe, der gegen sie im Raum steht – denn in der "großen Umfragecausa" wird noch länger ermittelt werden. Da wirft die WKStA Karmasin vor, eine entscheidende Rolle in einem angeblichen Deal zwischen dem Team von Sebastian Kurz und der Mediengruppe Österreich gespielt zu haben. Kronzeugin auch hier: Sabine Beinschab. Deren Auftritt und den anderer Zeugen bezeichnete Richter Aulebauer als glaubwürdig. (Fabian Schmid, Renate Graber, 23.5.2023)