Der rote Machtkampf geht auch nach absolvierter Mitgliederbefragung weiter. Zum Showdown soll es nun beim außerordentlichen Parteitag am 3. Juni in Linz kommen: Burgenlands Landeschef Hans Peter Doskozil und der Traiskirchner Bürgermeister Andreas Babler werden im Kampf um den Chefsessel gegeneinander antreten.

Die Sozialdemokraten haben intensiv gerungen, um zu diesem Ergebnis zu gelangen. Für zwei Stunden war die Sitzung des Präsidiums, des höchsten Entscheidungsgremiums der SPÖ, am Dienstag angesetzt – gedauert hat sie mehr als doppelt so lange. Einmal mehr sind die Kontrahenten hart aufeinandergeprallt.

Andreas Babler
Zielsicher auf dem Weg zur Präsidiumssitzung der SPÖ: Babler ließ sich von seinen Ambitionen nicht abbringen.
Heribert Corn

Das erste Wort zum turbulenten Tag aber gehörte der scheidenden Parteichefin. Pamela Rendi-Wagner fiel der Auftritt sichtlich nicht leicht, doch sie hielt Wort. Mit Bitterkeit in der Stimme kündigte sie an, sich von ihren Führungspositionen in Partei und Klub zurückzuziehen. Niederlage bleibe Niederlage, und falle sie noch so "arschknapp" aus.

So waren es nur noch zwei. Der eine, Doskozil, hat die zur Klärung der Führungsfrage ausgerufene Mitgliederabstimmung mit 33,7 Prozent der Stimmen gewonnen. Daraus leitet er den Anspruch ab, beim für die Kür formell zuständigen Parteitag gewählt zu werden – ohne lästigen Herausforderer. Denn so war es im März, als die roten Wortführer das Basisvotum beschlossen, eigentlich auch gedacht.

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DER STANDARD

Viel Unterstützung für Babler

Doch der Zweite, Babler, war bei der damaligen Vereinbarung nicht dabei. Er stützt sich auf 31,5 Prozent der Mitgliederstimmen und pocht darauf, dass ein neuer SPÖ-Chef nicht bloß eine knappe relative Mehrheit, sondern ein eindeutiges Votum brauche. Der Niederösterreicher kämpfte deshalb für eine zweite Runde der Mitgliederbefragung in Form einer Stichwahl. So wie sie etwa auch bei der Bundespräsidentenwahl vorgesehen ist.

Babler blieb mit diesem Wunsch nicht allein. Nicht nur wenig gewichtige Akteure wie die Sozialistische Jugend und die Vorarlberger SPÖ schlossen sich an, sondern auch die schon viel bedeutendere Wiener Landespartei – was nicht einer gewissen Pikanterie entbehrt. Denn als es noch um die Rettung ihrer Favoritin Rendi-Wagner ging, waren die Wiener gegen einen Mitgliederentscheid und für den formellen Weg via Parteitag eingetreten. Doch Parteichef Michael Ludwig ist eben mit Doskozil über Kreuz – und kann auch nicht ignorieren, dass viele Wiener offenbar Babler gewählt haben.

Doskozil ist der Widerstand nicht entgangen. Wie DER STANDARD erfuhr, hat der SPÖ-Chef in spe bereits am Dienstagmorgen in Telefonaten mit Parteikollegen signalisiert: Wenn er im Präsidium keine halbwegs stabile Mehrheit hinter sich habe, werde er seine Kandidatur zurückziehen.

Im um 10 Uhr zusammengetretenen Präsidium kam es dann genauso wie von ihm befürchtet. Die Wiener Vertreter wollten das Resultat der Mitgliederbefragung nicht als Vorentscheidung akzeptieren. Sie sprachen sich für eine Mitgliederstichwahl aus oder – als Alternative – für eine doppelte Empfehlung für den Parteitag: Nicht nur Doskozil, sondern auch Babler sollten offiziell nominiert werden.

Der burgenländische Landeshauptmann habe mit seiner Rückzugsankündigung daraufhin Ernst gemacht. Geklungen habe dies aber nicht wie eine erpresserische Drohung, erzählen Genossen, sondern eher wie ein Angebot, das unerfreuliche Tatsachen anerkennt: Bringe er die für die Partei so wichtige Einigung nicht zusammen, habe Doskozil argumentiert, dann sei er wohl der Falsche. Wenn Babler dazu besser in der Lage sei, solle er die SPÖ künftig anführen.

Erst die Überzeugungskraft seiner Befürworter in den Landesparteien plus der Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser sollen ihn von diesem Schritt abgebracht haben: Doskozil hat daraufhin akzeptiert, sich am Parteitag einer Kampfabstimmung zu stellen.

Doch dass es dazu kommt, darauf konnte sich das Präsidium wegen des Widerstands der Wiener nicht einigen. Zum Zug kam deshalb der deutlich größere Parteivorstand, der sich erst am späten Nachmittag zu einem Beschluss durchrang. Die Abstimmung für die Entscheidung am Parteitag und gegen eine Stichbefragung der Mitglieder fiel – man kann es wieder nicht anders sagen – abermals arschknapp aus: 25 Genossinnen und Genossen waren für den nun fixierten Plan, 22 dagegen. Zu letzterer Gruppe zählen neben den Wienern die Repräsentantinnen und Repräsentanten von Gewerkschaft und Frauenorganisationen sowie einzelne andere Vorstandsmitglieder.

Eine singuläre Empfehlung für Doskozil als Gewinner der Mitgliederbefragung wird es offenbar nicht geben. Diese hätte aber ohnehin eher nur symbolische Bedeutung, und Babler bereitete sich auf die Möglichkeit eines Parteitags vorsorglich vor. Wie eine Sprecherin wissen ließ, hat er seine Kandidatur längst eingereicht. An formellen Voraussetzungen wird es also nicht scheitern.

Schwieriger Kompromiss

Die Ideallösung wäre in den Augen vieler Genossinnen und Genossen freilich eine andere gewesen. Demnach hätten sich die Kontrahenten zusammenraufen sollen: Doskozil wird Chef, Babler vielleicht Klubobmann – mit der Option, in einer etwaigen Regierung zum Sozialminister aufzusteigen.

So weit die Theorie. Doch die Praxis ist für beide komplizierter. Wenn man sich im Lager Doskozils umhört, wird der Burgenländer wohl nicht drum herumkommen, Babler in sein Team zu integrieren. Völlig aus der Luft gegriffen erscheint das auch nicht. In Doskozils Team beobachtet man mit Respekt, was der Konkurrent da in den vergangenen Wochen auf die Beine gestellt hat. Aber Einflüsterer raten dem Landeshauptmann dennoch, Babler neben sich nicht zu groß werden zu lassen. Immerhin hege dieser ebenfalls Ambitionen, in der Partei noch mehr zu erreichen.

Babler wiederum steht nicht nur unter Druck jener Parteigranden, die ihn zum Einlenken überreden wollen, sondern auch seiner begeisterten Anhängerschaft im Wort. Für so manchen ist Doskozil als angeblicher Rechtsausleger ein rotes Tuch. Da muss Babler unter allen Umständen den Eindruck vermeiden, er habe sich für einen Posten einkaufen lassen. Entsprechend forsch wies er derartige Gedankenspiele erst einmal zurück: Das Auspackeln von Funktionen in Hinterzimmern müsse ein Ende haben. (Gerald John, Jan Michael Marchart, 23.5.2023)