Blitz
Blitze gab es auch auf der jungen Erde. Sie haben in der CO2-Atmosphäre Stickoxide erzeugt.
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Stickstoff macht heute einen Großteil der Atmosphäre der Erde aus. Dass wir ihn kaum wahrnehmen, liegt an seiner chemischen Stabilität: Reiner Stickstoff, N2, kann nur von wenigen Lebewesen verwertet werden, die etwa in der Landwirtschaft eine wichtige Rolle spielen.

Auch in der Frühzeit der Erde lag Stickstoff vorwiegend in dieser Form vor. Für die Entstehung des Lebens war das ein Hindernis, denn Stickstoff ist für das Leben in seiner bekannten Form essenziell.

Damit Leben auf Planeten wie der Erde entstehen kann, braucht es also Prozesse, die N2-Moleküle umwandeln können. Eine in der Vergangenheit diskutierte Möglichkeit sind Blitze. Sie liefern genügend Energie, um die Moleküle von Stickstoff und anderen Gasen in der Atmosphäre aufzuspalten, sodass sie sich zu komplexeren Verbindungen zusammenfügen können.

Nun untersuchte ein internationales Team von Forschenden des Instituts für Weltraumforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und des schottischen St. Andrews Centre for Exoplanet Science, wie Blitze in der frühen Atmosphäre Stickstoffverbindungen erzeugt haben könnten. Die Ergebnisse wurden in einer Studie im Fachjournal "Nature Geoscience" veröffentlich.

Blitze im Labor

Die Idee bestand darin, die Bedingungen der frühen Erde im Labor nachzustellen. Dazu füllten die Teams Glaskolben mit verschiedenen Gasgemischen und erzeugten zwischen zwei Elektroden Blitze mit etwa 50.000 Volt. Zugleich wurden Veränderungen in den Gasen überwacht, wobei man besonderes Augenmerk auf die Verbindungen Stickoxide, Nitrit und Nitrat legte.

Experiment
Der experimentelle Aufbau, der Blitze auf der frühen Erde simulierte.
ÖAW/IWF

Es stellte sich heraus, dass Blitze tatsächlich die für Leben wichtigen Verbindungen erzeugen. "Unsere Ergebnisse zeigen, dass Blitze Stickoxide effizient in der CO2-reichen Atmosphäre der frühen Erde erzeugen können. Diese sind eine mögliche Nährstoffquelle für Leben auf der frühen Erde und auf Planeten außerhalb unseres Sonnensystems", sagt Erstautor Patrick Barth, der Doktorand an den beiden beteiligten Instituten ist.

Allerdings sprechen nicht alle Ergebnisse dafür, dass Blitze auf der frühen Erde tatsächlich die Lieferanten für Stickstoffverbindungen waren. In Gesteinsproben aus der Frühzeit der Erde findet man Stickstoffverbindungen, die eine andere Charakteristik aufweisen als die im Labor hergestellten. Konkret geht es um den Anteil an Isotopen, also chemischen Elementen, die sich nur in der Zahl der Neutronen im Atomkern von den bekannten Elementen unterscheiden. Das vielleicht bekannteste Isotop ist eine Variante des Kohlenstoffs, 14C (besser bekannt als C14), die in ihren chemischen Eigenschaften identisch zum gewöhnlichen Kohlenstoff ist, aber radioaktiv ist und wegen ihrer langen Halbwertszeit zur Datierung verwendet wird.

In diesem Fall liefern die in den Stickstoffverbindungen enthaltenen Isotope eine Art Fingerabdruck, der Rückschlüsse auf ihre Herkunft erlaubt. Und offenbar können Blitze nicht die alleinige Quelle sein.

Stickstoffverbindungen aus Blitzen in Grönland

Doch an manchen Fundstätten findet man die gesuchte Isotopenzusammensetzung. "Es gibt Gesteinsproben aus dem Isua-Grünsteingürtel in Grönland, deren Isotopenzusammensetzung teilweise durch Blitze erklärt werden kann", sagt Co-Autorin Eva Stüeken von der Universität St. Andrews. Blitze könnten frühe Lebewesen mit dem Bereitstellen von Stickstoffverbindungen zumindest unterstützt haben.

Die nun veröffentlichten Ergebnisse werfen auch ein neues Licht auf Stickstoffverbindungen, die bei Marsmissionen gefunden wurden und deren Herkunft bisher unklar ist. "Mithilfe dieser Ergebnisse könnte auch der Ursprung von Nitratproben auf dem Mars erklärt werden", sagt Barth.

Ein Standbild aus dem Video "Electric Atmospheres", das von Atmosphärenforschung inspiriert wurde. Die Aufnahmen entstanden im Nikola-Tesla-Labor der TU Graz.
Universalmuseum Joanneum/J. J. Kucek

Atmosphärenforschung und Kunst

Die aktuellen Forschungen zu Planetenatmosphären des Instituts für Weltraumforschung faszinieren nicht nur Naturwissenschafts- und Weltraumbegeisterte, sondern dienten kürzlich auch als Inspiration für Kunstprojekte. Das Institut beteiligte sich am mobilen Pavillon der diesjährigen Steiermark-Schau, die den Themen Kunst, Klima und Weltraumforschung gewidmet war. Studienautor Patrick Barth war mit einem Beitrag vertreten, während der Künstler Markus Jeschaunig sich zu einem Video inspirieren ließ. "Ein Ziel des mobilen Pavillons, der für Besucher frei zugänglich ist, ist, die außerordentliche Besonderheit der Erdatmosphäre im astronomischen Kontext zu reflektieren", sagt dazu Christiane Helling, die Leiterin des Weltraumforschungsinstituts. (Reinhard Kleindl, 24.5.2023)