Fotos von uniformierten Nazis mit NS-Symbolen im Kaminzimmer, Erzählungen über einen "alten Nazi", der heimlich auf dem Dachboden lebe und sich so der Strafverfolgung entziehe, sowie ein Buch mit Hakenkreuz auf dem Einband: So schilderte eine Frau ihre Erlebnisse bei der Burschenschaft Albia, die sie mit dem FPÖ-Politiker Udo Guggenbichler besucht habe.

Ihre Aussagen bei der Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienste (DSN), die dem STANDARD vorliegen, haben nun zu einer Hausdurchsuchung bei der Burschenschaft geführt. Gegen Guggenbichler wurde ein Verfahren wegen des Verdachts auf Wiederbetätigung eingeleitet. Das bestätigt die Staatsanwaltschaft Wien auf STANDARD-Anfrage. Außerdem werde noch gegen eine weitere Person sowie unbekannte Täter ermittelt. 

Die Frau, die Guggenbichler angezeigt hat, erzählt, sie habe den FPÖ-Politiker zufällig kennengelernt, und es habe sich eine Freundschaft entwickelt. Er habe ihr gegenüber immer wieder Kritik an der Corona-Politik der FPÖ geäußert, was sie heute als Masche sehe, und er habe versprochen, keine rassistischen oder hetzerischen Äußerungen mehr zu tätigen, solange er mit ihr befreundet sei.

"Sicher auch was Verbotenes dabei"

Mehrere Mal habe er sich mit ihr in der Albia getroffen, dort habe er sich als "Hausherr" vorgestellt, auch wenn er keine offiziellen Funktionen bei der Burschenschaft habe. Bei einem der Besuche habe Guggenbichler der Frau Liederbücher gezeigt und gemeint, da sei "sicher auch was Verbotenes dabei", allerdings wolle die Bücher in Österreich niemand begutachten. Guggenbichler habe ihr auch erzählt, dass in der Burschenschaft geflüchtete Ukrainerinnen leben würden. "Ich bin mir nicht sicher, was mit diesen Frauen passiert" und ob sie ausgenützt würden, gab die Frau gegenüber den Ermittlern an.

Sie soll nach dem Einbringen ihrer Anzeige wiederum von Guggenbichler angezeigt worden sein, nämlich wegen Stalkings. Das weist die Frau strikt von sich, die Ermittlungen dazu wurden eingestellt. Die entsprechende Einstellungsbegründung liegt dem STANDARD vor.

Darüber hinaus wird Guggenbichler in dieser Sache auch von der Ex-Abgeordneten Martha Bißmann belastet, die mit der Anzeigerin befreundet ist. Ihre Aussage bei der DSN liegt dem STANDARD ebenfalls vor. Bißmann, die zuletzt wilde Abgeordnete und zuvor bei der Liste Pilz engagiert war, gab an, Guggenbichler im Rahmen einer TV-Konfrontation kennengelernt und daraufhin losen Kontakt zu ihm gepflegt zu haben.

Frühere Abgeordnete belastet Guggenbichler

Auch Bißmann schilderte, sich mit Guggenbichler zweimal in den Räumlichkeiten der Burschenschaft getroffen zu haben. "Er hat gemeint, ich kann mir das einmal anschauen." Und auch sie habe dort Fotos gesehen, auf denen Männer Jacken mit Hakenkreuzen trugen. Guggenbichler habe ihr außerdem erzählt, dass auf dem Dachboden des Hauses ein alter Mann wohnen würde, der ein ehemaliger SS-Funktionär sei. "Auf meine Frage, ob sich der Mann auf dem Dachboden dem Gesetz entzieht oder versteckt, kam keine Antwort."

Guggenbichler soll ihr auch erzählt haben, dass NS-Liederbücher "oder ähnliche Gegenstände, welche definitiv heute nicht mehr besessen werden dürfen und vom Verbotsgesetz verboten sind, als 'Geschichtsdokumentation' aufbewahrt werden". Und: "Für ihn sei der Besitz kein Verbrechen", schließlich könne "man die Geschichte ja nicht auslöschen".

Guggenbichler, der auch Vorsitzender des Österreichischen Pennälerrings (ÖPR) ist, ließ eine detaillierte Anfrage des STANDARD von seinem Anwalt Sascha Flatz beantworten. Die Ermittlungen würden sich "als haltlos herausstellen", sein Mandant habe "überhaupt kein strafbares Verhalten gesetzt", sagte dieser. Die Anschuldigungen seien frei erfunden, von der Anzeigerin habe es "ein massives Fehlverhalten gegeben", so der Anwalt mit Blick auf die Stalking-Ermittlungen, die "im Zweifel eingestellt" worden seien. 

Zu den einzelnen Vorwürfen gab Flatz an, dass es in den Räumlichkeiten der Albia keine Liederbücher gebe, die Verbotenes enthielten – so "dumm ist nach den bekannt gewordenen Liederbuch-Affären" niemand mehr. Auch Bücher mit Hakenkreuz auf dem Cover gebe es bei der Albia nicht, so etwas sei bei der Hausdurchsuchung auch nicht gefunden worden. Weder wohnten Ukrainerinnen noch ein hundertjähriger Kriegsverbrecher dort, es gebe auch keine Fotos, sagte Flatz. 

Es handle sich um Guggenbichlers persönlichen Lebensbereich, nicht um sein politisches Wirken, weshalb auch keine Aufhebung der Immunität beantragt worden sei, sagte Flatz. Auch die Staatsanwaltschaft bestätigt, dass keine Aufhebung der Immunität nötig sei, weil es keinen Zusammenhang zu Guggenbichlers politischem Wirken gebe. Ein Antrag auf Aufhebung der Immunität an den Wiener Landtag ist somit nur nötig, wenn etwa eine Hausdurchsuchung bei dem Politiker durchgeführt werden müsste - das war nicht der Fall. 

Udo Guggenbichler
Der FPÖ-Politiker steht dem Österreichischen Pennälerring (ÖPR) vor
APA/FOTO SULZER

Organisator des Akademikerballs 

Guggenbichler gilt als zentrale Figur der Burschenschafterszene. Seit 2012 ist er Obmann des Akademikerball-Ballausschusses, also de facto Organisator des umstrittenen Wiener Balls. Dieser gilt als Vernetzungstreffen der internationalen Nationalen und fiel immer wieder durch rechtsextreme Teilnehmer auf.

Schon seit 2002 sitzt Guggenbichler dem Österreichischen Pennälerring vor, also der Dachorganisation der schlagenden Schülerverbindungen. Dieser bekommt jährlich staatliche Förderungen, obwohl namhafte Verfassungsjuristen deren Rechtmäßigkeit angezweifelt hatten.

Guggenbichler ist außerdem einer der erfahrensten Abgeordneten in der Wiener Landesorganisation, die nach Ibiza- und Spesenskandal bei den Gemeinderatswahlen 2019 eine herbe Wahlniederlage kassierte. Der geschrumpfte Landtagsklub ist aber weiterhin Burschenschafter-affin, und auch Parteichef Dominik Nepp ist Schlagender (Aldania Wien).

Konsequenzen gefordert

SPÖ und Grüne fordern Konsequenzen für Guggenbichler, wenn sich die Vorwürfe bestätigen bzw. erhärten. "Einerseits muss Guggenbichler sofort zurücktreten, wenn sich die schweren Vorwürfe auch nur ansatzweise erhärten sollten", meinten die Grüne Jugendsprecherin Barbara Neßler und die Grüne Wiener Gemeinderätin Viktoria Spielmann. "Andererseits müssen die Förderungen für den Österreichischen Pennäler Ring, deren Vorsitzender Guggenbichler ist, geprüft und ehestmöglich eingestellt werden."

Kritik kam auch von der ÖVP: "Die FPÖ zeigt wieder ihr radikales Gesicht", so Abgeordneter Martin Engelberg. Auch wenn Guggenbichler die Vorwürfe bestreite und die Unschuldsvermutung gelte, sei es "dennoch auffällig, dass solche Vorwürfe fast ausschließlich gegen Politiker einer Partei auftauchen: Nämlich gegen die der Kickl-FPÖ." (Sandra Schieder, Fabian Schmid, Mitarbeit: Oliver Das Gupta, 24.5.2023)