Fahrrad und Handy
Obgleich es umgangssprachlich Handy genannt wird – auch während einer Radfahrt darf man laut Gesetz mit dem Mobiltelefon nicht hantieren, wie ein 71-Jähriger feststellen musste.
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Wien – Manche Menschen schreiben ja alten weißen Männern pauschal zu, hyperdominant, sexistisch und generell ziemlich asozial zu sein. Andere wiederum gehen davon aus, dass Personen im höheren Lebensalter ruhiger und weiser werden. Zumindest Zweiteres traf am Tattag im vergangenen Herbst nicht auf den angeklagten Herrn K. zu, der mit einer Anklage wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt und versuchter schwerer Körperverletzung vor Richter Stefan Erdei sitzt. Der unbescholtene Mindestpensionist war damals von einer Polizeistreife beobachtet worden, als er während einer Radfahrt widerrechtlich mit seinem Mobiltelefon hantierte. Die darauffolgende Amtshandlung artete etwas aus.

Sie und ihr Kollege hätten den Akademiker damals gegen 17.45 Uhr angehalten, erinnert sich am zweiten Verhandlungstag die beteiligte Beamtin. "Der Herr hatte seinen Namen vergessen und wollte uns auch die Adresse nicht sagen", erzählt sie. Nachdem ihm die Streife erklärt hatte, dass er dann verpflichtet sei, mit auf die Polizeiinspektion zu kommen, habe er darum gebeten, sein Rad abstellen zu dürfen.

Polizistin konnte ausweichen

"Er hat es geschoben, ich bin rechts davon gegangen. Plötzlich wollte er aufspringen und davonfahren. Ich habe dann das Rad gehalten, um das zu verhindern, und er hat einen Faustschlag in Richtung meiner Schulter gemacht, dem ich aber ausweichen konnte", schildert die 27-jährige Inspektorin weiter. Anschließend sei K. festgenommen worden. 

Auf Nachfrage des Richters schildert der Angeklagte die Szene etwas anders. Zwar hat er schon beim Prozessauftakt Verantwortung übernommen und zugegeben, dass sein Verhalten damals nicht "schlau" gewesen sei. Aber den Versuch der Körperverletzung will er nicht auf sich sitzen lassen. "In meiner Erinnerung bin ich alleine mit dem Rad gegangen, um es abzustellen. Dann habe ich den Fehler gemacht, aufzusteigen und wegfahren zu wollen. Dann ist die Beamtin mich von hinten angesprungen und hat mich umgerissen", behauptet er zunächst. Eine etwaige Berührung der Beamtin seinerseits könne, falls überhaupt, nur unabsichtlich gewesen sein. "Es wäre aber sehr ungewöhnlich, wenn Polizisten hinter Ihnen gehen, wenn sie Sie eskortieren", merkt Erdei an. 

Verteidiger bittet um Auszeit

Auch der von einer jungen Mitarbeiterin begleitete Verteidiger Ernst Schillhammer hegt ganz offensichtlich leise Zweifel an der Darstellung seines Mandanten. "Herr Rat, dürfen wir uns eine Minute vor dem Saal unterhalten?", bittet er den Richter um eine kurze Auszeit. Deren Resultat: Nach der Rückkehr will K. nicht mehr kategorisch ausschließen, eine Bewegung in Richtung der Beamtin gemacht zu haben, er übernimmt auf jeden Fall die Verantwortung.

Das ist die Voraussetzung, um einer Verurteilung zu entgehen. "Da Sie ja keine Vorstrafen haben – und das heißt etwas in Ihrem Alter, wenn Sie verzeihen –, denke ich in Ihrem Fall an eine Diversion", erklärt der Richter dem 71-Jährigen. Erdei schwebt eine Geldbuße in Höhe von 90 Tagessätzen à zehn Euro vor, dazu kommen noch 100 Euro Verfahrenskosten. "Der Unterschied zwischen einer Geldbuße und einer Geldstrafe ist, dass Sie nicht vorbestraft sind", führt der Richter noch aus. "Ist es auch möglich, das in Raten zu zahlen?", will K. wissen. Nachdem Erdei ihm bestätigt hat, dass es diese Möglichkeit gibt, stimmt der Angeklagte der vorläufigen Einstellung des Verfahrens zu. Auch der Staatsanwalt hat keinen grundsätzlichen Einwand, gibt aber vorerst keine Erklärung ab. "Gut, Herr Magister, ich geh einmal davon aus, wir sehen uns hier nicht wieder. Zumindest nicht in dieser Konstellation!", verabschiedet sich der Richter fröhlich. (Michael Möseneder, 25.5.2023)