Italiens rechtsgerichtete Regierung unter Giorgia Meloni hat im Senat in Rom eine Vertrauensabstimmung im Zusammenhang mit einem Dekret gewonnen, das zur Errichtung einer Brücke zwischen Festlanditalien und der Insel Sizilien führen soll. Das Planungs- und Durchführungsunternehmen Stretto di Messina S.p.A. soll mit der Wiederaufnahme der Planungsarbeiten für den Bau der seit Jahrzehnten angestrebten Hängebrücke beauftragt werden.

Infrastrukturminister Matteo Salvini träumt von der Brücke nach Sizilien.
Infrastrukturminister Matteo Salvini träumt von der Brücke nach Sizilien.
EPA/ANGELO CARCONI

Die Abgeordnetenkammer, die größere Kammer im italienischen Parlament, hatte bereits vor zwei Wochen grünes Licht gegeben. Die Brücke soll 3.666 Meter lang und 60 Meter breit werden und Anfang der 2030er-Jahre fertiggestellt sein. Das Projekt ist nicht nur aus technischen Gründen äußerst ambitioniert: Die Gesamtkosten für den Bau sollen über 13 Milliarden Euro betragen, über die Brücke sollen bis zu 6.000 Autos pro Stunde rollen können, rund 200 Zugverbindungen täglich wären ebenfalls machbar, sagte Verkehrsstaatssekretär Edoardo Rixi. Die Baustelle und die Instandhaltung der Brücke könnten bis zu 100.000 Jobs schaffen, rechnete Infrastrukturminister Matteo Salvini vor – Kritiker halten diese Zahlen für zu hoch gegriffen.

Der Ponte sullo Stretto ist in jeder Hinsicht ein Superlativ. Mit einer Spannweite von 3,3 Kilometern zwischen zwei fast 400 Meter hohen Pfeilern wäre er zwischen Canitello auf der kalabrischen Festlandseite und Torre Faro auf Sizilien die längste Hängebrücke der Welt – dreimal länger als die Golden Gate Bridge in San Francisco und mehr als einen Kilometer länger als die aktuell längste Hängebrücke, die erst im März 2022 eingeweihte Çanakkale-1915-Brücke in der Türkei mit ihrer Spannweite von 2.023 Metern. Die Tragseile hätten eine Länge von 5,3 Kilometern. Die Fahrbahn befände sich in einer Höhe von 70 Metern, damit auch noch die größten Schiffe passieren könnten. Eine – sehr ähnliche – Planungsvariante beträfe die Strecke zwischen Catona und Messina.

Historisch aufgeladen

In Italien bemüht man gern die Legende, dass schon die Römer im dritten Jahrhundert vor Christus zwischen Reggio Calabria und Messina einen schwimmenden Steg aus Booten und leeren Fässern gebaut hätten. Beweise gibt es nicht; die starken Strömungen in der Meerenge – die es natürlich auch damals schon gab – sprechen dagegen, dass es sie je gegeben hat.

Im 19. Jahrhundert träumte dann der Vorkämpfer der italienischen Vereinigung, Giuseppe Garibaldi, von einer Brücke an dieser Stelle. Dann kam das verheerende Erdbeben von 1908, das bis zu 120.000 Menschen das Leben kostete. Wegen der Erdbebengefahr war der Brückentraum für ein halbes Jahrhundert erst einmal ausgeträumt. Auch Diktator Benito Mussolini wurde nachgesagt, sich mit einer solchen Brücke ein Denkmal setzen zu wollen.

Zwei Planungsvarianten der Ponte.
Zwei Planungsvarianten der Ponte.
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Doch in den 1960er-Jahren wurden Machbarkeitsstudien in Auftrag gegeben, 1981 erfolgte die Gründung der Betreibergesellschaft Stretto di Messina S.p.A. (auch damals), und 2005 verkündete Premier Silvio Berlusconi den Baubeginn für 2010. Der Spezialist für ebenso bombastische wie leere Versprechungen legte ein "definitives Bauprojekt" mit Kosten von damals 6,1 Milliarden Euro vor. 2009 lud Berlusconi die Medien mit großem Tamtam nach Canitello ein, für einen ersten Spatenstich – auf den aber de facto nie etwas folgte.

Neustart nach zehn Jahren

2013 stoppte Berlusconis Nachfolger, der parteilose Wirtschaftsfachmann Mario Monti, das Projekt: zu teuer für das schwer verschuldete Italien, technisch zu kompliziert und angesichts der geringen Zeitersparnis für den Verkehr auch nicht wirklich vordringlich. Monti löste die Betreibergesellschaft kurzerhand auf.

Doch nun hat Meloni innerhalb weniger Monate nach ihrem Amtsantritt im vergangenen Herbst alle Hebel in Bewegung gesetzt, um dieses Megaprojekt doch durchzuziehen. Italien soll im Rahmen des EU-Wiederaufbaufonds von Brüssel 191 Milliarden Euro erhalten – die 13 Milliarden Euro für die Brücke gehen sich also gut aus. Allerdings werfen Kritiker der Regierung vor, das Geld wäre anders viel besser ausgegeben als mit einem unzeitgemäßen Prestigeprojekt. Lieber sollte man das italienische Bahnnetz modernisieren, das wäre wirklich zukunftssicher. (Gianluca Wallisch, Dominik Straub, 25.5.2023)