Julian Rachlin
Elastisch und federnd: Geiger Julian Rachlin.
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Wien – Bevor es am Wochenende auf Asien-Tournee geht, präsentierten sich die Wiener Symphoniker nochmals in der Heimat. Das Programm – Johannes Brahms und Richard Strauss – war wie eine Visitenkarte auf handgeschöpftem Büttenpapier: ebenso populär wie fordernd und dazu angetan, wesentliche Qualitäten des Kollektivs und der einzelnen Musiker und Musikerinnen hervorzustreichen.

Unzweifelhafter Höhepunkt des Ganzen – dramaturgisch nicht gefinkelt, aber wirksam – war das Stück am Schluss, die Suite aus der Oper Der Rosenkavalier. Was von diesem Potpourri tatsächlich von Strauss angerichtet wurde, ist unklar, wohl war der Dirigent Artur Rodzinski 1945 maßgeblich an diesem Best-of in nicht idealer Form beteiligt. Das Stück ist dramaturgisch fragwürdig, aber höchst wirkungsvoll – und wenn es so ernst genommen wird wie vom Dirigenten Ádám Fischer, mit Gewinn zu hören. Wie schon zuvor in der Tondichtung Don Juan sorgte er für jenen Schwung, den schon Adorno als Grundelement von Straussens Musik erkannte. Geradezu luxuriös war die Brillanz des Orchesters, in Hochform zeigten sich vor allem die Bläser (Hörner!). Elastisch und federnd, von feiner Agogik, der hohen Kunst der Mikro-Zeitgestaltung: So war auch ein typischer Moment im Violinkonzert von Brahms mit Julian Rachlin eine scheinbare Kleinigkeit, ein Alzerl, das nicht in den Noten steht.

Stillstand im Sprung

Der Solist brachte im Thema des dritten Satzes die kleine Zäsur genau auf den Punkt, als ob man in der Mitte eines Sprungs stillstehen würde oder beim Tanzen für einen Augenblick schwerelos abheben. Die Genauigkeit, mit der Dirigent und Orchester darauf reagierten, als sie die Stelle wiederholten, war nahezu atemberaubend. Ansonsten wurde hier vom Kollektiv schön, partnerschaftlich und nicht besonders aufregend musiziert, während Rachlin viel Verve und Virtuosität in seinen Part legte. Ganz freigespielt wirkte er dann in der Ballade (Sonate Nr. 3 d-Moll) von Eugène Ysaÿe: mit machtvollem Klang – und doch wie ein intimes, leidenschaftliches Seelenbekenntnis. (daen, 25.5.2023)