Menstrual Hygiene Day am 28. Mai
Öffentlich wurde der Menstruationszyklus lange Zeit nur in der Werbung angesprochen, was den Eindruck erweckte, dass es dabei bloß um die Monatsblutung geht. Nach Blut aussehende Flüssigkeiten? Fehlanzeige.
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Manchmal kommen Fortschritte nahezu unbemerkt mit einem Software-Update. Wer die Emojis auf seinem Smartphone durchforstet, findet darunter heute einen kleinen Blutstropfen. Von vielen als Menstruations-Emoji gefeiert, zeigt das Symbol, dass die Menstruation an Aufmerksamkeit gewinnt. Manche Maßnahmen erregen dabei großes Aufsehen wie etwa Spaniens Vorstoß, menstruierenden Personen bei Beschwerden das Recht auf freie Tage einzuräumen.

Ein lange verdrängtes Thema scheint folglich im öffentlichen Diskurs angekommen. Angesichts des nahenden Weltmenstruationstags am 28. Mai – der auch auf menstruelle Bedürfnisse hinweisen soll – ist das eine erfreuliche Entwicklung. Der noch zu gehende Weg ist aber trotzdem lang, wie wissenschaftliche Arbeiten zeigen und Fachleute unterstreichen. Denn die Gefahr, dass der öffentliche Diskurs oberflächlich bleibt und sich politische Ambitionen auf materielle Bedürfnisse und das bloße Management der Regelblutung beschränken, bleibt groß.

"Viele Programme zielen darauf ab, Menstruationsprodukte zugänglich zu machen – und natürlich ist das wichtig", sagt Inga Winkler, Associate Professor am Lehrstuhl für Menschenrechte der Central European University (CEU). Tief sitzende Stigmata rund um die Menstruation bleiben dadurch allerdings bestehen, die strukturellen Ursachen von Diskriminierung und Stigmatisierung unangetastet.

Management der Blutung

In ihrer Forschung beschäftigt sich Winkler mit Fragen der Menstruationsgesundheit und deren menschenrechtlicher Dimension. Sie leitete das Projekt für Menstruationsgesundheit und Geschlechtergerechtigkeit an der Columbia University und berät die UN und das EU-Parlament in Menschenrechts- und Gesundheitsfragen.

Im Sommer 2022 publizierte sie mit Kolleginnen und Kollegen eine Analyse, die Initiativen zur Menstruationshygiene und Gesundheitspolitik in Kenia, Indien, im Senegal und den USA unter die Lupe nahm. Ihre Conclusio: Die Politik schärfe zwar das Bewusstsein für Menstruation, fordere aber gleichzeitig dazu auf, die sichtbaren Zeichen der Menstruation zu verbergen. Bildungsinitiativen fördern meist eher die Kontrolle und das Management der Menstruation als die Selbstbestimmung und Autonomie.

So sei es "der Politik vielleicht gelungen, das Schweigen über die Menstruation zu brechen, aber das Stigma lässt sich nicht so leicht durchbrechen", resümierte das Forschungsteam im Journal "PLOS Global Public Health". Stigmata existieren weltweit in allen Gesellschaften, weiß Winkler, die gleichzeitig zur Vorsicht mahnt. So bestehe das Risiko, gewisse Praktiken und Bräuche in anderen Ländern sensationsheischend darzustellen und weniger Augenmerk auf die eigene Gesellschaft zu richten.

Letztlich ist die Menstruation auch hierzulande stark stigmatisiert. "Viele von uns haben schon einmal ihre Handtasche mit auf die Toilette genommen oder Tampons und Binden in den Ärmel gesteckt, um sie zu verstecken", gibt sie ein Beispiel, das zeigt, wie stark Menstruationsstigma internalisiert sind.

Fest verankerte Tabus

Chancen auf Verbesserung sehen Forschende besonders in der Art und Weise, wie Menstruation dargestellt und verhandelt wird. "Betrachtet man das Thema als Recht auf eine würdevolle, gesunde und sichere Menstruation, wird es von einem negativen Problem, das es zu lösen gilt, zu einem positiven Grundsatz", heißt es etwa in einer Studie aus dem Jahr 2019.

Um die Menstruationsgesundheit zu verbessern, ortet Winkler zwei zentrale Forschungsrichtungen, die in den Fokus wandern müssen, um die Thematik in all ihren Facetten zu erfassen. Einerseits gelte es, die Auswirkungen von Stigmatisierung verstärkt in den Blick zu nehmen. "Wir müssen diese unsichtbaren Prozesse besser verstehen, um dann etwas verändern zu können", begründet die Forscherin.

Andererseits müsse stärker untersucht werden, wie Stigmatisierung mit anderen Formen der Marginalisierung, etwa von Trans- und nonbinären Menschen, überlappt. Bislang liege der Schwerpunkt der Forschung sehr stark auf der "typischen Frau". "Damit lassen wir die Erfahrungen anderer außer Acht und verstehen dann deren Bedürfnisse nicht", erläutert Winkler. (Marlene Erhart, 28.5.2023)