In ihrem Gastblog erzählt Sylvia Thürschweller von Gewalt in österreichischen Kindertagesstätten und analysiert, wie dagegen vorgegangen werden kann.

Kleinkinder, die im Winter draußen nackt mit einem kalten Wasserschlauch abgespritzt, in eine Abstellkammer eingesperrt oder mit Klebeband am Sessel fixiert werden: Das sind traurige Schlagzeilen in der österreichischen Presse. Als Elementarpädagogin habe ich selbst miterlebt, wie Kleinkinder Opfer von Gewalt und unprofessionellem Verhalten werden. Leider sind Fälle, in denen Erwachsene Kleinkinder beleidigen und denunzieren, keine Seltenheit. Ich habe selbst beobachtet, wie Krippenkinder vor meinen Augen als dumm und hohl im Kopf bezeichnet wurden. Diese Art der Herabwürdigung stellt zweifellos eine Form von Gewalt dar. Solche Vorfälle sind bedauerlicherweise im Alltag von Kindergärten weitverbreitet und reichen von grobem Anpacken und Herumzerren bis hin zu verbalen Erniedrigungen und Zwang.

Kinderjacken hängen auf einer Garderobenleiste im Kindergarten.
Um gegen Gewalt in der Krippe vorzugehen, sind Reformmaßnahmen dringend notwendig.
Foto: Getty Images

Ein zentrales Problem liegt in der psychischen Gewalt, die in Krippen auftreten kann. Als Form der Bestrafung werden Kinder beispielsweise in die Garderobe gesetzt oder alleine in einen Nebenraum geschickt. Eine gängige Praktik ist das "Strafe sitzen", das immer noch häufig angewendet wird. Besonders oft habe ich beobachtet, wie Kinder gegen ihren Willen gezwungen wurden, auf einem Stuhl sitzen zu bleiben oder ein bestimmtes Spiel zu spielen. In einer Krippe mit schwierigen und verhaltensauffälligen Kindern, in der eine individuelle Betreuung eigentlich notwendig gewesen wäre, blieb auch mir oft keine andere Wahl, als jedem Kind nacheinander einen Platz zuzuweisen und ein Spiel zu geben, um ein absolutes Chaos zu vermeiden.

Es ist bedauerlich, dass solche Maßnahmen in der pädagogischen Praxis immer noch verbreitet sind. Es ist wichtig, Alternativen zu finden, die auf respektvolle und unterstützende Weise das Verhalten der Kinder lenken, anstatt auf Strafe und Isolation zu setzen.

Vorfall ohne Konsequenzen

Bereits während meiner Ausbildung habe ich Gewalt gegen Kinder erlebt. Ein besonders schockierendes Ereignis passierte während meiner Zeit als angehende Pädagogin. Die Kinder sollten sich in der Kindergartengarderobe für den Garten anziehen. Einige Jungen waren bereits fertig und zappelten fröhlich auf einer kleinen Bank vor den Garderobenschränken herum. Sie schubsten sich spielerisch mit dem Gesäß, während die Stimmung ausgelassen und harmlos war. Plötzlich störte sich die Pädagogin an ihrem Verhalten und holte die zwei Jungen zu sich. Sie stellte sich zwischen sie und stieß sie mit Schwung und ihrem eigenen Gesäß nach rechts und links. Weder die Kinder noch ich hatten damit gerechnet. Das linke Kind stürzte in meine Richtung, aber ich konnte es gerade noch auffangen. Das rechte Kind prallte gegen eine Kommode. Äußerlich schien es nicht verletzt und weinte auch nicht, aber der Schock war ihm anzusehen.

Ich meldete den Vorfall, jedoch blieben Konsequenzen aus. Damals war mir noch nicht bewusst, wie herausfordernd die Arbeit im Kindergarten sein kann. Dies ist natürlich keine Entschuldigung für das Geschehene oder für Gewalt gegenüber Kindern, aber die Ursachen solcher Probleme liegen tiefer und erfordern eine umfassendere Betrachtung.

Strukturelles Problem

Der Grund für solche Situationen liegt nicht in der Boshaftigkeit oder unzureichenden Ausbildung des Personals, sondern vielmehr im Personalmangel und der überwältigenden Arbeitsbelastung der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Es ist meiner Ansicht nach kontraproduktiv, dieses Thema zu tabuisieren. Die Angst vor arbeitsrechtlichen Konsequenzen und strafrechtlichen Sanktionen ist bei den meisten Beteiligten so groß, dass Fehlverhalten kaum angesprochen oder öffentlich gemacht wird. Das Personal würde es sich in den seltensten Fällen erlauben, gewalttätige Übergriffe seitens der Leitung zu thematisieren, da sie dann ihren Job verlieren könnten. Jeder Kindergarten ist darauf bedacht, nach außen hin ein positives Image zu wahren. Zudem würde es nicht zur Lösung des Problems beitragen, mit dem Finger auf andere zu zeigen, sondern die ohnehin schlimme Situation in den Krippen nur weiter verschärfen. Die einzige Lösung besteht meiner Meinung nach in einem angemessenen Betreuungsschlüssel von einer Pädagogin für höchstens zwei bis drei Kinder.

Eltern haben ein großes Interesse daran, dass es ihren Kindern in der Fremdbetreuung gutgeht. Doch viele sind zu gutgläubig, sehen nicht genau hin und können sich solch schockierende Zustände nicht vorstellen. Aus Selbstschutz schönen sie die Realität, was auch vonseiten der Krippen geschieht. Gewalt in der Krippe ist eine Realität, die nicht länger ignoriert werden darf. Es ist an der Zeit, das Bewusstsein für diese Problematik zu schärfen und nachhaltige Lösungen zu finden. Unsere Kinder verdienen eine sichere und liebevolle Betreuung, in der sie sich entwickeln und entfalten können. Es liegt in unserer Verantwortung, dafür zu sorgen, dass unsere Kindertagesstätten Orte des Vertrauens und des Wohlbefindens sind, an denen Gewalt keine Chance hat. (Sylvia Thürschweller, 1.6.2023)