
Wien – Wenn sich der große Saal des Wiener Konzerthauses bis aufs Podium füllt, das Licht gedämmt wird und Ehrfurcht den Raum erfüllt, dann gibt sich Grigory Sokolov die Ehre. Sekunden später eilt der russische Meisterpianist aufs Podium, verbeugt sich kurz und stimmt Henry Purcells Ground in Gamut an, ein Thema mit Variationen in fröhlicher G-Dur, das an eine Chaconne erinnert.
Zwei Bändchen mit Musik für Tasteninstrumente hat der Londoner Komponist hinterlassen; Musik, die Purcell für seine Schüler entworfen hatte, und die eigentlich für Cembalo geschrieben wurde. Sokolov hat daraus 17 Stücke ausgewählt, die er ohne Unterbrechung, dafür mit tänzerischer Eleganz und Leichtigkeit spielt. Auf dem modernen Steinway-Flügel klingen die Suiten und Tänze, die Purcell mit folkloristischen Elementen aus Schottland und England anreicherte, wie aus der Zeit gefallen; bei einem Meister wie Sokolov hingegen kann man gar nicht genug davon bekommen. Das passende Instrument, einen für den Abend perfekt gestimmter Steinway, hatte Sokolov bereits am Montag ausgewählt.
Exquisiter Anschlag
Wunderbar, wie der Russe die einzelnen Stimmen hervorblitzen lässt, dazu die funkelnden Triller und Verzierungen und der exquisite Anschlag – ein Fest. Auch bei Mozarts Klaviersonate in B-Dur KV 333 entpuppte sich Sokolov als genialer Erzähler. Mit welchem Selbstverständnis er Ernsthaftigkeit mit ansteckender Spielfreude und entwaffnender Natürlichkeit verbindet, ist einzigartig. Fabelhaft konzentriert und mit nuanciertestem Anschlag erklingt zum Abschluss Mozarts ergreifendes Adagio h-Moll. Es folgen – wie immer bei Sokolov – sechs Zugaben: nach zwei Mal Rameau, zwei Mal Chopin (u.a. die Regentropfen-Prélude in Des-Dur), einem virtuosen poetischen Prélude B-Dur von Rachmaninoff sowie Bachs Präludium h-Moll gingen im Saal die Lichter an. Stehende Ovationen. (mda, 25.5.2023)