Im Gastblog erklärt Mikrobiologin Jillian Petersen, welchen Effekt eine recht ausgefallene Idee auf unser Klima haben könnte – und was davon wissenschaftlich belegbar ist.

Das Meer enthält fast 50-mal so viel Kohlenstoff wie die Atmosphäre. Wenn auch nur ein Bruchteil dieses Kohlenstoffs in die Atmosphäre entweichen würde, würde sich unser Klima bis zur Unkenntlichkeit verändern. Was mit den kohlenstoffhaltigen Chemikalien im Meer passiert, hat einen enormen Einfluss auf unser Klima. Chemikalien wie CO2 pendeln zwischen Meer und Atmosphäre. Da die Meeresoberfläche 71 Prozent des Planeten bedeckt, findet dieser chemische Austausch jeden Tag in großem Umfang statt. Die durch menschliche Aktivität steigende CO2-Konzentration in der Atmosphäre hat zur Folge, dass immer mehr CO2 in Form von gelöstem Kohlenstoff ins Meer "gedrückt" wird. Auf diese Weise hat das Meer ein Drittel des CO2-Überschusses aufgenommen, den wir bisher in die Atmosphäre gepumpt haben, das entspricht zwölf Milliarden Tonnen. Dieser zusätzlich gelöste Kohlenstoff ist die Grundlage für den derzeit laufenden Prozess der Ozeanversauerung.

Der Kohlenstoff kann so gelöst und gespeichert im Meerwasser bleiben. In sonnigen Oberflächengewässern kann aber ein Teil dieses gelösten Kohlenstoffs von photosynthetischen Primärproduzenten aufgenommen werden. Im Ozean handelt es sich dabei meist um winzige schwimmende einzellige Pflanzen, das sogenannte Phytoplankton.

Phytoplankton im Mikroskop
Phytoplankton im Mikroskop.
Foto: Flora Vincent, EMBL/TARA Oceans

Jeder dieser winzigen Organismen mag für das menschliche Auge unsichtbar sein, wenn sie aber hochaktiv sind, können sie explosionsartig zu einer Phytoplanktonblüte heranwachsen und einen grünen oder weißen "Teppich" auf der Meeresoberfläche bilden, der auf Satellitenaufnahmen sichtbar ist. Was in diesen Phytoplanktonblüten geschieht, ist ein massiver natürlicher Prozess der Kohlenstoffbindung.

Phytoplanktonblüte in der Nordsee
Phytoplanktonblüte in der Nordsee.
Foto: SAT (NASA/Aqua/MODIS)

Die Idee, diese natürlichen Kohlenstoffbindungsmechanismen zu nutzen, um die Chemie der Erdatmosphäre zu verändern und die globale Erwärmung umzudrehen, hat eine lange Geschichte. Es war während eines wissenschaftlichen Vortrags an der Woods Hole Oceanographic Institution im Jahr 1988, als der US-Forscher John Martin von seinem Platz im Publikum aufstand und verkündete: "Gebt mir einen halben Tanker Eisen, und ich gebe euch eine Eiszeit."

Warum eine Eiszeit?

In der Vergangenheit traten Eiszeiten dann auf, wenn die CO2-Konzentration in der Atmosphäre extrem niedrig war, etwa 200 ppm (Teile pro Million; die aktuelle Konzentration kann hier abgerufen werden). John Martin war Meereschemiker, der sich mit der Messung von Spurenelementen im Meerwasser beschäftigte. Es war bereits bekannt, dass weite Teile des Ozeans genügend der wichtigsten Nährstoffe enthielten, die das Phytoplankton (und alle Landpflanzen) zum Wachsen brauchen – nämlich reichlich Stickstoff, Phosphor und Schwefel. Damals war dies ein Paradoxon: Warum sollte dort kein Phytoplankton wachsen, wenn genügend Licht und Nährstoffe vorhanden sind? Martins Hypothese war, dass wichtige Spurenelemente fehlten, insbesondere Eisen, und wenn man genügend Eisen hinzufügte, könnte man seiner Meinung nach die Phytoplanktonblüte künstlich anregen – praktisch die Meere "düngen". Diese Phytoplanktonblüte würde enorme Mengen an Kohlenstoff aus dem Meerwasser binden. Das Meerwasser würde in der Folge mehr CO2 aus der Atmosphäre aufnehmen, und der CO2-Gehalt in der Atmosphäre würde sinken. Martin mag mit seiner Behauptung, er könne eine Eiszeit herbeiführen, einen (Halb-)Scherz gemacht haben, aber theoretisch wäre dies die logische Folge, wenn genügend Phytoplankton genügend CO2 binden könnte.

Als John Martin seine umstrittene Behauptung aufstellte, hatte er keine Beweise dafür. Aufgrund seines frühen Todes im Alter von 58 Jahren erlebte er nicht mehr, dass seine Theorie bestätigt wurde. Was für manche wie das Geschwätz eines Verrückten klang, erwies sich als solide wissenschaftliche Theorie, als das erste Team 1993 aufbrach, nicht mit einem halben Tanker, sondern mit einem mittelgroßen Forschungsschiff, bis zum Rand mit Eisen gefüllt. Ihr Ziel war der östliche Pazifik, eine der größten Ozeanregionen mit hohen Nährstoffkonzentrationen, aber sehr wenig natürlichem Eisen. Sie warfen ihr Eisen dort über Bord und lösten damit die erste absichtliche Phytoplanktonblüte der Geschichte aus. Seitdem wurden zwölf weitere Experimente zur "Eisendüngung des Ozeans" an verschiedenen Orten auf der ganzen Welt durchgeführt. Jedes dieser Experimente führte zu Phytoplanktonwachstum. Martin hatte also recht: Meeresbewohner leiden unter einem weitverbreiteten Eisenmangel. Die Düngung von Schlüsselgebieten mit Eisen führt somit zu einer Phytoplanktonblüte.

Wie durchführbar ist die Überlegung?

Kann die Ozeandüngung ein Teil der Klimalösung sein? Es ist komplex. Ein großes noch ungelöstes Problem ist das Schicksal des biologischen Materials, das durch die Düngung entsteht. Um das Klima zu verändern, muss dieses Material tief genug ins Meer sinken, um über geologische Zeiträume hinweg gespeichert zu werden, ein Prozess, der als biologische Kohlenstoffpumpe bezeichnet wird.

Wie Eisendüngung funktioniert
Der Prozess der Eisendüngung.
Foto: Woods Hole Oceanographic Institution, WHOI Creative

In diesem Punkt waren nicht alle bisherigen Experimente zur künstlichen Eisendüngung gleichermaßen erfolgreich. Nur bei zwei davon konnte ein Absinken in eine Tiefe festgestellt werden, bei der wir davon ausgehen, dass der Kohlenstoff mindestens 1.000 Jahre lang dort verbleibt. Die Wirksamkeit der langfristigen Kohlenstoffspeicherung hängt von einem komplexen Geflecht von Faktoren ab – von den Phytoplanktonarten, die auf die Düngung reagieren, bis hin zu unterschiedlichen Räubern, die sie verzehren.

Über die ökologischen Auswirkungen der Eisendüngung der Meere herrscht noch große Unsicherheit. Wissenschaftliche und industrielle Eisendüngung sind zwar theoretisch streng geregelt, eine Rechtsverbindlichkeit ist aber bis dato noch ausständig. Angesichts der sich verschärfenden Klimakrise könnte das, was einst als verrückte Idee galt, als vernünftige Option erscheinen. Die meisten Expertinnen und Experten sind sich einig: Wir wissen noch nicht genug darüber, wie marine Nahrungsnetze funktionieren, um sichere und wirksame Maßnahmen zu entwickeln. Doch mehr als ein Jahrzehnt nach dem letzten Experiment zur Eisendüngung der Meere im Jahr 2011 könnte das Thema wieder in den Vordergrund rücken. Im Jahr 2022 veröffentlichten die National Academies of the USA einen Bericht, in dem die Risiken, der potenzielle Nutzen und die Wissenslücken bei der Eisendüngung dargelegt wurden. Im selben Jahr startete ein Team internationaler Expertinnen und Experten die Initiative Exploring Ocean Iron Solutions, um Leitlinien zu entwickeln und die Öffentlichkeit in die Diskussion über die künftige Nutzung einzubeziehen. Wenn das nächste goldene Zeitalter der "Eisendüngung der Meere" uns so viel Wissen über die Funktionen und globalen Auswirkungen des Meereslebens bringt wie erhofft, wird dies ein großer Gewinn für künftige Generationen sein, unabhängig davon, ob ein Geoengineering-Projekt daraus entsteht oder nicht. (Jillian Petersen, 31.5.2023)