Immer mehr Dinge wandern in die Cloud. Wo man einst CDs und DVDs sammelte oder MP3s und Filmdateien auf der Festplatte sortierte, greift man nun gegen monatliches Entgelt auf das Angebot von Spotify, Netflix und Co zu. Selbst Videospiele kann man mittlerweile über Dienste wie Geforce Now streamen. Dass man nun auch seinen kompletten PC auslagern kann, ist daher eigentlich nur ein logischer nächster Schritt.

Ein solches Angebot, das einem immerhin die Wartung und Reparatur eigener Hardware erspart, bietet Shadow (vormals Blade). Ab 30 Euro pro Monat erhält man Zugriff auf einen vollwertigen Desktopersatz, der in einem Rechenzentrum des Anbieters läuft. Keine Wartung, kein Lärm und ordentliche Performance wird versprochen. Und Zugriff von fast allen erdenklichen Geräten: PCs, Laptops, Smartphone, Tablet und auch SmartTVs und Oculus-Quest-VR-Brillen. Aber ist ein Cloud-PC schon eine echte Alternative zu einem eigenen Desktoprechner? Wir haben es ausprobiert.

Ausgangslage

Für Privatkunden hat Shadow zwei Angebote parat. Für 30 Euro monatlich erhält man Zugriff auf ein System mit Server-CPU der Intel-Xeon-Reihe, 12 GB RAM, Geforce GTX 1080 mit 8 GB VRAM sowie 256 GB Speicherplatz. Leistungsmäßig ist das als Mittelklasse-Gamingrechner einzustufen. Bei CPU und Grafikeinheit sind andere "gleichwertige" Konfigurationen möglich.

Das "Power Upgrade" kostet 15 Euro mehr und verspricht eine AMD-EPYC-7543P-CPU, Nvidia-RTX-A4500-GPU und 16 GB RAM. Diese Spezifikationen versprechen einen deutlichen Performancesprung. Es handelt sich auch um die hier getestete Variante. Ausprobiert wurde der Dienst über einen PC sowie ein Android-Tablet.

Genutzt wurde eine 300/50-Mbit-Kabelinternet-Verbindung. Der Test-PC war dazu direkt per Ethernetkabel mit dem Modem verbunden, das Android-Tablet hingegen per Mesh-WLAN. Die Latenz von Wien aus (die angibt, wie lange der Hin- und Rückweg eines Datenpakets dauert) lag in der Regel bei 20 bis 25 Millisekunden am PC und zwischen 35 und 50 Millisekunden am Tablet.

Einrichtung

Die Einrichtung ist simpel. Nach der Anmeldung bei Shadow installiert man den Client bzw. die App, über die man den Cloudrechner ansteuert. Dieser benötigt beim ersten Start etwas Zeit für die finale Einrichtung im Rechenzentrum. Kunden in Österreich und Deutschland nutzen jenes in Frankfurt. Das Programm von Shadow kann einen automatischen Verbindungstest vornehmen und optimiert dann die Einstellungen, wobei ab 50 Mbit/s das Maximum erreicht ist.

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Nach dem Start landet man auf einem Windows-10-Desktop, eingerichtet als lokales Konto. Verschiedene Einstellungen, die man üblicherweise während der ersten Einrichtung von Windows trifft, kann man, wenn man möchte, nachholen. Auch die Einrichtung des Systems mit dem eigenen Microsoft-Account ist nachträglich möglich. Deutsch und Englisch waren als Sprachoptionen für System und Eingabe vorinstalliert. Die Bildschirmauflösung wird bei jedem Start an die des Geräts adaptiert, mit dem man sich einloggt. Am Test-PC ist dies 1.440-p-Auflösung (2.560 × 1.440 Pixel), am Tablet 1.920 × 1.200 Pixel.

Ab diesem Punkt lässt sich der Rechner nutzen wie jedes andere Windows-System auch. Der Zugang ist nicht beschränkt, man verfügt über volle Administratorrechte und kann dementsprechend auch beliebige Software installieren. Treiber für die vorhandene Hardware waren vorinstalliert, wobei jene für die Grafikkarte nicht ganz auf dem aktuellsten Stand waren.

Flotte Anbindung, komplizierter Datentransfer

Kein Beinbruch, denn das neue Paket ist in wenigen Sekunden heruntergeladen. Der Cloudrechner nutzt nach außen eine Verbindung mit einer Bandbreite von einem Gigabit pro Sekunde im Downstream und 100 Megabit pro Sekunde im Upstream. Anders ausgedrückt: Sofern der Downloadserver es hergibt, lädt man hier Inhalte mit über 100 Megabyte pro Sekunde aus dem Netz. Das Spiel "Hogwarts Legacy" mit seinen über 40 Gigabyte an Umfang lässt sich so in etwa acht Minuten herunterladen.

Die Geschwindigkeit der privaten Internetverbindung spielt hier keine Rolle. Diese muss nur ausreichen, um das Videosignal zum eigenen Rechner zu transportieren und Eingabekommandos zurückzuschicken. Installationen von Downloadsoftware sind ausschließlich eine Angelegenheit zwischen dem Shadow-Rechenzentrum und den Servern von Steam, Epic, Gog und Co.

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Sehr wohl eine Rolle spielt die eigene Anbindung freilich, wenn man Daten vom eigenen Gerät auf den Cloud-PC übertragen möchte. Auf direktem Wege geht das nämlich derzeit nicht. Man kann im Shadow Client allerdings aktivieren, dass am eigenen Rechner per USB verbundene Geräte erkannt und "durchgeschleift" werden. Dementsprechend lassen sich die zu übertragenden Daten also auf einen USB-Stick oder eine externe Festplatte legen und dann auf dem Onlinerechner einlesen.

Die zweite Variante ist die Verwendung eines Cloudspeichers wie Google Drive, Dropbox oder Onedrive. In beiden Fällen ist dann natürlich die Upload-Bandbreite der eigenen Verbindung der limitierende Faktor für die Übertragung.

Leistung in der Praxis

Bei der Nutzung am PC war die Latenz kaum zu bemerken. Arbeiten lässt sich mit dem Cloudrechner ordentlich, und auch Gaming klappt gut – zumindest abseits von Onlinespielen. "Hogwarts Legacy" lief hier mit aktiviertem Raytracing (mittlere Qualität) und DLSS (Qualität) fast durchgehend mit 60 Frames pro Sekunde, ohne dass dafür am eigenen Rechner die Lüfter von Gehäuse und Grafikkarte hochfahren müssen. Die minimale Eingabeverzögerung war auch in den hektischen Kämpfen des Spiels kein Hindernis. Einzelne Spiele lassen sich allerdings nicht starten, weil sie Secure Boot voraussetzen. Das dürfte hauptsächlich Onlinespiele betreffen, deren Anti-Cheat-Lösung Secure Boot voraussetzt. Nach eigenen Angaben arbeitet Shadow an einer Lösung dafür.

Aufwendigere Tätigkeiten wie Audio- und Videobearbeitung sind ebenfalls kein Problem. Hier kommt allerdings die Einschränkung zu tragen, dass bei Aufnahmen das Eingabegerät am eigenen Rechner umgestellt werden muss. Auch per USB angebundene Audiogeräte werden nicht erkannt.

Ein Testlauf mit der Benchmarksoftware 3DMark (Timespy) bescheinigte dem System ein Ergebnis von rund 9.600 Punkten. Damit wird die Leistungsfähigkeit der Hardware allerdings unter Wert geschlagen, was schlicht an den Besonderheiten der Konfiguration mit Server-Hardware liegen dürfte.

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An die Grenzen des Sinnvollen kommt man aber bei Onlinespielen. Das liegt nicht an der Leistung des Systems, sondern an der Gesamtlatenz. Hier addiert sich zum Übertragungsweg zwischen dem eigenen Gerät und dem Cloud-PC auch noch jener zwischen Rechenzentrum und den Servern des jeweiligen Spiels. Und das führt dazu, dass man die Verzögerung zu spüren beginnt.

Erprobt wurde Multiplayer-Gaming mit "PUBG", "The Cycle: Frontier" und "Age of Wonders 4". Ersterer Titel ist ohnehin für suboptimalen Netcode bekannt, das Spielen über einen Cloudrechner sorgt nicht nur für fühlbare, sondern sichtbare Abweichungen zwischen Eingabe und Umsetzung. Und das trübt trotz hoher Framerate in einem Game, das oft schnelle Reaktion verlangt, den Spielspaß doch sehr.

In "The Cycle" tritt das Phänomen nicht in der gleichen Stärke auf, der "Lag" ist aber dennoch groß genug, um dauerhaft bemerkbar und in Kämpfen ein deutlicher Nachteil zu sein. Verschmerzbar sind die Verzögerungen in langsamen bzw. rundenbasierten Titeln, dementsprechend auch in "Age of Wonders".

Bildqualität

Dass man das System per Video übertragen bekommt, fällt meistens nicht auf. Solange die Bandbreite passt, ist die Videoqualität hoch genug, um nur bei genauem Hinsehen Unterschiede zu sehen. Kurzfristige Verschlechterungen gab es praktisch immer nur unmittelbar nach dem Einloggen oder für wenige Sekunden nach Änderung der Auflösung.

Nicht gar so stabil zeigte sich die Bildqualität bei der Verwendung mit dem Tablet. Hier kam es immer wieder einmal zu kurzfristigen Verschlechterungen. Die individuellen Erfahrungen können hier freilich abweichen, da es letztlich auf die Konfiguration des eigenen WLANs ankommt, wie gut sich das Tablet mit dem Router verträgt und welche Störfaktoren es gibt.

Das Overlay, über das sich verschiedene Infos einsehen und Einstellungen anpassen lassen.
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Das Windows-System lässt sich über die Android-App per Touch und Bildschirmtastatur bedienen. Das reicht für ein paar simple Tätigkeiten aus, wer aber vernünftig arbeiten oder spielen will, muss sich natürlich mit Bluetooth-Keyboards und ähnlichem Zubehör behelfen. Mit Controller und Steams "Big Picture"-Modus lässt sich das Tablet über den Cloudrechner aber bequem zu einer Art Streamingkonsole umfunktionieren.

Finale Abwägungen

Die Vorteile einer solchen Cloudlösung liegen auf der Hand. Sie ist leistungsstark, man muss die Hardware nicht selber warten, und für die meisten Einsatzzwecke abseits von Onlinegames ist sie gut gerüstet. Dazu kann man sie über PC, Smartphone und andere Geräte ansteuern – sofern eben eine gute Internetverbindung vorhanden ist. Das ist gleichzeitig auch der Schwachpunkt. Ohne entsprechende Bandbreite und gute Latenz plagt man sich mit Verzögerungen und schlechter Bildqualität. Auch die Übertragung eigener Daten auf das Cloudsystem ist davon abhängig, und es fehlt eine Drag-and-drop-Option.

Beim Kostenfaktor wird die Aufrechnung schwieriger. Man kann sich selbst die Anschaffung eines leistungsstarken Rechners sparen und zudem den Stromverbrauch reduzieren. Während Multimedia-Laptops unter Last 30 bis 60 Watt an Leistungsaufnahme erreichen und hier nur ein Videosignal verarbeiten müssen, frisst ein Gamingrechner bei stärkerer Beanspruchung gut und gerne 400 Watt oder mehr.

Im günstigsten Fall zahlt man für Shadow 360 Euro pro Jahr, was sich über fünf Jahre Nutzung (unter der Annahme eines stabilen Preises) auf 1.800 Euro summiert. Um dieses Geld kann man sich aktuell ein komplettes System im unteren High-End-Segment zusammenstellen, das der Hardware des Einstiegs-Cloudabos klar überlegen ist. Um 2.700 Euro, das sind die Fünfjahreskosten für das "Power Upgrade"-Paket, geht sich auch High-End-Hardware der letzten Generation aus.

Diesen Kostenvergleich verliert Shadow also, zu bewerten ist abseits der besseren Strombilanz aber natürlich, wie viel einem die Flexibilität wert ist. Wer einen starken Rechner zum Arbeiten braucht, dabei beruflich viel unterwegs ist und an seinen Arbeitsorten eine gute Internetverbindung hat, findet hier eine alltagstaugliche Lösung. Auch wer Leistung zum Spielen will, ohne sich einen schweren Laptop oder großen Desktop-PC in die Wohnung zu stellen, wird hier gut bedient, wenn man auf schnelle Onlinegames verzichten kann.

In vielen anderen Fällen dürfte die Kalkulation aber am Ende eher für einen eigenen PC sprechen als für die Cloudlösung. Das muss allerdings nicht so bleiben. Durchaus denkbar, dass solche Angebote mit der Zeit günstiger werden und neue Verbindungstechnologien die Latenzen verbessern. Dann werden Services wie Shadow zu einer echten Alternative zum eigenen Desktop, sofern man gewillt ist, dessen Betrieb in die Cloud auszulagern. (gpi, 28.5.2023)