Peter Simonischek gehörte zu jenen eher raren Schauspielern, die sich auch selber gern ins Parkett begeben, um denen auf der Bühne zuzusehen und damit den Kolleginnen und Kollegen Respekt zu zollen. Ein schöner Zug. Scheu vor dem Publikum war dem Darsteller ganz und gar nicht eigen. Die Menschen flogen ihm zu bis zum Rand des Sitzplatzes, viele winkten, er winkte zurück. Und die Simonischek-Winkhand war imposant, wie seine gesamte Erscheinung. Manch ein Darsteller erscheint, einmal von der Bühne herabgestiegen, kleiner als erwartet. Simonischek wirkte immer groß.
Seit einigen Monaten mehrten sich Gerüchte über eine mögliche Krebserkrankung, ebenso war von einem Long-Covid-Leiden die Rede, trotz sichtlicher Schwäche mied der Burgschauspieler die Öffentlichkeit nicht. Noch bei der Berlinale im vergangenen Februar präsentierte er seinen Film Der vermessene Mensch. Bei der Ö1-Hörspielgala Ende desselben Monats begleitete er, bereits am Gehstock, seine Ehefrau Brigitte Karner, die zur Schauspielerin des Jahres gekürt wurde. Mit ihr an der Seite bestritt Peter Simonischek landauf, landab unzählige Duettabende mit Lesungen und Musik. In Österreich das untrügliche Zeichen für einen Publikumsliebling.
Sensationeller Gebissträger
Als solcher verkörperte der 1946 in Graz Geborene und in der Oststeiermark als Zahnarztsohn Aufgewachsene viele Jahre und bis 2009 die Paraderolle des Jedermann bei den Salzburger Festspielen. Auch in der Rolle des Todes war er dort zu sehen. In Summe sollten es 200 Schauspielvorstellungen werden. Seinen Start legte Simonischek aber in Graz hin, zunächst allerdings auf familiären Druck als Student an der Technischen Hochschule, die er dann gegen die Akademie für Musik und darstellende Kunst eintauschte. Die nicht absolvierte Zahntechniklehre, die sein Vater ihm nahelegte, hat den Schauspieler aber später noch eingeholt, als er als sensationeller Gebissträger und Titelheld im Film Toni Erdmann von Maren Ade einen Höhenflug hinlegte. In der Rolle eines Vaters, der auf ungewöhnliche Weise Nähe zu seiner erwachsenen Tochter sucht, wurde Simonischek vielfach ausgezeichnet, etwa als European Actor 2016.
Kein Jahr, in dem der Mime nicht mindestens einen Fernseh- oder Kinofilm gedreht hat, es sind viele Dutzend geworden, darunter Arbeiten wie Axel Cortis Herrenjahre (1983) oder Margarethe von Trottas Fürchten und Lieben (1988), Gebürtig (2002, Lukas Stepanik und Robert Schindel) oder Kursk von Thomas Vinterberg (2018).
Die Liebe zum Theater war aber größer: "Mit dem Theater bin ich verheiratet, dem Film behalte ich meine amourösen Ausflüge vor", sagte er einmal. Von Graz aus, wo Peter Simonischek ganz zu Beginn seiner Karriere am Schauspielhaus zu sehen war und wohin er viele Jahre später als Baumeister Solness zurückkehrte, folgte er zunächst Engagements nach St. Gallen, Bern und Düsseldorf. Zwischen 1979 und 1999 war er Ensemblemitglied der Berliner Schaubühne unter der Leitung von Peter Stein und später Andrea Breth. Hier gehörte Simonischek in der deutschsprachigen Erstaufführung übrigens zum Dreigestirn jener zankwütigen Gemäldeanalysten aus Yasmina Rezas Top-Komödie Kunst (Regie: Felix Prader), die zu einem Klassiker modernen Boulevards geworden ist.
Zusammenarbeit mit Breth
Mit Breth verband Simonischek ab den Schaubühnenjahren eine konstante, Jahrzehnte überspannende Zusammenarbeit. Dabei entstanden so erstklassige Inszenierungen wie von Kleists Preußendrama Prinz Friedrich von Homburg (2012) mit Simonischek als hintergangenem Kurfürsten, eine Rolle, der er gerade in einer zurückgenommenen, gebremsten Spielweise Macht und Größe verlieh. Aber auch seine komödiantische Begabung vermochte er mit Breth auszuloten, unvergessen bleibt der Edward-Albee-Kracher Die Ziege oder wer ist Sylvia (2004), eine Ehekomödie, in der Simonischek an der Seite von Corinna Kirchhoff den unfreiwilligen, hingebungsvollen Ziegenverliebten gab.
Seit der Spielzeit 1999/2000 gehörte Simonischek dem Ensemble des Wiener Burgtheaters an, seit 2019 als dessen Ehrenmitglied. Der allseits geliebte Darsteller galt nicht zuletzt als ein Garant für volle Publikumsränge.
Noch im Herbst 2021 gab Peter Simonischek in Simon Stones Gorki-Neudichtung Komplizen bravourös und mit spürbarer Melancholie den Grandseigneur einer Wiener Unternehmensdynastie, den Vertreter einer alten Wirtschaftselite, die ihr Ende gekommen sieht. Für seine Darstellung des Afzal in The Who and the What von Ayad Akhtar im Akademietheater wurde er 2018 in der Kategorie "Bester Schauspieler" mit dem Nestroy-Theaterpreis ausgezeichnet. Wie das Burgtheater in einer Aussendung berichtet, ist der Schauspieler in der Nacht auf Dienstag 76-jährig im Kreis seiner Familie gestorben. (Margarete Affenzeller, 30.5.2023)