Im September 2017 wurden die Sommerspiele 2024 an Paris vergeben. Seither schmücken die Ringe den Blick auf den Eiffelturm.
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Gut ein Jahr vor dem Beginn der Olympischen Sommerspiele vom 26. Juli bis zum 11. August 2024 in Paris laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren. Der Baukalender scheint dabei besser eingehalten als das Budget von 4,4 Milliarden Euro. Diskussionsstoff liefert seit dem Pfingstwochenende vor allem der Rücktritt der Präsidentin des nationalen olympischen Komitees (CNOSF), Brigitte Henriques. Die 52-jährige Ex-Fußballerin ist nach internen Querelen überraschend zurückgetreten. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) ruft Frankreich auf, die Führungskrise schnellstmöglich zu bereinigen.

Auch wenn sich Henriques – neben OK-Präsident Tony Estanguet – nicht als einzige und auch nicht federführend um die Organisation der Spiele kümmerte, zeugt ihr Abgang von den sich mehrenden Schwierigkeiten vierzehn Monate vor dem Beginn der Spiele.

Olympia 2024
Brigitte Henriques präsidierte das Comité National Olympique et Sportif Français etwas weniger als zwei Jahre. 14 Monate vor Beginn der Sommerspiele in Paris trat sie zurück.
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Die russische Frage

Bis heute ist offen, ob russische und belarussische Sportlerinnen und Sportler trotz des Aggressionskrieges gegen die Ukraine an den Spielen teilnehmen dürfen. Das IOC empfiehlt eine "neutrale" Beteiligung ohne Hinweis auf die Nationalität. Zudem dürfen sie sich nicht für den Krieg ausgesprochen haben. Der deutsche und als prorussisch geltende IOC-Vorsitzende Thomas Bach warnt für den Fall eines Ausschlusses vor einer Spaltung der olympischen Bewegung, die zu getrennten Spielen einzelner Machtblöcke führen könne.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj fordert seinen französischen Amtskollegen Emmanuel Macron dagegen auf, russischen und belarussischen Aktiven keine Einreisebewilligung zu erteilen. Sein Land, wie auch Polen und die Balten, drohen mit einem Olympiaboykott, falls das IOC seine Idee durchsetzt.

Überzogene Ticket- und Wohnpreise

Massive Kritik gibt es über Frankreich hinaus an den hohen Eintritts- und Wohnungspreisen. Tickets für Leichtathletikbewerbe kosten bis zu 995 Euro pro Sitzplatz. Für die Schlussfeier muss man zwischen 50 und 1600 Euro hinblättern, für die grandiose Eröffnungszeremonie mit Schiffen in der Seine zwischen 90 und 2600 Euro. In den sozialen Medien hagelt es Proteste. Die belgische Siebenkämpferin Nafissatou Thiam teilte über Twitter mit, zu diesen Bedingungen könne ihre Familien nicht zu den Spielen fahren. Die französische Judoka Amandine Buchard erklärte, ihre Familie werde einen Kredit aufnehmen müssen.

Olympiasportler erhalten für Angehörige jeweils zwei Gratistickets. Insgesamt sind 6,8 Millionen der insgesamt zehn Millionen Tickets verkauft. Nach den Losentscheiden der zweiten Verkaufsphase beginnt die dritte Verkaufsphase im Sommer.

Astronomische Ausmaße erreichen auch die Nächtigungspreise in Paris und Umgebung. Einzelne Wohnungsbesitzer vermieten ihre Bleibe für bis zu 2000 Euro pro Nacht. Preise von 800 bis 1000 Euro pro Nacht für eine vierköpfige Familie sind nichts Außergewöhnliches. Nach heftiger Kritik verlangt das französische Olympiakomitee von den Pariser Wohneigentümern "Mäßigung".

"Auslagerung" von Obdachlosen und Migranten

Humanitäre Verbände und Linkspolitiker werfen der Regierung zudem vor, sie versuche Obdachlose, "Sans-Papiers" und Migranten aus dem Straßenbild der Lichterstadt zu verbannen. Im April hatte die Polizei schon eine verlassene Zementfabrik geräumt, die sich neben einem Teil des olympischen Dorfes im Norden von Paris befindet. 400 Zuwanderer vorwiegend aus Nordafrika wurden abtransportiert und auf Auffanglager im ganzen Land verteilt.

Vor einigen Tagen teilte der Bürgermeister des kleinen Dorfes Bruz in der Bretagne, Philippe Salmon, in Fernsehinterviews mit, er sei vom Innenministerium informiert worden, dass Pariser Obdachlose auf einem Brachland der Eisenbahn in seiner Gemeinde angesiedelt würden. Wohnbauminister Oliver Klein bestreitet diese Darstellung, doch Salmon bekräftigt, ihm sei gesagt worden, die Auslagerung geschehe "wegen der olympischen Spiele".

Fehlendes Sicherheitspersonal

Die Anwerbung von 30.000 Sicherheitsleuten für die Spiele weist massiven Rückstand auf. In Paris, wo generell Mangel an Wachleuten herrscht, alarmierte der Branchenverband GES die Regierung, 20.000 Stellen könnten unbesetzt bleiben. Sorgen macht den Organisatoren vor allem die Eröffnungsfeier. Sie findet erstmals bei Olympischen Spielen nicht in einem Stadion statt, sondern entlang der Seine mit schätzungsweise 800.000 Besuchern. Das wirft gewaltige Sicherheitsprobleme auf.

Innenminister Gérald Darmanin schließt – wie bei den Olympischen Spielen von London 2012 – Armeeeinsätze nicht aus. Die Überwachung der Massen soll mit neuartigen Kamera-Algorithmen die Vorbeugung von Anschlägen verhindern. Beide Maßnahmen sorgen für Kritik.

Angst vor Störmanövern der Gewerkschaften

Radikale Gewerkschaften wie die CGT drohen damit, die Olympischen Spiele als Plattform für ihre Anliegen zu missbrauchen. Die CGT verlangt weiterhin den Rückzug von Emmanuel Macrons Reform mit der Erhöhung des Pensionsalters von 62 auf 64 Jahre. Die Gewerkschaft bedroht das Sportevent mit der Parole: "Kein Rückzug – keine Spiele." In den vergangenen Wochen wurden schon diverse Baustellen wie etwa die der olympischen Schwimmanlage bestreikt.

Die Gewerkschaft CGT nützte schon das Finale des Fußballcups in St. Denis zwischen Toulouse und Nantes zu Protesten gegen die Anhebung des Pensionsantrittsalters in Frankreich.
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Beim französischen Fußball-Pokalfinale am 29. April zwischen Toulouse und Nantes (5:1) im Stade de France zu St. Denis verteilte die CGT Trillerpfeifen und Rote Karten. Die Protestaktion gegen die Pensionsreform und Macron wurde allerdings wenig befolgt – was als Zeichen gewertet wird, dass die Franzosen durchaus zwischen Politik und Sport unterscheiden. (Stefan Brändle, 30.5.2023)