"Terra Mater – Motherland" von Kantarama Gahigiri, zu sehen bei Vienna Shorts.
Films du Leopard

Ein Green Screen öffnet Möglichkeitsräume  – und das nicht nur für Superheldinnen in Hollywood-Blockbustern. Im Dokumentarfilm Buurman Abdi von Douwe Dijkstra dient ein solcher dem somalischen Niederländer Abdiwahab Ali als digitale Projektionsfläche für seine Erinnerungen. In einem spielerischen Reenactment verwandelt sich das Grün zu Szenen aus der gewaltvollen Kindheit in Mogadischu und Abdis nicht weniger schwieriger Zeit in den Niederlanden. Der mittellange Film ist damit ernste Autobiografie und witziges Making-of zugleich und erzählt ebenso viel über filmische Inszenierung wie über persönliche Realitäten.

Der perfekte Eröffnungsfilm also für das Vienna-Shorts-Filmfestival, das dieses Jahr sein 20. Jubiläum feiert. Grün wird es dort heuer auch bei der Preisverleihung. Denn statt goldener Trophäen in Palmwedel- oder Raubtierform verleiht das grün zertifizierte Wiener Festival ab heuer frisch gepflanzte Bäumchen, zusätzlich zu insgesamt 30.000 Euro Preisgeld und einer möglichen Qualifizierung für die Kurzfilm-Oscars. So bleiben die internationalen Preisträger auch über das Festival hinaus in der Stadt präsent. Über einen QR-Code auf der Baumplakette kann der preisgekrönte Film in der Umgebung gestreamt werden – eine gleich mehrfach spannende Idee für die so oft übersehenen Kurzfilme und für das Festival.

340 Filme und bekannte Namen

Bevor es am Dienstag die grünen Preise gibt, breitet Vienna Shorts aber ab Donnerstag sechs Tage lang ein vielfältiges internationales Kurzfilmpanorama aus. In 90 Programmen werden insgesamt 340 Filme aus 58 Ländern gezeigt. In Wien selbst gastiert das Festival im Gartenbaukino und Stadtkino sowie im Filmmuseum, im Metrokino und im Blickle-Kino des Belvedere. Außerdem macht das mobile Milieu-Kino beim Festivalzentrum im Museumsquartier Station. Auch online ist Vienna Shorts präsent, was auch Nicht-Wienern einen virtuellen Festivalbesuch ermöglicht.

Im Programm finden sich zwar mit frühen Kurzfilmen von Andrea Arnold, Ruben Östlund oder Agnès Varda einige bekannte Namen. Das aktuelle Kurzfilmschaffen ist aber naturgemäß ein unbekanntes Land, das zur Entdeckung einlädt. Hier zeigt sich: Kurzfilm ist weit mehr als nur ein Sprungbrett. Unter dem diesjährigen Motto "Just a moment, please!" finden sich viele aktuelle Themen von KI bis Klimakrise in den Beiträgen wieder. Gerade Kurzfilme reagieren hier schnell, wie etwa der ukrainische Eröffnungsfilm It’s a Date von Nadia Parfan beweist. Eine fünfminütige Rennfahrt durch das menschenleere Kiew endet in einem glücklichen Date – ein hoffnungsvolles Zeichen.

Musikvideos und Black Power

Von Animationen über Spielfilme und Kurzdokus bis hin zu Musikvideos und Experimentellem ist also alles dabei, fein säuberlich kuratiert in Programmen, die Orientierung bieten. Sogar eine Late-Night-Schiene mit Trash, Horror und erotischen Shorts findet sich. Das heurige Tribute widmet sich in Kooperation mit dem Österreichischen Filmmuseum dem US-Duo Kevin Jerome Everson und Claudrena N. Harold. Unter dem Label Black Fire präsentieren sie Performances zu Black Power und eine Ethnografie afroamerikanischer Kultur. Die nationale Personale ist der Wahlwienerin Christiana Perschon gewidmet. (Marian Wilhelm, 1.6.2023)