Andreas Babler, SPÖ
Nach seinen Aussagen zur EU ist Andreas Babler um Klarstellung bemüht.
www.corn.at Heribert CORN

"Die Formulierung mag überzogen sein, aber anstatt über semantische Spitzfindigkeiten zu diskutieren, sollten wir besser darüber sprechen, wie wir die EU sozialer und bürgernäher gestalten können", so lautet einer der ersten Sätze in einer Stellungnahme des Traiskirchner Bürgermeisters Andreas Babler, der sich aktuell mit Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil im Rennen um den SPÖ-Parteivorsitz befindet.

Bablers Aussagen über die Europäische Union, die er als "schlimmer als die Nato" bezeichnete, schlugen am Dienstag hohe Wellen. In einem Interviewmitschnitt aus dem Jahr 2020 sagte Babler, er finde "diese EU überhaupt nicht leiwand", sie sei ein "imperialistisches Projekt mit ein paar Sozialstandards".

EU-Flüchtlingspolitik vor der Haustür

In einer Stellungnahme vom Mittwochvormittag, die dem STANDARD vorliegt, ist Babler nun um Klarstellung bemüht. In seinen Aussagen von vor drei Jahren sei es ihm darum gegangen, wie man die EU sozialer machen, die "Orbánisierung der EU" verhindern und die "Festung Europa und Menschenrechtsverletzungen an den EU-Außengrenzen" überwinden könne. Seine Kritik an der EU sei immer stark von seiner Perspektive als Bürgermeister von Traiskirchen geprägt worden, schreibt Babler. Und weiter: "In meiner Heimatstadt kann man nicht einfach wegschauen, ich erlebe das Scheitern der EU-Flüchtlingspolitik jeden Tag vor der Haustür. Es ist meine Verantwortung als Bürgermeister, das anzusprechen."

Babler kritisiert in der Stellungnahme deutlich schwere Menschenrechtsverletzungen an den Außengrenzen der EU, Pushbacks seien in Griechenland, Ungarn, Kroatien, Polen, Lettland und Litauen mittlerweile dokumentiert. Das "brutale Zurückschieben von Schutzsuchenden über die EU-Grenzen wird geduldet", so Babler. "Beamte in Uniform, die Menschen verprügeln, Menschen werden auf offenem Meer ins Wasser gestoßen, und zur brutalen Abschreckung arbeitet man sogar mit Kriminellen zusammen", kritisiert der Traiskirchner Bürgermeister.

Kritik an "neoliberalen Sparprogrammen"

Abgesehen von der Flüchtlingspolitik sei aber auch in anderen Bereichen nicht alles "eitel Wonne", wie es Babler ausdrückt. Neoliberale Sparprogramme hätten viel Schaden angerichtet und südeuropäische Länder in eine tiefe Rezession gezwungen. Arbeitslosigkeit und Armut hätten sich verschlimmert, der Rechtspopulismus sei dadurch europaweit noch gestärkt worden: "In Griechenland ist die Lebenserwartung zurückgegangen, die Selbstmordrate ist um 57 Prozent gestiegen. Arbeitnehmerrechte wurden abgebaut und das Gesundheitssystem in die Krise gestürzt."

Als Sozialdemokrat müsse er derartige Entwicklungen kritisieren. Daher kritisiere er auch die österreichische Bundesregierung – "nur weil ich gegen diese Regierung bin, bin ich aber noch lange nicht gegen Österreich", ist Babler um Klarstellung bemüht.

Einen EU-Austritt wolle er aber nicht, er habe auch nie dafür argumentiert. Als Internationalist sehe er keine Perspektive in einem Rückfall auf rein nationales Denken. "Wir müssen die Europäische Union in Richtung Sozialunion fortentwickeln", fordert Babler, der schon bisher zu den weiter links stehenden SPÖ-Vertretern gezählt wurde.

Ludwig fordert "klare Positionierung und proeuropäischen Weg"

Die Aussagen von Babler hatten jedenfalls für helle Aufregung gesorgt. "Die außenpolitische 'Linie' der SPÖ war ja in den letzten Monaten oft schon eher zum Fürchten, aber es geht offenbar noch schlimmer", schrieb etwa Nikolaus Scherak, Vizeklubchef der Neos, auf Twitter. "Wer so über die EU redet, überholt sogar die ÖVP in ihrem dumpfen EU-Populismus und lässt mehr als irritiert zurück."

Der Wiener SPÖ-Vorsitzende und Bürgermeister Michael Ludwig äußerte sich am Mittwoch am Rande einer Pressekonferenz vor dem Städtetag: "Es ist durchaus möglich, das eine oder andere an der EU zu kritisieren", sagte er. Die Babler-Äußerungen kenne er noch nicht im Original, aber "wer politische Verantwortung für die Sozialdemokratie in Zukunft übernimmt", der brauche eine "klare Positionierung für einen proeuropäischen Weg", forderte er. Ludwig betonte die Bedeutung der EU als Friedensprojekt, er selbst sehe "viel Potenzial in der Weiterentwicklung der EU zu einem gemeinsamen Europa".

Babler selbst meinte – ebenfalls am Rande des Städtetags –, dass Ludwig diese proeuropäische Gesinnung bei ihm finden werde, kaum jemand sei internationaler als er. Aber: "Wer die EU liebt, muss sie verändern", wollte er seinen Erklärungen vom Vormittag nicht mehr viel hinzufügen.

Politologe Pelinka: "Es ist peinlich"

Der Politologe und SPÖ-Kenner Anton Pelinka findet angesichts dessen umstrittener EU-Aussagen scharfe Worte für Babler. "Es ist peinlich: So einer bewirbt sich um den Vorsitz in der SPÖ. Es ist darüber hinaus geschichtsvergessen, naiv, unpolitisch und kindisch", sagte Pelinka im APA-Gespräch. Er könne Babler nur im Sinne Bruno Kreiskys mitgeben: "Lernen Sie Geschichte, Herr Bürgermeister."

"Er plappert da irgendwas dahin. Eine Blödheit", meinte der Politikwissenschafter zu dem nun aufgetauchten Videomitschnitt aus dem Jahr 2020, in dem Babler die EU unter anderem als das "aggressivste außenpolitische militärische Bündnis, das es je gegeben hat", bezeichnete. Damit breche der Traiskirchner Bürgermeister auch mit einer essenziellen sozialdemokratischen Position. "Die europäische Einigung war ein Projekt, das gemäßigte Linke, Sozialdemokraten, und gemäßigte Rechte, Christdemokraten, vor allem in Frankreich, aber zunehmend auch in der Bundesrepublik und den Beneluxländern betrieben haben. Das hat Babler offenbar nicht gewusst. Das ist ein Zeichen für diese Ahnungslosigkeit, die da offenbar gegeben ist", griff Pelinka den Vorsitzkandidaten scharf an. Es sei "peinlich", wenn jemand, der SPÖ-Chef werden will, offenbar nicht wisse, dass die Sozialdemokratie "an der Wiege der europäischen Einigung gestanden ist".

Doskozil schweigt

Nicht zu Bablers Aussagen äußern wollte sich sein Kontrahent, der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil, der die SPÖ-Mitgliederbefragung knapp gewonnen hatte und nun am Samstag bei einer Kampfabstimmung mit Babler um Parteivorsitz und Spitzenkandidatur rittert. Man konzentriere sich "weiter ganz auf unsere Themen und Ziele", wie man es den gesamten Prozess der Mitgliederbefragung über gehalten habe, hieß es aus Doskozils Team gegenüber der APA am Mittwoch lediglich.

"Die Position, so zusammengeschrumpft wie sie jetzt auf Twitter zu lesen war, ist keinesfalls SPÖ-Position", betonte SPÖ-EU-Delegationsleiter Andreas Schieder am Mittwoch in Brüssel vor Journalisten. "Ich gehe aber auch davon aus, dass sie keiner der zwei Kandidaten hat." Alle mit Babler und Doskozil geführten Gespräche in den vergangenen Jahren hätten gezeigt, dass diese "Europa und die Europäische Union" auch als wichtiges Projekt "zur Verwirklichung sozialdemokratischer Ideen" sehen und "eine klare proeuropäische Einstellung" haben. "Ich denke auch, dass das am Parteitag am Samstag in Reden bei beiden Kandidaten klar zum Ausdruck kommen wird", so Schieder.

45 Minuten Redezeit auf Parteitag

Ebenfalls am Mittwoch wurde bekannt, dass Babler und Doskozil auf dem Parteitag am Samstag beide jeweils 45 Minuten Zeit haben werden, um die SPÖ-Delegierten im Linzer Design Center von sich zu überzeugen.

Das Motto des Parteitags bezieht sich nicht direkt auf das Duell, sondern lautet "Soziale Politik für Österreich". Rund 1.000 Personen werden in Linz erwartet, darunter Gäste der Sozialdemokratischen Partei Europas (PES), angeführt vom Fraktionsvorsitzenden der PES im Ausschuss der Regionen, Christophe Rouillon.

Doch über die personelle Ausrichtung der Partei entscheiden dürfen nur 609 Delegierte, wobei man mit Amtsinhaberin Pamela Rendi-Wagner schon eine abziehen kann. Die scheidende Parteichefin, die bei der Mitgliederbefragung nur Platz drei erreicht hatte, verzichtet auf eine Anreise.

Lercher und Herr im Gespräch für Geschäftsführung

Eröffnet wird der Parteitag von Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch, für den die Veranstaltung den Abschied von seiner Position bedeutet. Ob gleich vor Ort ein Nachfolger bestimmt wird, ist noch nicht fix. Theoretisch könnte nach dem Parteitag gleich ein Vorstand zusammentreten und einen neuen Parteimanager wählen.

Bei einem Sieg Doskozils wird eine Rückkehr von Max Lercher in die Löwelstraße erwartet, Babler könnte eventuell Julia Herr entsenden. Über die neue Führung des Parlamentsklubs wird erst im Vorfeld der nächsten Plenarwoche entschieden. Dass der Erste Stellvertreter Jörg Leichtfried als Vertrauter Rendi-Wagners seine Rolle als Sprachrohr des Klubs behält, gilt als unwahrscheinlich. Hier wird unter anderen Herr gehandelt, und das unabhängig vom Ausgang des Duells. Ein anderer Kandidat könnte Doskozil-Unterstützer Philip Kucher sein. (lew, APA, 31.5.2023)