Grubinger
Martin Grubinger etwas wehmütig im Konzerthaus.
Konzerthaus

Nun naht also tatsächlich bald das Ende. Was der Multiperkussionist Martin Grubinger vor etwa zehn Jahren "angedroht" hat, nämlich seine aktive Bühnenkarriere zu beenden, um an der Uni Geschichte zu studieren, ist nun bald Realität – zumindest was den gewichtigen Teil seiner Ankündigung anbelangt. Geschichte hat er noch nicht inskribiert. Der Salzburger, der am 29. Mai seinen 40er gefeiert hat, möchte jedenfalls vor allem am Salzburger Mozarteum, wo er selbst unterwiesen wurde, unterrichten.

Das ist natürlich seltsam. Wer am Dienstag im Wiener Konzerthaus erlebt hat, mit welcher Empathie Grubinger an rhythmische Interaktion, Improvisationen aller Art und an die komplex-bunten Arrangements herangeht, vermag sich ihn schwer als pädagogisch Tätigen vorzustellen, der nur noch in den eigenen vier Wänden nach Lust und Laune musiziert. Grubinger ist auch der seltene Fall eines kommunikativen Virtuosen mit Entertainmentbefähigung. Als einer der Weltmeister im Fach des Rhythmischen hat er nicht nur von Friedrich Cerha über Iannis Xenakis bis hin zu Steve Reich und H. K. Gruber alles interpretiert und uraufgeführt, was in seinen Instrumentalkosmos fällt. Er hat es auch geschafft, den Spezialistenbereich des Perkussiven in den Konzertmainstream zu hieven.

Sehr jazzig

Mit seinem Percussion Planet Ensemble hat er auch eine Art Weltmusik-Big-Band um sich, welche die Faszination für diverseste Stilbereiche zelebriert. Bevor es im Konzerthaus richtig groß besetzt losgeht, gibt es mit den Klavierschwestern Ferhan und Ferzan Önder (Letztere ist Grubingers Ehefrau) einen profunden Ausflug in die Welt von Igor Strawinskys "Sacre du printemps". Hernach startet ein bunter Abend, an dem vieles zu erkennen ist. Bei "Steps Ahead – Beirut" zeigt Grubinger, dass er auch als Jazzimprovisator locker seine internationale Karriere fortsetzen könnte. In diesem Bereich müssen die Besetzungen ja nicht monströs und die Arrangements nicht komplex sein. Es ist – apropos Jazz – dann natürlich schon auch faszinierend, wie Grubinger unisono mit dem exzellenten Bassisten der Band "Teen Town" von Jaco Pastorius zelebriert, wie er die Linien herauswuchtet.

Sucht man Signale, die das selbstgewählte Karriereende plausibel erscheinen lassen, sind es Kleinigkeiten, die irgendwie erhellend wirken. Die Konzertpause etwa scheint nur eine fürs Publikum zu sein. Während sich das Auditorium am Buffet labt oder die Füße vertritt, ist Grubinger weiter mit Kollegen auf der Bühne, um das Instrumentarium für die kommenden Grooves vorzubereiten. Zudem ist, was so spaßig leicht erscheint, musikalische Schwerstarbeit. Wenn Grubinger leicht atemlos eine nächste Nummer ansagt oder eine Mineralwasserflasche mit dem Rücken zum Publikum in einem Zug leert, ahnt man, dass Hochleistungssport stattfindet.

Auch ein Abend für ihn

Immerhin, es ist nicht nur ein Abend mit, sondern auch einer für Grubinger, der sich als Gast den deutschen Sänger Max Mutzke gewünscht hat. Der besingt "Charlotte" oder erfüllt Grubinger den Wunsch und haucht den Soulklassiker "Me and Mrs Jones". Als Überraschung gab's dann noch unter anderem Sohn Noah fetzig am Rockschlagzeug und ein kollektives Geburtstagsständchen des Auditoriums. Zum Schluss musste Grubinger allerdings auch mit Mutzke Fendrichs “I Am from Austria" singen. Warum der Weltbürger, der zuvor Fusion, Salsa, Tango, Samba und afrikanische Musik mixte, gerade dieses Lied sang? War schwer zu erklären.

Aber schwer ist ja auch die Tatsache zu erklären, dass Grubinger ganz aufhört, dass er, wie er selbst sagt, die Seite wechselt, zum Hörer wird, der schon ein Konzerthaus-Abo besitzt. Nun, irgendwelche neuen Projekte wird es für ihn geben, und noch musiziert Grubinger bis in den September hinein. Anlässlich seines Konzerthausabschieds spielt er am Mittwoch übrigens ein Benefizkonzert für Cape 10, jene gemeinnützige Stiftung, die sich dafür einsetzt, in Not geratenen Menschen unter anderem gesundheitliche Hilfe und Unterstützung zukommen zu lassen. (Ljubiša Tošić, 31.5.2023)