Fitness-Influencerin filmt Workout, Influencer, Fitfluencer, Kamera 
Während der Pandemie boomten Fitness-Inhalte im Netz ganz besonders. Aber nicht alle Onlinetipps halten einem wissenschaftlichen Faktencheck stand.
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Auf der Suche nach Fitness-Inspiration – oder "Fitspiration", wie man auf Social Media verkürzt sagt – werden Sie auf Instagram garantiert fündig. Zumindest in der Theorie: Weit über 19 Millionen Beiträge wurden mit dem Hashtag #fitspiration bisher geteilt. Da reihen sich Vorher-nachher-Bilder an Infopostings mit Tipps für das nächste Workout und Videos zur Ausführung von Kniebeugen. Vor allem während der Pandemie, als viele von zu Hause aus trainierten, boomten solche Inhalte.

Als Fitness getarnter Schlankheitswahn

Hinter diesen Postings stehen rund 50.000 Fitness-Influencer – ebenso verkürzt sogenannte Fitfluencer. Nur die wenigsten von ihnen teilen tatsächlich wissenschaftlich fundierte Tipps. Fast zwei Drittel hingegen verbreiten Ratschläge, die bestenfalls irreführend, schlimmstenfalls gar gefährlich sind für ihre Followerinnen und Follower. Das ist das Ergebnis einer neuen Studie, in der Forscher und Forscherinnen die Inhalte der 100 populärsten Fitfluencer unter die Lupe genommen haben. Häufig hätten ihre Ratschläge negative Auswirkungen auf die geistige und körperliche Gesundheit jener Menschen, die ihnen folgen, schreiben die Autorinnen und Autoren der Untersuchung. Zu oft würde Sport auf solchen Accounts als Mittel zum Abnehmen angepriesen oder fragwürdige Produkte wie Nahrungsergänzungsmittel zur Gewichtsreduktion beworben werden. Sie befeuerten damit Schönheitsnormen, die nichts mehr mit Gesundheit zu tun hätten.

Saye Vedrilla überrascht diese Conclusio nicht. Sie ist Personal Trainerin, Mentalcoach und Inhaberin des Sayyes Women's Gym, eines Fitnessstudios mit persönlicher Betreuung für Frauen im dritten Bezirk in Wien. Vedrilla kennt die Online-Fitnessbranche seit vielen Jahren und findet es "wirklich gefährlich", was zum Teil auf Instagram, YouTube & Co passiert, sagt sie zum STANDARD. "Natürlich gibt es viele, die einen guten Job machen, aber häufig haben Fitness-Influencerinnen und -Influencer keine Qualifikation in dem Bereich. Sie sind weder ausgebildete Ernährungsberaterinnen noch Personal Trainer, stellen sich aber als Expertinnen dar", kritisiert sie.

"Influencer trainieren und essen anders, als sie es vorgeben"

Auf vielen der untersuchten Accounts fanden sich zudem Beiträge, in denen Körper sexualisiert und ungesunde sowie vor allem unrealistische Körperformen gefördert wurden. Das beobachtet auch Vedrilla seit einiger Zeit. "Manche Influencerinnen spielen ihren Followern etwas vor. Sie trainieren und essen ganz anders, als sie es vorgeben", ist sie überzeugt. Als Expertin erkennt sie, dass das Körperbild mancher Influencer und Influencerinnen mit dem Trainingsprogramm, das sie ihrer Followerschaft verkaufen, nicht erreichbar sei. Das heißt vereinfacht gesagt: Influencerinnen und Influencer würden selbst beispielsweise "heimlich" regelmäßig mit Gewichten trainieren, machen den Followerinnen und Followern aber vor, sie würden nur kurze Workouts mit dem eigenen Körpergewicht absolvieren. "Durch dieses Trainingsprogramm wird man aber nie so aussehen können wie die Influencerin selbst", betont Vedrilla. In der Folge werfen viele das Handtuch, weil die Erfolge ausbleiben. "Sie denken dann, sie hätten zu wenig Biss, aber es ist schlichtweg unrealistisch." Auch dieser Effekt lässt sich in Studien belegen: #fitspiration deprimiert viele so sehr, dass sie dem Sport den Rücken kehren.

Saye Vedrilla, Sayyes Gym, Fitnesstrainerin
Die Personal Trainerin Saye Vedrilla beobachtet die Online-Fitnessbranche kritisch: "Manche spielen ihrer Followerschaft etwas vor und essen und trainieren ganz anders, als sie das online zeigen", sagt sie.
Birgit Chytracek

Für Laien ist es oft schwierig, zwischen gesundheitsfördernden und potenziell schädlichen Accounts zu unterscheiden. Für einen achtsamen Umgang mit Fitness-Accounts sollte man sich deshalb immer diese drei entscheidenden Fragen stellen, rät Saye Vedrilla:

1. Hat die Person hinter dem Account eine entsprechende Qualifikation?

Die Zahl der Follower oder Likes ist kein Indikator für die Qualität der Arbeit. Vedrilla rät deshalb, zu recherchieren, ob die Menschen hinter dem Account eine Ausbildung und Berufserfahrung im Bereich Fitness und Sport hinter sich haben. Geben Influencerinnen und Influencer auch Ratschläge außerhalb ihres Fachgebiets, sollte man hellhörig werden.

Nur auf die Expertise von Fitfluencern sollte man sich aber ohnehin nicht verlassen, sagt Vedrilla. Obwohl manche wirklich gute Inhalte teilen, gelten die Tipps und Tricks freilich nie für alle. Vor allem Neulingen empfiehlt sie deshalb, sich für die ersten paar Sporteinheiten einen qualifizierten Trainer oder eine qualifizierte Trainerin zu nehmen, um eine individuelle Trainingsroutine aufzubauen. Man könne nämlich auch bei vermeintlich einfachen Übungen vieles falsch machen: "Wenn man etwa Kniebeugen über viele Jahre hinweg immer falsch ausführt, kann das langfristig der Gesundheit schaden."

2. Geht es um einen ganzheitlich gesunden Lifestyle oder um die vermeintliche Optimierung eines Körperteils?

Schönheitsnormen ändern sich ständig, und Körperformen werden häufig zu einem Trend. "Im Moment steht etwa ein knackiger Po bei vielen im Fokus, ganze Accounts drehen sich nur um das perfekte Training für den vermeintlich perfekten Po", sagt Vedrilla. Wenn ein Körperteil so stark im Fokus steht, sollte man skeptisch werden, findet sie. Auf Fitness-Accounts sollte es um einen ganzheitlich gesunden Lebensstil gehen, nicht um das Spiegelbild. "Das Ziel muss sein, langfristig gesund zu leben, und nicht das Sixpack oder der große Po."

3. Welches Gefühl vermittelt der Account?

Wenn Sie sich beim Durchscrollen der Beiträge unwohl fühlen, sollten Sie auf dieses Bauchgefühl hören. Das ist keine leere Phrase, sondern das Ergebnis zahlreicher Studien. Aus Untersuchungen weiß man, dass genau solche Gefühle ein ungesundes Verhältnis zu Sport fördern. Bewegung sollte immer an positive Gefühle gekoppelt sein, auf entsprechenden Accounts sollten dementsprechend Freude an Bewegung und ein gesundes Verhältnis zum eigenen Körper im Fokus stehen.

Deshalb sollte man auch besonders vorsichtig mit Fitfluencern sein, die Vorher-nachher-Fotos posten, in denen es hauptsächlich um Fettabbau, Gewichtsreduktion und die vermeintliche Optimierung der Optik geht. Wer regelmäßig solche Bilder konsumiert, ist unzufriedener mit sich selbst und hat langfristig ein höheres Risiko für die Entwicklung einer Essstörung, zeigen Untersuchungen. Suchen Sie stattdessen nach Accounts, bei denen die Freude an der Bewegung im Zentrum steht, beispielsweise unter Hashtags wie #joyfulmovement oder #intuitivemovement. (Magdalena Pötsch, 1.6.2023)