Air France Flugzeug
Gibt es keinen Zug, der in 150 Minuten das Ziel erreicht, darf weiter geflogen werden.
APA/AFP/Ritzau Scanpix/LISELOTTE

Paris – Wer den Zug nehmen kann, soll nicht länger das Flugzeug benützen: Nach diesem Motto untersagt die französische Regierung gewisse Flugstrecken zwischen Städten, die bequem und ohne Umsteigen per Eisenbahn zu erreichen sind. "Diese Maßnahme ist eine weltweite Premiere", freute sich Transportminister Clément Beaune am Dienstag. "Sie ist Teil unserer Bemühungen, die Benützung klimafreundlicher Fortbewegungsmittel zu fördern."

Gestrichen werden konkret drei Linienflüge von Bordeaux, Nantes und Lyon nach Paris-Orly. Zwischen diesen Städten gibt es eine TGV-Zugverbindung von weniger als zweieinhalb Stunden. Dies ist das Hauptkriterium für die Streichung der Flüge. Eine 150-köpfige Bürgerversammlung, die Präsident Emmanuel Macron einberufen hatte, um ein Klimagesetz vorzubereiten, war 2021 noch weiter gegangen: Sie wollte auch Flüge zu Destinationen streichen, die in vier Stunden Bahnfahrt zu erreichen sind. Dies hätte immerhin acht Städte betroffen, darunter die Mittelmeerstadt Marseille, die von Paris aus in einer dreistündigen TGV-Fahrt zu erreichen ist.

Flughafenbetreiber hatten allerdings Klage wegen der Einschränkung der Fortbewegungsfreiheit eingereicht. Der französische Staatsrat und die EU-Kommission in Brüssel billigten schließlich das Kriterium von zweieinhalb Stunden alternativer Zugfahrzeit. Die grüne Partei EELV bezeichnet das neue Flugverbot als nutzlos, da die drei betroffenen Linien bereits eingestellt seien. Beaune konterte, darin zeige sich gerade die Wirksamkeit der Maßnahme: "Diese Strecken wurden ja nicht vom Heiligen Geist gestrichen, sondern weil das Flugverbot näherkam", hielt er diese Woche via Twitter fest.

Das an der Côte d’Azur tätige "Bürgerkollektiv 06" wirft Beaune allerdings vor, er verschone bewusst vielbeflogene Linien wie Nizza–Paris oder Marseille–Paris, die eine TGV-Fahrtzeit von drei bis fünf Stunden benötigen. Macrons neue Maßnahme sei eine "Maskerade" und damit ein Musterbeispiel von heuchlerischem "Greenwashing".

Verkehrsexperten geben ihrerseits zu bedenken, dass das Kriterium der zweieinhalb Stunden weiterhin Flüge zwischen Bordeaux oder Nantes und dem Pariser Flughafen Roissy ermöglicht. Von Bordeaux bis zu den internationalen Terminals von Roissy braucht der TGV nämlich mehr als drei Stunden. Beaune begründet diesen Ausnahmefall damit, dass man nicht ganzen Städten den Anschluss an die weltweiten Reiseziele vorenthalten könne. Internationale Verbindungen über den internationalen Air-France-Hub in Roissy sind vom Verbot ohnehin ausgenommen.

Nur minus 0,23 Prozent

Klimaaktivisten monieren, das nun erlassene Kurzstrecken-Flugverbot senke die CO2-Emissionen nur um 0,23 Prozent des gesamten Flugverkehrs in Frankreich. Beaune weiß auch darauf Antwort: Das neue Linienverbot sei nur ein Anfang, und die Regierung ziehe es vor, wenn die Fluggesellschaften selbst Strecken schlössen, bevor das Verbot greife. "Aber natürlich müssen wir weiter gehen", fügte der Transportminister an. "Wir werden immer mehr Linien einbeziehen, indem wir die Alternativfahrzeit per TGV zum Beispiel auf drei Stunden erhöhen. Damit dürften weitere Linien geschlossen werden."

In Wien hat sich Austrian Airlines bereits verpflichtet, die Strecke Salzburg–Flughafen Wien auf die Bahn zu verlagern, die dafür drei Stunden benötigt. Für Graz ist das Gleiche geplant.

Auch der Druck für Privatjets steigt. Österreich, Frankreich und die Niederlande haben dieser Tage an die EU-Kommission geschrieben, um Flugreisen in Privatjets einzuschränken. Beaune erklärte dazu, denkbar seien sowohl Flugbeschränkungen wie auch eine höhere Besteuerung privater Flugreisen, und dies auf nationaler wie auf europäischer Ebene. Die EU-Verkehrsminister wollen am Donnerstag darüber diskutieren. (Stefan Brändle aus Paris, 1.6.2023)