Babler betont, er sei weiterhin nicht für einen EU-Austritt Österreichs.
APA/ROLAND SCHLAGER

Rudolf Fußi schwört auf das Leben seines Dackels Hugo, also durchaus glaubwürdig, dass er es nicht war, der dieses Video aktuell verbreitet hat. Politikberater und SPÖ-Mitglied Fußi ist zwar eher ein Unterstützer von Hans Peter Doskozil, aber Andreas Babler freundschaftlich verbunden. Babler zieht in diesem Video, das aus dem Jahr 2020 stammt, mit einem durchaus verächtlichen Unterton über die EU her, meint gar, sie sei "das aggressivste außenpolitische militärische Bündnis, das es je gegeben hat", "schlimmer als die Nato".

Es ist nicht so, dass Babler nicht gewarnt worden wäre, von Fußi selbst nämlich, der in der Diskussion über Flüchtlinge auf die EU zu sprechen kommt. Er weist Babler noch auf die Brisanz des Themas hin: "Dann steht morgen in den Schlagzeilen 'Babler bei Fußi für EU-Austritt'". So kam es dann auch, nur fast drei Jahre später.

Wenige Tage vor der Kampfabstimmung um den SPÖ-Vorsitz tauchte der Mitschnitt wieder auf – und bringt Babler in Erklärungsnot. Das Video fand 2020 keinen Niederschlag. Jetzt aber, da Babler für den Vorsitz der SPÖ kandidiert, werden seine Aussagen von damals heftig diskutiert. Das war's mit den Ambitionen, befinden die einen – jetzt erst recht, meinen andere. Natascha Strobl, Politologin und eine der engagiertesten Unterstützerinnen von Babler, spricht von einer "Masterclass in Dirty Campaigning".

Strobl war selbst in die Videoveranstaltung eingebunden. Sie und Fußi hatten damals die Flüchtlingshelferin Doro Blancke und eben Babler zu einer Diskussion über Flüchtlingspolitik eingeladen. Der Bürgermeister von Traiskirchen sprach von Pushbacks an den Außengrenzen der EU, von Sparprogrammen in südeuropäischen Ländern und davon, dass die Union ein "neoliberalistisches, protektionistisches Konstrukt der übelsten Art und Weise" sei, ein "imperialistisches Projekt mit ein paar Sozialstandards".

"Geschichtsvergessen und naiv"

Nikolaus Scherak, Vizeklubchef der Neos, zeigte sich über die Aussagen "mehr als irritiert" und warf Babler "dumpfen EU-Populismus" vor. Der Politologe und SPÖ-Insider Anton Pelinka urteilte im APA-Gespräch: "Es ist peinlich: So einer bewirbt sich um den Vorsitz in der SPÖ. Es ist darüber hinaus geschichtsvergessen, naiv, unpolitisch und kindisch."

Bablers Unterstützer vermuten dessen Konkurrenten Hans Peter Doskozil hinter der Veröffentlichung, die über die Kronen Zeitung lief. Im Team Doskozil weist man die Vorwürfe zurück, man habe damit nichts zu tun. Babler selbst reagierte am Mittwoch mit einem Statement. Er sei selbstverständlich nicht für einen EU-Austritt. Seine Formulierung aus dem Video "mag überzogen sein, aber anstatt über semantische Spitzfindigkeiten zu diskutieren, sollten wir besser darüber sprechen, wie wir die EU sozialer und bürgernäher gestalten können". Die Energie, die sich an einer alten Aussage entlade, vermisse er, wenn es darum gehe, wie man die "Orbánisierung der EU" verhindern und die "Festung Europa und Menschenrechtsverletzungen an den EU-Außengrenzen" überwinden könne. Die EU müsse sich in Richtung Sozialunion entwickeln, fordert Babler.

Es ist nicht das erste Mal, dass Babler für sein außen- und sicherheitspolitisches Verständnis in die Kritik gerät. Im umfangreichen Programmheft des Führungsanwärters taucht die EU an nur zwei Stellen auf: Brüssel solle Privatjets verbieten und eine Finanztransaktionssteuer einheben. In seiner Jahrzehnte zurückgehenden Geschichte des politischen Aktivismus hat die EU für Babler hingegen eine wichtige Rolle gespielt – vor allem als Zielscheibe. In seiner Jugendphase wetterte Babler mit seiner niederösterreichischen Gruppe in der Sozialistischen Jugend gegen Österreichs Mitgliedschaft im Staatenverbund. 2011 gründete der damalige Traiskirchner Stadtrat und Mitglied des niederösterreichischen SPÖ-Landesvorstands eine Regionalgruppe des zivilgesellschaftlichen Vereins "Solidarwerkstatt". In deren Programm ist neben sozialstaatlichen, ökologischen und antirassistischen Zielen in fetten Buchstaben die Forderung nach einem EU-Austritt zu lesen. Ein gutes Jahrzehnt später betonte Babler im STANDARD-Interview, dass er "keinesfalls für einen EU-Austritt" stehe.

Vernachlässigte Vernetzung

Wolfgang Petritsch spricht von "dubiosen Aussagen", will diese aber nicht überbewertet sehen. Petritsch war früher EU-Chefverhandler und Hoher Repräsentant für Bosnien und Herzegowina, heute ist er Präsident des Österreichischen Instituts für internationale Politik. Er gehört zu jener Gruppe von Topdiplomaten, die Babler Anfang Mai eine außenpolitische Grundsatzerklärung übergeben haben, "um endlich die leider lange vernachlässigte europäische und internationale Vernetzung und Ausrichtung der SPÖ zu stärken". Das Papier enthält auch ein klares Bekenntnis zur EU. Dass Babler weiterhin für ebendieses stehe, "hat er für mich glaubhaft richtiggestellt", sagte Petritsch zum STANDARD.

Eine so grundsätzliche Kritik, wie sie Babler an der EU geäußert hat, wird man bei Doskozil nicht finden. Er hat sich in der Vergangenheit sowohl als Verteidigungsminister wie auch als Landeshauptmann immer sehr klar für die Europäische Union ausgesprochen. Das Burgenland gehört zudem zu jenen Regionen, die besonders stark von den EU-Förderungen profitiert haben. Doskozil fordert im Asyl- und Migrationsbereich Veränderungen, konkret Asylverfahren an den EU-Außengrenzen und ein einheitliches EU-Asylsystem. In einem aktuellen Interview bei "Milborn" sagt Doskozil: "Über die Europäische Union brauchen wir nicht diskutieren. Wir sehen tagtäglich: Das ist das wichtigste Friedensprojekt Europas."

Der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig, der als Unterstützer von Babler und Gegner von Doskozil gilt, sah sich am Mittwoch zu einer Klarstellung veranlasst: Der SPÖ-Chef habe proeuropäisch zu sein. (Anna Giulia Fink, Michael Völker, 31.5.2023)