Ein Beschuldigter, der in einem Strafverfahren Bedingungen stellt, damit er aussagt: Das mag manch einem schon dreist erscheinen, kommt aber doch manchmal vor. Handelt es sich bei dem Beschuldigten aber um den Chef der FPÖ-Steiermark und Ex-Verteidigungsminister Mario Kunasek und die Causa um mutmaßlichen Missbrauch von fast zwei Millionen Euro Fördermittel, ist das doch bemerkenswert. Denn es war Kunasek, der seit Jahren betont hatte, er stehe für die "lückenlose Aufklärung" des Skandals, der die Grazer Stadtpartei schwer beschädigt hat.

Mario Kunasek und Axel Kassegger
Mario Kunasek und Axel Kassegger
Beschuldigter und Chef der FPÖ Steiermark, Mario Kunasek, mit dem neuen FPÖ-Stadtparteiobmann Axel Kassegger. Kassegger führt in Graz eine Partei ohne Gemeinderatsklub.
APA / Erwin Scheriau

"Querschüsse"

Doch Kunasek, gegen den die Klagenfurter Staatsanwaltschaft wegen des Verdachtes der Unterdrückung von Beweismitteln und falscher Zeugenaussage ermittelt, stellte vor über drei Wochen öffentlich die Bedingung, den ausschließlich aus Ex-FPÖ-Gemeinderatsmitgliedern bestehenden Korruptionsfreien Gemeinderatsklub Graz (KFG) als Privatbeteiligten aus dem Verfahren auszuschließen. Denn der KFG nutze sein Recht auf Akteneinsicht, um dem Ansehen der FPÖ öffentlich zu schaden, hieß es. Kunasek sprach in diesem Zusammenhang auch von "politischen Querschüssen" des KFG-Klubchefs Alexis Pascuttini.

Die Staatsanwaltschaft zeigte sich von Kunaseks Bedingung damals zunächst unbeeindruckt. Doch das änderte sich scheinbar letzte Woche. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft berief sich auf ein von Kunasek in Auftrag gegebenes Gutachten des Strafrechtsprofessors Alois Birklbauer, wonach der KFG auszuschließen sei. Doch nun heißt es, ebenfalls von der Staatsanwaltschaft Klagenfurt, der KFG habe seinen Status als Opfer und Privatbeteiligter nicht verloren. Er sei nämlich überhaupt nie Privatbeteiligter gewesen.

Entscheidend ist für diese Frage, an der nicht nur die Akteneinsicht im Verfahren hängt, sondern auch die Frage, wer einen finanziellen Schaden durch die Malversationen erlitten hat, eines: Wer ist der legitime Rechtsnachfolger des nicht mehr existenten Grazer FPÖ-Gemeinderatsklubs? Ist der Rechtsnachfolger der KFG, in dem ausschließlich im Streit mit Kunasek ausgeschlossene Mandatare sitzen? Der Anwalt Kunaseks, Christoph Völk, glaubt das "ganz sicher nicht". Die Staatsanwaltschaft Klagenfurt derzeit auch nicht.

Der Anwalt des KFG, Michael Dohr, sagt: Ja. Der KFG sei Rechtsnachfolger, "da dieser sich nur umbenannt hat und daher auch keine Neugründung vorliegt", sagt Dohr. Die Umbenennung erfolgte im Oktober 2022, nach einer Klagsdrohung der FPÖ, sollte man den Namen FPÖ weiterhin verwenden. Der KFG erhält Klubgelder, die früher die FPÖ erhielt. Für die FPÖ sitzt nämlich nur noch ein einziger Mandatar im Gemeinderat, und einer allein kann keinen Klubstatus haben. Dohr kündigt auch an, dass dazu "von einem renommierten Verfassungsrechtler eine Stellungnahme" eingeholt werde.

"Absoluter Grenzfall"

Einen renommierten Verfassungsjuristen fragte am Mittwoch auch der STANDARD um seine Einschätzung: Peter Bußjäger sieht einen "absoluten Grenzfall". Er verweist auf ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs im Jahr 2002 anlässlich der Abspaltung von Mandataren des Liberalen Forums im Wiener Gemeinderat. "Denn Abgeordnete, die auf einer wahlwerbenden Liste gemeinsam kandidiert haben, können später beliebig viele andere Klubs gründen", führt Bußjäger aus.

"Was das jedoch für einen Strafprozess heißt, ist noch unklar", so der Experte weiter, "denn irgendjemand muss ja der Rechtsnachfolger und der Geschädigte sein. Der eine verbliebene FPÖ-Mandatar wird das nicht sein können."

Akteneinsicht als Phantom

Für Anwalt Dohr bleibt die Aussage der Staatsanwaltschaft, der KFG sei überhaupt nie Privatbeteiligter gewesen, "das Absurdeste, was ich je erlebt habe. Das würde nämlich heißen, dass ich seit Oktober 2022, seit der Umbenennung des Klubs, als Phantom Akteneinsicht hatte, Äußerungen erhalten habe und Gutachten und Unterlagen eingebracht habe, die in den Akt eingegangen sind!" Man werde nun jedenfalls einen Antrag auf Akteneinsicht stellen. Sollte die nicht gewährt werden, folgt der Einspruch wegen Rechtsverletzung.

Die Staatsanwaltschaft Klagenfurt übernahm den Fall von jener aus Graz, weil diese nicht den Anschein der Befangenheit erwecken wollte. Der Rücktritt der Parteispitze um Ex-Vizebürgermeister Mario Eustacchio ist über eineinhalb Jahre her. Wann es zu einem Prozess gegen sieben Beschuldigte kommt, ist noch unklar. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung. (Colette M. Schmidt, 31.5.2023)