Dominik Straub aus Rom

Dass Giorgia Meloni ein Faible für drakonische Strafen hat, wenn es um Abweichungen von der – aus ihrer Sicht – richtigen, natürlichen und anständigen Ordnung der Dinge geht, hatte sie schon kurz nach ihrem Amtsantritt im vergangenen Herbst bewiesen: Das erste Gesetz der neuen Rechtsregierung war ein Dekret, mit dem für die Organisatoren von unbewilligten Rave-Partys Freiheitsstrafen von drei bis sechs Jahren eingeführt wurden.

Die gleiche Holzhammermethode wendet die rechtsnationale Koalition nun auch in einem sehr privaten, intimen Bereich an: beim Wunsch nach einem Kind. Italienische Paare, die selber kein Kind bekommen können und sich deshalb im Ausland an eine Leihmutter wenden, müssen künftig mit Strafen zwischen 600.000 und einer Million Euro und mit Gefängnisstrafen zwischen zwei Monaten und drei Jahren rechnen. Dies sieht ein Gesetz vor, das im italienischen Parlament am Mittwoch die erste Hürde genommen hat und voraussichtlich noch in diesem Monat definitiv verabschiedet wird.

Giorgia Meloni ist in Familienangelegenheiten betont konservativ.
Ludovic MARIN / AFP

Wie wenig die italienischen Rechtsparteien trotz der dramatisch niedrigen Geburtenrate im Land von Leihmutterschaften halten, lässt sich schon an der Terminologie ablesen, die sie verwenden: Abgeordnete der postfaschistischen Fratelli d'Italia, der rechtsradikalen Lega und von Silvio Berlusconis konservativer Forza Italia verwenden konsequent die Bezeichnung "utero in affitto", also "Gebärmuttervermietung". Die ultrakonservative Familienministerin Eugenia Roccella, einst eine militante Feministin, spricht von einem "Markt für Kinder" und von der "Versklavung des weiblichen Körpers".

Leihmutterschaft seit 2005 verboten

Leihmutterschaften, muss man dazu wissen, sind in Italien seit 2005 verboten. Wer es sich finanziell leisten kann, geht deshalb ins Ausland, etwa nach Kanada, in die USA oder in die Ukraine, wo die Praxis erlaubt ist. Das sind nur wenige Hundert Paare pro Jahr, aber genug, um die italienische Rechte in Rage zu bringen. Damit die im Ausland begangene Straftat der "Gebärmuttervermietung" auch in Italien geahndet werden kann, erklärt die Regierung die Praxis in ihrem neuen Gesetz kurzerhand zum "universellen Delikt" – also zu einer Straftat, die nach dem sogenannten Weltrechtsgrundsatz auch dann im Inland geahndet werden kann, wenn sie im Ausland begangen wurde. Bei "universellen Delikten" handelt es sich in der Regel um schwerste Verbrechen gegen die Menschlichkeit. In Italien zählen bisher unter anderem Völkermord und Terrorismus dazu.

Das neue Gesetz gilt zwar – wie auch das bereits bestehende Verbot der Leihmutterschaften im Inland – sowohl für heterosexuelle als auch für homosexuelle und diverse Paare. Es ist aber offensichtlich, dass viele der zum Teil offen homophoben Abgeordneten der Regierungskoalition vor allem die nichtheterosexuellen Paare im Visier haben. Dies lässt sich auch an einer Weisung ablesen, die die Regierung schon vor ein paar Wochen an die Standesämter im ganzen Land geschickt hat: Gleichgeschlechtliche Paare dürfen sich nun nicht mehr beide als Eltern ihres Kindes registrieren. Unzählige Bürgermeister in ganz Italien hatten die gemeinsame Registrierung zuvor unbürokratisch ermöglicht. Das Verbot der gemeinsamen Registrierung gilt auch für heterosexuelle Paare, die im Ausland über eine Leihmutterschaft ein Kind bekommen haben.

Bei ihrem Kreuzzug gegen die "famiglie arcobaleno" (Regenbogenfamilien), wie gleichgeschlechtliche Partnerschaften in Italien genannt werden, nimmt die Regierung in Kauf, dass auch die Rechte der Kinder dieser Gemeinschaften beschnitten werden: Sie haben nun zumindest in ihren Ausweisen nur noch einen Elternteil. "Das sind Kinder zweiter Klasse, für die es nur noch eine Möglichkeit gibt, von beiden Eltern anerkannt zu werden. Und zwar dann, wenn die Eltern es sich leisten können, den langen und anstrengenden Weg ans Gericht zu gehen", betont die Bürgerrechtsaktivistin und Rechtsanwältin Marina Zela. Mit dem neuen Gesetz zur Leihmutterschaft, warnt die Opposition, drohe den Eltern nicht nur das Gefängnis, sondern auch der Entzug der elterlichen Gewalt über ihr im Ausland von einer Leihmutter zur Welt gebrachtes Kind. (Dominik Straub, 2.6.2023)