Johannes Dieterich aus Johannesburg

Sudans zerstrittene Generälen haben auch den letzten Zweifel an ihrer Böswilligkeit ausgeräumt. Am Mittwoch scherte Streitkräftechef Abdelfattah al-Burhan aus den von den USA und Saudi-Arabien moderierten Waffenstillstandsgesprächen aus: Schon zuvor hatte die Vereinbarung höchstens auf dem Papier gegolten, jetzt nehmen die Gefechte in Khartum an Heftigkeit noch weiter zu. Es war der siebente Anlauf zu einer Waffenruhe, an der weder al-Burhan noch sein ehrgeiziger Herausforderer Mohammed Hamdan Dagalo (alias Hemeti) Interesse haben: Sie werden weiterkämpfen, bis sich einer von ihnen geschlagen gibt – auch wenn die Bevölkerung bis dahin verhungert, ausgebombt oder vollends aus dem Land geflohen ist. Außer ihrer Macht und ihrem Reichtum ist den beiden Generälen offensichtlich alles egal.

Genau darauf hatten die Repräsentanten der sudanesischen Zivilgesellschaft schon seit langem hingewiesen – sie kennen ihre Militärs besser als jeder ausländische Diplomat. Spätestens als die Miliz und Militärs befürchten mussten, in die Kasernen zurückgeschickt zu werden und ihren Zugriff auf die staatlichen Ressourcen zu verlieren, zogen sie mit ihrem Putsch im Oktober 2021 die Notbremse, damals waren die beiden Generäle noch vereint.

Sie verdankten gleichermaßen sowohl ihre Karriere als auch ihren Reichtum dem des Völkermords angeklagten Militärdiktator Omar al-Bashir: Trotzdem wurde ihnen bei den Verhandlungen um eine demokratische Verfassung nach der Entmachtung al-Bashirs eine Schlüsselrolle eingeräumt. Aus Gründen der Stabilität, hieß es damals auch unter westlichen Diplomaten. Wie stabil der Rekurs auf die Verantwortlichen der sudanesischen Krise war, hat sich inzwischen gezeigt.

"Ursünde" der Diplomatie

Mukesh Kapila, ehemaliger humanitärer UN-Beauftragter für den Sudan, hält die Einbeziehung des Militärs in die Verhandlungen um einen demokratischen Übergang als einen "massiven politischen Fehler", die Ursünde der internationalen Diplomatie in Sachen Sudan. Stattdessen hätten die Generäle für ihre Verwicklung in den Völkermord in Darfur zur Verantwortung gezogen werden müssen: Al-Burhan war einst Chef der Streitkräfte in den Bürgerkriegsprovinzen, Hemeti der Gründer der berüchtigten Reitermiliz Janjaweed.

Beide waren am Völkermord und den Kriegsverbrechen beteiligt, die der Haager Strafgerichtshof al-Bashir vorwirft. Frieden zu schließen sei niemals einfach, meint Konfliktforscher Kapila: "Aber Konflikte, in denen Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen wurden, ohne jede Form von Gerechtigkeit zu beenden, ist ausgeschlossen." Dazu müsse vielmehr Schuld anerkannt, die Schuldigen bestraft und die Opfer irgendwie entschädigt werden – im Sudan geschah nichts davon. Stattdessen wurden die Täter als Garanten eines neuen Sudans betrachtet. Als Kapila darüber seinen Missmut äußerte, wurde er von den UN seines Postens enthoben.

Armeechef al-Burhan besucht Truppen in Khartum.
Sudanese Army via AP

Auch die sudanesische Analystin Kholood Khalid hätte erwartet, dass die Diplomaten der sogenannten Vierergruppe "Quad" (in der die USA, Großbritannien, Saudi-Arabien und die Arabischen Emirate vertreten sind) den Generälen spätestens nach deren Putsch den Rücken zukehren würden. Stattdessen setzten sie die Gespräche mit ihnen fort, auch nachdem deren Soldaten in den Straßen Khartums weit über 100 Demonstranten und Demonstrantinnen erschossen hatten. Die zivile Opposition spielte bei diesen auch vom deutschen UN-Sonderbeauftragten Volker Perthes geführten Gesprächen höchstens noch eine Nebenrolle: Bei den jüngsten Waffenstillstandsgesprächen fehlte sie gänzlich. Als ob der Sudan nur noch aus zwei sich bekämpfenden Soldatesken bestünde, schimpft Khalid.

Vorbild Ägypten

Im Fall Saudi-Arabiens und der Arabischen Emirate mag das verständlich sein: Deren Monarchen haben an einer zivilen Opposition wenig Interesse, eine neue Demokratie vor ihrer Haustür fürchten sie nur. In Khartum werde geargwöhnt, dass auch dem Westen an einer Demokratie in diesem Teil der Welt gar nicht gelegen sei, sagt Khalid: Zumindest die Pragmatiker in Washington, New York oder London zögen womöglich eine "stabile" Militärdiktatur nach dem Vorbild Ägyptens einer sprunghaften Demokratie vor.

Jetzt, wo die Waffenstillstandsgespräche ohnehin gescheitert sind, hätte die internationale Diplomatie eine neue Chance. Die Generäle müssen isoliert, ihre Bankkonten auch in den Arabischen Emiraten eingefroren, ihr Nachschub abgeschnitten werden. Das Einzige, das die Generäle jetzt noch zu hören bekommen sollten, ist, dass sie für ihren Wahnsinn zur Verantwortung gezogen werden, sagt Khalid: Und falls sich Hemeti, wie manche vermuten, tatsächlich in den Arabischen Emiraten aufhalte, müsse er unverzüglich festgenommen werden. (Johannes Dieterich aus Johannesburg, 1.6.2023)