"Dort wo die Blumen blühn, dort wo die Täler grün, dort war ich einmal zu Hause", singt Freddy Quinn aus der Konserve, 33. Minute, während Edi und Gitti in ihrem Freddy-Quinn-Museum gerade ein paar Freddy-Quinn-Pappaufsteller durch die Tür bugsieren. "Wo ich die Liebste fand, da liegt mein Heimatland, wie lang bin ich noch allein?"
Eine CD-Sammlung mit mehr als 300 CDs, hunderte VHS-Videobänder mit dem österreichischen Schlagersänger in allen erdenklichen Rollen und Bühnenauftritten, dazu tausende Plakate und Schellacks, mit denen das kleine Museum im Block A, Stiege 8, Etage 2, ausgekleidet und bis unter den Plafond komplett zutapeziert ist. "So schön, schön war die Zeit, so schön, schön war die Zeit…"
Freddy Quinn. Stationen einer Karriere 1949–2006. Und mittendrin die Filmregisseurin Bianca Gleissinger, die sich immer wieder ins Bild hineinschleicht, die Szenen mit ihrer frechen, "goscherten" (Kleine Zeitung), irgendwie immer noch pinken Stimme aus dem Off kommentiert und sich mit ihrer Soziodokumentation auf die Spuren ihrer eigenen Kindheit begibt, auf die Suche nach Fragen und Antworten ihres damals so ungetrübt rosaroten Lebens. Licht aus, Tür zu, und Schnitt.
"Ich bin hier aufgewachsen", sagt Gleissinger, Absolventin der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (DFFB), die mit ihrem Film 27 Storeys – Alterlaa Forever ihr Abschlussprojekt und zugleich ihr 82-minütiges Filmdebüt vorlegt, im Gespräch mit dem STANDARD. "Für mich war das Wohnen in Alterlaa mit all seinen Annehmlichkeiten damals ganz normal. Erst später habe ich begriffen, was für ein besonderer Ort das hier ist."
Ob hier wirklich so viele Proleten wohnen? Natürlich! Wenn man 3200 Wohnungen für 9000 Menschen baut", sagt Gleissinger, "dann ist in gewisser Weise alles wahr und unwahr zugleich, denn wo viele Menschen wohnen, da hat das Leben auch viele verschiedene Farben."
Bis heute zählt Harry Glücks Wohnpark Alterlaa – der nicht nur für seine Swimmingpools auf dem Dach berühmt ist, sondern auch für seine vielen Vereine und exotischen Clubräume wie etwa Bridge-Salon, Schießhalle, und Modellbauwerkstatt – zu den beliebtesten Wohnbauten Österreichs. Die Fluktuation ist extrem gering, die Wohnzufriedenheit mit 98 Prozent unschlagbar hoch, der Wohnbau immer wieder Motiv für Studien und Forschungsarbeiten.
Doch dieser Film dreht sich nicht nur um das Objekt, wie es schon so oft untersucht und dokumentiert wurde, sondern vor allem um die hierin lebenden Subjekte. Zu Wort kommen Urgesteine, die hier seit dem allerersten Tag eingemietet sind, Fertigstellung 1976, aber auch Jugendliche und neu Zugezogene, die mit Alterlaa in ein neues Leben durchstarten wollen. Kinder fahren mit dem Scooter durchs Bild, Teenager verabreden sich über die hausinterne Sprechanlage auf ein Bier, in den Küchen werden Schnitzel geklopft. Und dann, in der 76. Minute, wird Hanna nachdenklich.
"Alterlaa ist für mich ein schönes beginnendes Ende meines Lebens, ich fühle mich sehr wohl hier", sagt die kürzlich pensionierte Hanna, während sie ihre Reiseführer ausmistet, weil sie wahrscheinlich nie wieder nach Florida reisen wird. "Hier kannst du alt werden. Bis der Tod Alterlaa und mich scheidet." Auch das passiert. Peter, einer der Protagonisten im Film, verstirbt während der Dreharbeiten. Seine Wohnung wird geräumt, ausgemalt, für die nächsten Mieterinnen instand gesetzt.
"Natürlich ist 27 Storeys auch ein Film über Alterlaa", sagt die 33-jährige Regisseurin, "denn Harry Glück hatte die große Gabe, die damalige Zeit mit einem sehr wachen Auge zu lesen und in eine ansprechende, sozial adäquate Architekturform zu übersetzen. Aber es ist auch ein Film über Kindheit, über kindliches Glück, über erfüllte und geplatzte Kindheitsträume."
"Dieser Film ist aber auch ein Werkzeug, um von alten sozialen Utopien loszulassen, denn die Zeiten von der Stadt in der Stadt – von Wohnen, Arbeiten, Freizeit und Einkaufen unter einem Dach – sind vorbei. Das interessiert heute niemanden mehr."
Bei aller Sentimentalität, Menschlichkeit und Freddy-Quinn-Skurrilität schafft es der Film, nicht nur in die Geschichte zurückzublicken und die Gegenwart darzustellen, sondern auch die Frage zu stellen, wie wir es schaffen, unsere Wohnutopien zu transformieren und innovative Lebensmodelle für die Zukunft zu entwickeln. Ein dringlicher Auftrag an alle Politiker, Bauträger und Architektinnen: Über welche zeitgenössischen Wohnprojekte wird man in 50 Jahren einen Film drehen wollen? (Wojciech Czaja, 4.3.2023)