Das Image von Köchinnen und Köchen muss bereits seit Jahrzehnten leiden: Arbeiten, wenn andere frei haben, schroffer Umgangston in der Küche und Zeitdruck ohne Ende. Seit Jahren steht der Job auf der Mangelberufsliste, Gastbetriebe müssen die Öffnungszeiten ändern oder schließen ganz, weil sie kaum noch Personal für die Küche finden. Und dann ploppt auch noch die Debatte um eine vegane Kochlehre auf.

Gulasch mit Rindfleisch oder Seitanstücken? Schmecken muss beides, wissen die Köche.
Christian Fischer

Und sie breitet sich aus: Veganlehre hin oder her – sollen nicht auch asiatische und italienische Restaurants Köchinnen ausbilden dürfen? Der Beruf soll immerhin wieder attraktiver werden, damit der Fachkräftemangel zurückgeht.

Mit Essen Sinn stiften

Gespräche mit Küchenchefs und Restaurantinhaberinnen zeigen jedenfalls: Es geht ihnen um eine generelle Aufwertung des Lehrberufs und des Jobs, nicht (nur) darum, ob es eine vegane Kochlehre gibt oder nicht. Und auch nicht darum, ob jemand ein Schnitzel kochen kann oder weiß, welche genauen Kräuter in eine Suppe kommen.

Ein Blick in zwei ganz unterschiedliche Küchen in Wien zeigt: Es gibt vermutlich keine einheitliche Antwort auf die Frage der perfekten Kochausbildung und wie sich wieder viele junge Leute für eine praktische und theoretische Ausbildung rund um Kulinarik begeistern können.

Es brauche aber mehr tiefer gehende Theorie, genaues Wissen zu Grundlagen des Kochens und der Lebensmittel sowie ganz viel Übung. Flexiblere Ausbildungswege können den Kochberuf für Neulinge sinnstiftend machen, sagen Fachleute. Möglich sollte das in Zukunft sowohl in traditionellen als auch in vegetarischen Restaurants sein.

Die vegetarische-vegane Hollerei

Eigentlich hat er schon immer nur mit vegetarischen oder veganen Speisen gearbeitet, erzählt Narayan, während er die Erbsencreme in der Pfanne rührt. Ursprünglich kommt er aus Nepal, hat auch in Küchen in Basislagern im Himalaja Erfahrungen gesammelt.

Koch Narayan bereitet saisonal Spargellasagne zu.
Foto: Christian Fischer

Seit mehr als zwölf Jahren ist er nun in der Hollerei. Hier gilt Fingerspitzengefühl: Auf der Karte stehen sowohl vegane, vegetarische als auch glutenfreie Gerichte, in der Küche sind die Produkte strikt voneinander getrennt. Die Inhaber Margit Stolzlechner und ihr Mann André sammelten ihre Erfahrungen in der Großstadthotellerie, bevor sie gemeinsam etwas Neues eröffnen wollten.

VIDEO: Wie vegan is(s)t Österreich?
DER STANDARD

Wenn, dann aber nur einen vegetarischen Betrieb, erinnert sich Chefin Stolzlechner im mit Wein und Efeu überdachten Gastgarten im Gespräch zurück. Die Hollerei ist mit 24 Jahren somit eines der ältesten vegetarischen Restaurants in Wien. Und hier dürfen Lehrlinge ausbildet werden. Das geht nur in Kooperation mit einem weiteren Restaurant, damit die Kriterien für die Ausbildung erfüllt sind. Auch jetzt suchen sie nach neuem Personal. Fangen neue Köche an, dauert es Monate, bis sie auf die rein fleischlose Küche vorbereitet sind.

Curry und Belugalinsen gibt es in der Hollerei.
Christian Fischer

Von einer Grunderneuerung der Lehre, einer Basisausbildung mit Wahlmodulen für unterschiedliche Küchen, würden sie profitieren, sagt Stolzlechner. Gemüse richtig zuzubereiten sei kein Kinderspiel. Das zeigt auch die Spargellasagne mit Erbsencreme, die heute in der Küche entsteht. Nur ganz kurz dünsten, dann kommt es auf den Grill, gemeinsam mit dem Räuchertofu. So entsteht die essenzielle Kombination aus knusprig und weich.

Das traditionelle Lercherl von Hernals

Auf dem Gasherd blubbert bereits die dunkle Brühe. 35 Leute werden an diesem Tag im Lercherl von Hernals mit traditionellem Gulasch verköstigt. "Das Beste, was du haben kannst, sind große Gruppen", erklärt Koch Edgar, während er nebenbei auch die Mittagsmenüs auf der Theke in der Küche aufreiht.

Koch Edgar bereitet Gulasch für 35 Leute vor.
Christian Fischer

"Bei à la carte weiß man nie, was einen erwartet." Dabei kann Edgar Hühnerkeule, Hirn, Schnitzel und gebackene Champignons in- und auswendig zubereiten. Schon immer hat er österreichisch gekocht. Vor mehr als 20 Jahren schloss er seine Lehre ab, es war eine harte Zeit: Das Gefühl, im Zwölf-Stunden-Job nichts zu lernen außer Schnippeln und Rühren, wechselte sich mit Müdigkeit in der Berufsschule ab.

"Ich habe dann alles selbst perfektioniert", verrät er. Bekam er eine Soße nicht tadellos hin, kochte er sie zehn-, zwölfmal neu, bis sie perfekt schmeckte. Seit sechs Jahren arbeitet er als einziger Koch im Lercherl mit einer Küchengehilfin. An sonnigen Tagen ist der Gastgarten freilich voll, Edgar bereitet pausenlos Hirn mit Salzkartoffeln, Hühnerkeule mit Reis und einige Erdäpfelsalate vor.

Kellnerin Moni serviert Schweinehirn mit Salzkartoffeln.
Keine

Einen nur vegan gelernten Koch einstellen? Undenkbar, sagt Edgar. Vom Lercherl erwarten sich die Gäste Fleischgerichte, das müsse man können. Grundsätzlich bräuchte es aber viel mehr Köchinnen, die sich für Theorie und Praxis begeistern können. Auch ihm falle das selbst erst leicht, seitdem er seine Arbeitsatmosphäre selbst bestimmen kann. Denn diese sei in vielen Betrieben widrig. Sich an neue Gewohnheiten anpassen fiel ihm noch nie schwer. Das zeigte sich letztens wieder: An einem großen Tisch saßen zwei Vegetarier, zwei Veganerinnen und eine Person mit Glutenunverträglichkeit. (Melanie Raidl, 3.6.2023)