Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

Am Grund des Rheins befindet sich das Basislager für die Expedition zum Mount Everest der Opernliteratur. Als einen solchen Gipfelpunkt hat Franz Welser-Möst jüngst Richard Wagners Ring des Nibelungen bezeichnet. Mit 62 will sich der Österreicher solche Gewalttouren in Zukunft nicht mehr antun. Vor neun Jahren hat Welser-Möst abrupt Abschied genommen vom Posten des Generalmusikdirektors der Wiener Staatsoper, diesen Juni sagt der Zurückgekehrte Adieu zum Ring, wohlüberlegt und mit zwei Aufführungsserien. Am Donnerstagabend startete die erste mit dem Rheingold.

Der "Vorabend" der Tetralogie wurde zu einem Festspiel der Sangeskunst und der Wortdeutlichkeit, mit Michael Laurenz als dessen schillerndem Vitalzentrum. Als Feuergott Loge stimmte der Deutsche anschwellende Bocksgesänge der Intrigenkunst an: mal eruptiv, mal geschmeidig, schlangengleich sich windend. Dagegen hatte Michael Nagy wenig Chance, der als ansehnlicher Alberich auch mit einem mächtigen Bariton gefiel. Half alles nichts, der Nachtalb musste Ring und Gold abgeben.

Waffenschein für den Sopran

Als prägnanter Wotan hatte Eric Owens nur kurz Freude an dem Schatz, musste er damit doch Freia, den Jungbrunnen des Götterclans, auslösen (Regine Hangler wird für ihren Sopran bald einen Waffenschein brauchen). Im Stimmfach der schneidigen Tenöre assistierte Matthäus Schmidlechner seinem Kollegen Laurenz erstklassig.

Ebenfalls von heller Vokalkraft, aber biegsamer: Daniel Jenz als Froh, göttlich Tanja Ariane Baumgartner als Fricka.

Das Staatsopernorchester hat Welser-Möst als "eine Art Originalklang-Ensemble" für Wagner bezeichnet, dessen kurze "Generationenkette" bis zum Komponisten zurückreiche. Unter der Leitung des peniblen Musiksachwalters gelang den historisch informiert Musizierenden ein solider Ring-Start – Wagner-Titan Peter Schneider vermisste man trotzdem. (Stefan Ender, 2.6.2023)