"Being Marc Márquez" ist inzwischen das dritte Buch von Werner Jessner, das unter seinem Namen erschienen ist. Davor schrieb er mit "Dakar – die härteste Motorradrallye der Welt" ein Buch über die gleichnamige Rallye und mit "Orlando Duque – High Diver" ebenfalls eine Sportler-Biografie. Er hat sich aber schon seinerzeit als Redakteur für die "'Autorevue'" und mit seinen Motorradberichten einen Namen in der Szene gemacht. Er gilt als wilder Hund, egal auf welchem fahrbaren Untersatz. Und er ist ein Arbeitstier – was ihm manchmal zum Verhängnis wird.

Ein Blick in das Buch "Being Marc Márquez" – selbstverständlich auf einer Rennstrecke aufgenommen.
Benevento, Honda HRC

STANDARD: Als du dein Buch "Dakar" geschrieben hast, erinnere ich mich, hast du mir erzählt, dass du den Umfang gesprengt hattest und am Ende ein dickeres Buch als geplant herauskam, war das bei "Being Marc Márquez" auch so?

Jessner: Nein, gar nicht. Diesmal war's eine Punktlandung. Musste es auch sein, weil wir "Being Marc Márquez" von Anfang an dreisprachig konzipiert haben: Deutsch, Englisch und Spanisch.

STANDARD: Während du am Buch gearbeitet hast, hast du einmal erzählt, wie lustig du es mit Marc Márquez immer hast – im Buch wirkt er in erster Linie aber ehrgeizig und zielstrebig. Wie passt das zusammen?

Jessner: Beim Abschreiben der Aufnahmen war ich wirklich erstaunt, wie viel wir während unserer Interview-Sessions gemeinsam gelacht haben. Mir war zwar schon bei diversen gemeinsamen Geschichten zuvor aufgefallen, wie positiv er im persönlichen Gespräch ist, aber diesmal war es noch intensiver, gelöster. Ich denke, er wollte gewisse Dinge einfach erzählen – aus sich heraus, nicht weil jemand was aus ihm herausstierln will. Ehrgeiz und Fröhlichkeit schließen einander nicht per se aus, finde ich. Dass er auf der Rennstrecke konzentriert ist und nicht herumblödelt: Geschenkt! Wenn er von seinem Tun auf der Strecke erzählt, dann kommt eben der fokussierte Marc durch, der Profi. Er unterscheidet sehr zwischen der Privatperson und dem Rennfahrer, übrigens auch auf Social Media. Da sieht man auch nur den Racer, zumindest fast nur.

STANDARD: Kam die Idee zum Buch von dir oder vom Verlag, und wie schnell konntet ihr Marc von der Idee begeistern, dass du ihm eine Biografie schreibst?

Jessner: Drei Jahre nach dem Dakar-Projekt war es Zeit, wieder ein gscheites Buch zu machen. Da haben wir – meine wirklich tolle Crew bei Pantauro und ich – Ideen gewälzt. Bringing together the band, so hat sich das angefühlt. Christoph, Sophia, Alex, diesmal Georg statt Markus für die Fotos: Da weißt du schon vorher, dass es wieder eine Gaudi sein wird und dass du nach ein paar intensiven Monaten ein Buch in Händen halten wirst, das dir selber taugt. Und dieses Gefühl konnten wir Marc auch vermitteln, nachdem wir ihm meine letzten beiden Bücher, "Dakar – die härteste Motorradrallye der Welt" und "Orlando Duque – High Diver", vorgelegt hatten. An Orlando sah er, dass wir auch Spanisch und Englisch können. Im Dezember vergangenen Jahres hat er den Vertrag unterschrieben, ab 3. Jänner saß ich bei ihm im Wohnzimmer.

STANDARD: Wenn ich mich nicht verzählt habe, sind in dem Buch 106 Fotos von Marc Márquez, aber kein einziges von dir. Was macht das mit deiner Eitelkeit?

Jessner: Bei meinem Helm-Gesicht: gar nix. Auch die Entscheidung, meinen Namen nicht auf den Titel mitzunehmen, sondern nur Marc als Absender draufzuschreiben, hab ich nach anfänglichem Zähneknirschen akzeptiert. Der Verlag wollte klarmachen, dass es sich um die "echte" Marc-Márquez-Biografie handelt, keine zusammengeschusterte, bei der ihn jemand dreimal auf Youtube und zweimal im Fernsehen gesehen hat. Denn auch diese Bücher gibt's über ihn. Meines ist von ihm. Das ist der Unterschied.

Werner Jessner ist nicht nur Buchautor, sondern auch begeisterter Motorradfahrer und war als solcher schon auf etlichen Rennstrecken unterwegs.
Philipp Platzer

STANDARD: Gleich zu Beginn lässt du Marc beschreiben, dass ein MotoGP-Bike sehr unlustig zu fahren sei, wenn man es nicht gewohnt ist. Bist du einmal mit einem gefahren? Wie war es?

Jessner: Zweimal sogar, und zwar mit den Vorgänger-Bikes seiner aktuellen Honda. Ich konnte davor nicht schlafen, war währenddessen nervös und habe in der Auslaufrunde geweint, kein Witz. Weil es so unglaublich intensiv war, aber auch weil ich dieses Abenteuer unbeschadet überstanden hatte. Und das war noch vor der aktuellen Generation mit all der Elektronik und Aerodynamik!

STANDARD: Warst du mit Marc Motorrad fahren?

Jessner: Nein. Soweit ich weiß, fährt er gar nicht auf der Straße Motorrad, noch immer nicht. Er hat jedenfalls keinen Führerschein für die Tausender-Fireblade, die bei ihm im Vorzimmer steht, das hat er mir erzählt.

STANDARD: Schaust du dir jedes MotoGP-Rennen an?

Jessner: Nein, nur wenn ich es beruflich muss, das Wetter ganz schiach ist oder ich spontan Lust drauf habe.

STANDARD: Wir kennen uns ja schon ein paar Jahre und waren auch gemeinsam Motorrad fahren. Du warst da nie ganz ungeschickt, wenn ich es böse ausdrücken will. Hat dich eine Karriere als Motorrad-Rennfahrer irgendwann gereizt?

Jessner: Bei Motorradrennen standen für mich Platz- und Geldbedarf nie in einem gesunden Verhältnis zum Spaß. Motorrad: Da brauchst du einen Bus oder Hänger, bei jedem Sturz ist was kaputt, du musst mit Öl und Benzin herumpatzen. So kam ich auf Mountainbike-Downhill: Kombi, Kofferraum auf, Radl rein, Werkzeugkiste dazu, eine Garnitur Ersatzreifen, Deckel zu, Abfahrt. Das hab ich eh 15 Jahre lang betrieben. Plus: Im Downhill fährst du in der Regel allein, nicht im Rudel. Das liegt mir mehr.

STANDARD: Du bist bekannt dafür, dass du viele Alltagswege mit dem Motorrad machst. Wird das nicht irgendwann anstrengend?

Jessner: Alles ab, sagen wir, Wien–Zürich wird schon anstrengend, aber ich kann ja jederzeit stehen bleiben oder ein paar Kilometer Landstraße fahren und ein paar schöne Kurven mitnehmen. Es ist mir mittlerweile zu blöd, mich mit dem Auto in den Stau zu stellen. Also Zug – und wenn ich mich wirklich nicht einsperren lassen will für den Weg von A nach B, das Motorrad.

STANDARD: Und im Winter, wenn es kalt, feucht und mitunter eisig ist?

Jessner: Bei den Streusalz-Exzessen in Österreich gibt es ohnehin kein Glatteis mehr, zumindest nicht bis minus fünf, sechs Grad. Gegen Kälte soll man sich gscheit anziehen. Hat schon die Oma gesagt. Gilt auch für Nässe: Ich hab immer gute Regenwäsche im Topcase griffbereit.

STANDARD: Du warst ja das, was man landläufig einen Petrolhead nennt. Ist das immer noch so? Hast du nur Autos und Motorradln im Kopf?

Jessner: Dieses Image hatte ich wohl, ja. Vielleicht eh noch immer, weil mich das Automotive-Thema nach so vielen Jahren im Job halt zwangsläufig immer wieder ansaugt. Ich selber seh mich gar nicht so. Am liebsten sind mir die Tage, an denen ich mit dem Mountainbike ganz allein irgendwo im Wald bin, manchmal sogar mit einem Buch hinten drin im Camelbak. Und ich schreibe ja auch nicht nur über Autos und Motorräder, gar nicht. Das ist vielleicht ein Drittel meines Repertoires.

Marc Márquez und seine Fans.
Benevento, RedBullContentPool

STANDARD: Zurück zum Buch, das vor wenigen Wochen rauskam. Man darf sagen, die Verkäufe laufen sehr gut. Hast du damit gerechnet, dass das so abhebt?

Jessner: Wenn ich jetzt sagen würde, dass mich der Erfolg überrascht, dann wäre das unehrlich, denn natürlich hofft man darauf, dass sich der Einsatz gelohnt hat. Doch "Being Marc Márquez" hat meine persönlichen Erwartungen eindeutig übertroffen. Bereits Wochen vor Erscheinen die einschlägigen Charts im deutschen Sprachraum anzuführen, vor Größen wie Lewis Hamilton oder der Guenther-Steiner-Biografie, die kurz vor uns rausgekommen ist und der Netflix hinter sich hat – das ist im Grund irre. Die zweite deutsche Auflage wird gerade gedruckt. Dieser Tage erscheinen die bereits geplanten Varianten in Englisch und Spanisch im Gestalten-Verlag. Dazu soll noch eine weitere europäische Sprache dazukommen, da laufen gerade Verhandlungen. Ja, das Ding fliegt wirklich. Das alles liegt meiner Meinung nach hauptsächlich an der Person Marc Márquez. Selbst wenn du ihn nicht magst, hast du eine Meinung zu ihm, und die willst du im Buch bestätigt oder widerlegt bekommen. Seit dem Abschied Valentino Rossis ist Marc der letzte Superstar in der MotoGP. Ich würde sogar so weit gehen zu sagen, er ist der charismatischste Rennfahrer unserer Zeit quer über alle Sparten. Aber vielleicht bin ich da nicht ganz objektiv.

STANDARD: Was kommt als Nächstes? Ist schon was in der Pipeline?

Jessner: Konzepte und Ideen gibt es immer. Konkret sind es ein, zwei Dinge, über die wir nachdenken, aber natürlich muss alles passen, bevor wir loslegen. Ein Buch zu schreiben kostet richtig viel Energie. Du musst sicher sein, es durchziehen zu können und dass du dir am Ende nicht denkst, in welchen Schas hab ich mich da reintheatern lassen. Und am Ende muss es auch finanziell funktionieren – und zwar für alle Beteiligten.

STANDARD: Hat es dich jemals gereizt, einen Roman zu schreiben?

Jessner: Vielleicht könnte ich das – so rein handwerklich –, vielleicht aber auch nicht. Doch ich fürchte mich viel zu sehr vor den vielen geschriebenen unpublizierten Romanen da draußen. Ich weiß, wie viel Arbeit ein Buch ist, und fühle mit allen Schreibern, die ihr Herzblut in die Hoffnung reinpumpen, einmal ihren eigenen Namen auf einem Buchrücken zu lesen, bloß um sich ein "leider nein" nach dem anderen zu holen. Die Buch-Branche ist wirtschaftlich nicht einfach. Und irgendwie fühlt es sich so an, als hätte ich mit der Athleten-Biografie eine Nische gefunden, in die ich passe und in der ich mich wohlfühle. Im angelsächsischen Raum gibt es eine ganz wunderbare Tradition kluger, tiefschürfender Biografien von Menschen, die halt zufällig Sportler waren und trotzdem etwas zu sagen haben – die eine Geschichte erzählen, die weit über den Sport rausreicht. Auf Deutsch ist da noch einiger Platz im Bücherregal. (Guido Gluschitsch, 6.6.2023)

"Being Marc Márquez" von Werner Jessner erschien bei Pantauro, Benevento Publishing, hat 224 Seiten und kostet 36 Euro.
Benevento