Fake-Fur-Mantel: Man's Concept Menswear Smoking, Hose: Sankuanz, Schuhe: Louboutin.
Eric Asamoah

"Wie passend", sagt lachend Valentin Postlmayr, als er das rote Faltenkleid von Balanciaga beim RONDO-Modeshooting überzieht. Ein recht ähnliches Kleidungsstück trug er auch in seiner ersten großen Kinorolle. Der Film Alma und Oskar skizziert die leidenschaftliche, um nicht zu sagen toxische Beziehung zwischen Alma Mahler und Oskar Kokoschka. Der Film kommt am 7. Juli in die Kinos. Postlmayr spielt den exzentrischen Künstler, Emily Cox jene Frau, der die Wiener Kulturszene Anfang des 20. Jahrhunderts zu Füßen lag. In einer Szene wirft sie ihrem Geliebten einen feuerroten Umhang ins Gesicht und sagt: "Hab ich dir mitgebracht aus Prag. Ein japanischer Kimono." Er probiert das edle Stück an, doch die Stimmung ist ganz und gar nicht freudig. Sie ist geprägt von gegenseitiger Eifersucht. Die passiv-aggressive Atmosphäre entlädt sich schließlich in einem handfesten Streit. Nach der Versöhnung sieht man das Paar vor dem Spiegel sitzen. Nun trägt Alma Mahler den roten Kimono. Kokoschka will den Moment als Gemälde festhalten, es werde das Verlobungsbild der beiden sein, prophezeit er. Das Porträt Doppelbildnis Oskar Kokoschka und Alma Mahler ist tatsächlich entstanden, doch zur Hochzeit kam es nie.

Im Film "Alma und Oskar" verkörpert er die toxische Maskulinität, in der Realität lebt Valentin Postlmayr ein sehr progressives Geschlechterrollenbild. Kleid: Balenciaga.
Eric Asamoah

Valentin Postlmayr ist seit sechs Jahren mit seiner Frau liiert, die ebenfalls Schauspielerin ist. Die Beziehung der beiden hat auch leidenschaftliche Züge. Aber wie schafft man es, dass es nicht toxisch wird? "Aus Leidenschaft kann Toxizität werden, wenn kein reflektierter Umgang mit Gefühlen besteht", sagt der 30-Jährige. Sich zurückzuziehen und zu schweigen, anstatt über Gefühle zu reden, seien eher männlich gelesene Muster, zu denen auch er selbst tendiere. Seine Partnerin animiert ihn dazu, diese Mankos zu erkennen und ihnen entgegenzuwirken. "Da kann es schon mal vorkommen, dass wir uns gegenseitig anschreien, aber das ist okay. Gefühle müssen raus!", sagt Postlmayr, der mit seiner Partnerin eine vierjährige Tochter hat.

Valentin Postlmayr
Smoking und Hose: Alexander McQueen, Rollkragenpullover: Bally.
Eric Asamoah

Die projektbezogene Arbeit vor der Kamera macht es Valentin Postlmayr möglich, seine Vaterrolle aktiv wahrzunehmen. Er bezeichnet sich selbst als "stay-at-home dad", das heißt, er bringt seine Tochter in der Früh in den Kindergarten, arbeitet dann zu Hause an Rollen, schreibt Bühnenstücke, liest, malt oder treibt Sport, bis er oder seine Frau, die Teil des Ensembles am Wiener Burgtheater ist, ihre Tochter wieder abholen. Postlmayr kritisiert, dass vor allem Frauen gegenüber oft vermittelt werde, Beruf und Familie seien so leicht vereinbar. "Aber niemand spricht darüber, wie das geht. Nämlich nur als Team. Es ist ein großes Privileg, dass wir von unserer Familie Unterstützung bei der Kinderbetreuung bekommen, wenn wir sie brauchen", sagt Valentin Postlmayr, der schon immer eine Familie gründen wollte und sich vorstellen kann, noch weitere Kinder zu haben.

Valentin Postlmayr
Blazer und Hose: Gucci, Rollkragenpullover: Bally.
Eric Asamoah

An sich wachsen

Er selbst ist das jüngste von vier Geschwistern. Den Grundstein für Valentin Postlmayrs Interesse an der Schauspielerei legte sein ältester Bruder. Dieser trat in einer Schulaufführung des Jedermann als einer der Vetter auf. Heute steht er nicht mehr auf der Bühne, er ist Mediziner geworden. Doch den kleinen Bruder hatte er nachhaltig beeinflusst. Valentin Postlmayr belegte am Gymnasium "Bühnenspiel" und schloss sich einer Theatergruppe an.

Valentin Postlmayr
Blazer und Hose: Ferragamo, Hemd: Louis Vuitton, Schuhe: Louboutin.
Eric Asamoah

Nach der Matura wollte er bloß eine Freundin zum Vorsprechen am Reinhardt-Seminar in Wien begleiten, doch bereitete auch er kurzfristig Monologe vor und versuchte sein Glück. Postlmayr schaffte es auf Anhieb in die zweite Runde. "Davor hatten mir der Mut und die Vorstellung gefehlt, dass Schauspielerei eine realistische Berufswahl für mich sein könnte", erinnert sich der gebürtige Windischgarstener. Aufgenommen wurde er schlussendlich am Konservatorium Wien (heute Muk), wo er 2017 sein Schauspielstudium mit Auszeichnung abschloss.

Valentin Postlmayr 
Top mit Federbesatz: Valentino.
Eric Asamoah

Bis 2019 war er Teil des Ensembles am Wiener Burgtheater. Dann übernahm Martin Kušej die Direktion. Dessen personelle Veränderungen betrafen auch Valentin Postlmayr. Der neue Direktor hatte keine Verwendung für den jungen Schauspieler, und er löste das Dienstverhältnis auf. "Das war eine massive Kränkung. Aber auch wieder eine Möglichkeit zu lernen, besser mit den eigenen Gefühlen umzugehen. Es bringt mir nichts, Groll zu hegen", erinnert sich der 30-Jährige. Mittlerweile habe er die Kränkung überwunden. Mit Stefan Bachmann, der Kušej 2024 als Burgdirektor ablösen wird, würde Postlmayr gern einmal zusammenarbeiten. "Er ist offen für Komisches am Theater. Das liegt mir. Und wer weiß, vielleicht komm ich wieder ins Ensemble, wenn er sich Alma und Oskar ansieht", scherzt Postlmayr.

Valentin Postlmayr
Anzug: Louis Vuitton, Hemdbluse: Sofie D'Hoore, Schuhe: Louboutin.
Eric Asamoah

Grenzen einhalten

Aber ob der ein empathischerer Chef wäre? Bachmann wurde vor einigen Jahren für seinen Führungsstil kritisiert. Auch an Filmsets kommt es immer wieder zu problematischem Verhalten von Personen in Machtpositionen. Solche Zustände sind ein offenes Geheimnis der Branche, heißt es immer wieder. Und auch Valentin Postlmayr habe schon von solchen Fällen gehört. Selbst habe er aber zum Glück noch nie in einem toxischen Umfeld arbeiten müssen. Maximal ignorantes oder unsensibles Verhalten sei ihm begegnet – zum Beispiel bei Liebesszenen. Davon gibt’s auch einige im Film Alma und Oskar zu sehen. Um sich darauf vorzubereiten, haben seine Filmpartnerin Emily Cox und Valentin Postlmayr Körperarbeit mit der renommierten Tänzerin und Choreografin Doris Uhlich erarbeitet. "Sie hat uns über das nackte Miteinandertanzen mit der Materialität unserer Körper vertraut gemacht. Das hat gar nichts Sexuelles an sich", erklärt der Schauspieler.

Valentin Postlmayr
Trenchcoat: Egonlab, Jeans: Y-Project, Schuhe: Prada.
Eric Asamoah

Seit #MeToo setzen viele Filmproduktionen sogenannte Intimitätskoordinatoren ein, die bei Liebesszenen darauf achten sollen, dass keine Grenzen überschritten werden. Für Valentin Postlmayr eine Selbstverständlichkeit: "Es sollte klar sein, dass man sich mit Respekt begegnet. Leider gibt es aber immer wieder Leute, die übergriffig sind." Es sei wichtig, sich die Zeit zu nehmen, das Gegenüber und dessen individuelle Grenzen kennenzulernen und eine Vertrauensbasis aufzubauen. Kollegin Emily Cox gegenüber ist der Schauspieler hierzu vollen Lobes: "Es war ja meine erste große Kinorolle. Sie hat mir viel Sicherheit vermittelt und ist sehr achtsam mit mir umgegangen. Ich hoffe, umgekehrt war es genauso." Toxisches Verhalten also zwar auf der Leinwand, aber hinter den Kulissen alles ganz respektvoll. (RONDO, Michael Steingruber, 9.6.2023)